Vom Startup in den Konzern und wieder zurück. Unternehmer und Investor Martin Saidler baut eine Webagentur auf, die gleichzeitig Inkubator für Startups werden soll. Ein Interview.

Martin Saidler (Bild: Centralway)In der Schweiz ist er bislang kaum bekannt. Dabei ist Martin Saidler erfolgreicher Startup-Investor und Netzpionier. Zu Spitzenzeiten hielt er über 150 Beteiligungen an Webunternehmen, unter anderem in Osteuropa. Dies zu einer Zeit, als dort noch kein Investor unterwegs war, sagt er.

Der in Österreich geborene Saidler hat selbst Startup-Erfahrung gesammelt. Sein in Berlin gegründetes Unternehmen Jobinteractive.com verkaufte er an die Beisheim-Holding, die mit sieben weiteren Unternehmen später die Scout24-Gruppe gründete. «Da sah ich, wie schnell man mit einem guten Riecher eine grosse Gruppe bauen kann», erzählt er heute. Saidler managte für die Holding zahlreiche Beteiligungen, investierte selbst und baute ein grosses Netzwerk auf.

Seine Investments verkaufte nach und nach, unter anderem an die Daily-Mail-Gruppe, Axel Springer und Time Warner. Die Bilanz schätzte den Wert seiner Beteiligungen vor dem Exit auf 250 Millionen Euro.

In der Schweiz war er einer der ersten Investoren bei b-to-v und stieg bei diversen Startups ein. Ein Webagentur-Unternehmen, das auch Startups inkubiert, ist nun das neue Venture des 43-jährigen.

Zürcherstrasse 41, Winterthur: Hier treffe ich Martin Saidler zum Interview. Zurzeit wird kräftig ausgebaut bei der Netvision AG, die aktuell 38 Mitarbeiter hat und gerade ein Rebranding zur Centralway AG durchläuft. Unter ihr Dach kommen die Webagentur und der künftige Inkubator. Wachstum ist schon jetzt angedacht: «Wir achten darauf, dass alles was wir anschaffen, auch für 200 bis 300 Mitarbeiter funktionieren würde», sagt Saidler beim Rundgang durch die Büros.

Bei der Einrichtung hat er grosse Ambitionen, seinen Mitarbeitern wolle er möglichst viel bieten – Vorbild Google. Saidler erzählt begeistert von Überlegungen zur Tischhöhe, eigens angefertigten Whiteboards und dem Ablagesystem, das auch die Anforderungen börsenkotierter Unternehmen erfüllen würde: «So etwas werden Sie andernorts nicht finden. Das hat unglaublich viel Geld gekostet.» Auf die Frage, ob er Perfektionist sei, antwortet er: «Mir sind Kleinigkeiten wichtig.»

Herr Saidler, wo wollen Sie hin mit der Centralway AG?

Wir haben jetzt ein Mission Statement definiert: «We build web apps and web companies.» Die Kombination ist wichtig. Wir wollen Agentur und Inkubator sein. Wir werden Online-Geschäftsmodelle inkubieren und zwar mit einem hohen technischen Anspruch. Das heisst, dass wir mit Tiefen-Know-How arbeiten wollen, mit Ingenieuren.

Wie ist der Inkubator der Centralway organisiert?

Der Inkubator besteht aus der Centralway Factory, Centralway Cloud, Centralway Seed und demnächst der Academy. Centralway Cloud gehört zum Dienstleistungsbereich, wird aber ein eigenständiges Unternehmen. Dort kümmern wir uns um Hosting, auch für die künftigen Startups. Mit der Centralway Academy möchten wir Mitarbeiter und Lehrlinge ausbilden. Wir wollen auch Startups einladen, von unserem Know-How zu profitieren. Centralway Seed ist zuständig für die Finanzierung.

Wie sieht das Modell von Centralway Seed aus?

Es wird vor allem um Seedfunding gehen, 20’000 bis 50’000 Franken sind das unterste Level, wenn jemand nur eine Idee hat. Wir können uns aber auch vorstellen, Startups zu kaufen um sie weiterzuentwickeln. Wenn Entwicklungsmöglichkeiten bestehen, werden wir uns auch an grösseren Startups beteiligen. Zum Beispiel, um diese zu internationalisieren.

Wie soll der Inkubator funktionieren?

Der Fokus liegt klar auf der Centralway Factory. Wir werden nicht primär Finanzinvestor sein, sondern wollen Startups bauen. Darum ermutigen wir auch unsere Mitarbeiter: jeder hat die Möglichkeit, ein Startup zu gründen. Dafür stehen die Ressourcen von Centralway zur Verfügung: Marketing, Entwicklung, Hosting, Legal.

Was für Startups wollen Sie inkubieren?

Ein erster Schwerpunkt ist die Finanzindustrie. Im Banking lohnt es sich, über neue Modelle nachzudenken. Da suchen wir externe Ideen und haben intern schon ein paar. Hypotheken, Leasing, Kreditkarten, Investmentbanking oder Private Banking; hier sehe ich viel Potenzial.

Die Schweiz ist als Finanzdrehschreibe ein guter Ort für Finance-Startups. Aber ist es aufgrund von Regulatorien nicht schwierig, im Finanzsektor zu gründen?

Ich glaube nicht, dass das ein Problem ist, im Gegenteil: Ich sehe das als eine Chance. Solche Banking-Startups haben den Vorteil, dass sie aufgrund der Markteintrittsbarrieren viel schwieriger zu kopieren sind.

Welche Startup-Bereiche interessieren Sie sonst?

Ein Thema ist E-Commerce, hier ist die Schweiz noch etwas unterbesetzt. Allerdings muss man realistisch sein, die deutsche Konkurrenz ist übermächtig. Man muss sich schnell bewegen oder sehr selektiv sein. Wir wollen nicht das zweite oder dritte Copycat starten, das mit viel Geld oder Execution Power da mitmischt. Wir schauen uns spezielle Modelle an und konzentrieren uns darauf.

Also keine Me-Toos?

Ich würde Copycats nicht zu 100 Prozent ausschliessen. Man ist Möglichkeiten gegenüber offen, sonst wären wir kein Unternehmen.

Wie viele Gründungen zielen Sie an?

Wir wären zufrieden mit vier bis fünf erfolgreichen Startups in den nächsten Jahren. Solche, an die man sich erinnert. Wir werden aber wahrscheinlich mehr Investments und Gründungen brauchen um das zu erreichen.

Was macht einen guten VC aus?

Er sollte wirklich ehrlich sein. Er muss den Gründer von Anfang an reinen Wein einschenken und den Mut aufbringen, dem Team zu sagen was gut ist und was schlecht ist.

Und sonst, worauf haben Sie persönlich geachtet?

Ich bin wahrscheinlich einer der wenigen Investoren, die den Code beurteilen konnten. Ich habe die Hälfte der Produktideen der Startups, an denen ich beteiligt war, mitentwickelt. Und ich kann Ihnen noch heute bei fast jedem dieser Unternehmen die Produkte erklären und darstellen, wie auch die der Konkurrenten. Bei jedem Exit habe ich die Longlist und die Shortlist selbst mit gemacht.

Haben Sie Venturekapital in der Firma?

Keinen einzigen Franken. So sind wir nur auf den Erfolg des Geschäftsmodells angewiesen und nicht darauf, die nächste Finanzierungsrunde zu schaffen. Wir machen keine Beauty-Parade mit, sondern wollen nur den Kunden gefallen und den Mitarbeitern. Wir werden jeden einzelnen Stuhl, die Saläre und die Investments aus dem Ertrag bezahlen.

Bauen Sie sich gerade Ihr eigenes Startup-Ökosystem? Sie scheinen sich sehr strategisch zu beteiligen, zum Beispiel mit Sandbox Network für die Talentsuche, c-crowd fürs Funding, merge.rs als Exitplattform…

Vieles davon ist Zufall. Bei merge.rs ging es mir darum, dass ich im Laufe der Zeit viele Gebühren an Corporate Finance Institute bezahlt habe und dachte, daraus liesse sich ein Geschäft machen. Wir werden aber auch Exits über merge.rs durchführen, aktuell läuft gerade einer.

Was ist mit Sandbox und c-crowd?

Sandbox ist strategisch, eines der wenigen wirklich internationalen Startups der Schweiz. Da können wir von den Netzwerk-Möglichkeiten profitieren und sehen frühzeitig Talente oder interessante Projekte. C-crowd ist ein Versuch, wir wollen sehen ob das Geschäftsmodell funktioniert. Wenn es funktioniert, möchten wir in Zukunft mehr damit machen.