Je nach gesuchtem Mitarbeiter lohnt eine andere Recruitingstrategie. Unser Gastautor rät auch zu ungewöhnlichen Methoden.

von Paul Morgenthaler, Gründer von pauls way

Paul Morgenthaler

Zu kaum einem Thema gehen die Meinungen bei Startup-Unternehmern so weit auseinander wie beim Recruiting.

Während für die einen die höchsten High Potentials gerade gut genug sind, machen sich andere auf die Suche nach dem „ungeschliffenen Rohdiamanten“, der „an seinen Aufgaben wachsen“ soll.

Überflieger oder Underdog – welche Strategie ist die richtige?

Sich diese Frage überhaupt zu stellen, ist bereits der erste Schritt zu einem effektiven Recruiting. Viel zu viele Startups gehen nämlich absolut unsystematisch an das Thema Mitarbeitergewinnung heran und überlassen es oft dem Zufall.

Denn der größte Fehler, den ein Startup begehen kann, ist „Hiring for convenience“ – also den nächstbesten Bewerber einzustellen, der gerade verfügbar ist – nur weil man gerade schnell jemand für eine bestimmte Aufgabe braucht. Wer behauptet, Recruiting sei einfach, wird wahrscheinlich keine guten Leute einstellen. Recruiting für Startups ist sehr schwer und bedarf deshalb einer durchdachten Strategie und konsequenter Umsetzung. Die erste Frage dabei sollte sein, zu welcher Art von Unternehmen sich das Startup entwickeln soll und was die wichtigsten Erfolgsfaktoren für das Unternehmen sind.

Diese können je nach Geschäftsmodell äußerst unterschiedlich sein. Lebt das eine Startup von Innovation und technischer Brillanz, steht bei einem anderen vor allem die Umsetzung und stringentes Prozessmanagement im Vordergrund.

Ansprechen statt anschreiben

Die Recruitingstrategie sollte darauf durchgängig abgestimmt sein. Bei einem innovationsgetriebenen Geschäftsmodell gibt es meiner Meinung nach keine Alternative zu echten High Potentials. Der beste Entwickler oder Ingenieur, den man bekommen kann, ist gerade gut genug. Noch besser wäre derjenige, den man nicht bekommen kann, denn den (oder die) sollte man einstellen.

Selbstverständlich kennen gute Leute ihren Marktwert und werden auch von anderen Unternehmen intensiv umworben. Um sie zu gewinnen, ist Kreativität und Beharrungsvermögen gefragt. So berichtet der US-Serienunternehmer Chris Dixon in seinem Blog, wie er sich einmal über Wochen hinweg jeden Tag in die Cafeteria der Elite-Uni MIT in Boston gesetzt und jeden angesprochen hat, der wie ein Programmierer aussah. Letztlich konnte er auf diesem Weg drei hervorragende Programmierer gewinnen, mit denen er schon seit Jahren zusammenarbeitet.

Wobei es mit dem Ansprechen alleine vermutlich nicht getan war. Entscheidend ist, den potenziellen Mitarbeitern etwas zu bieten, was sie woanders nicht bekommen. Was das ist? Die Antwort darauf ist so vielfältig, wie es unterschiedliche Menschen gibt. Es empfiehlt sich daher, ganz direkt diese einfache Frage zu stellen: „Was sollten wir Ihnen bieten, das Sie woanders nicht bekommen?“ Startups können deutlich flexibler sein als die meisten Großunternehmen und sollten diesen Trumpf auch ausspielen.

Begeisterungsfähige Underdogs

Etwas anders sieht es aus bei der zweiten Kategorie von Startups, den „Execution-Maschinen“. Diese sollten gezielt Ausschau halten nach „Underdogs“ – also potenziellen Mitarbeitern, die vielleicht nicht die allerbesten Zeugnisse oder jahrelange Erfahrung haben, aber hungrig und motiviert sind. Sie möchten sich und der Welt etwas beweisen, und in einem Startup bekommen sie die Chance dazu. Worauf es ankommt, ist Begeisterung und Lernwille.

Solche Underdogs sind oftmals noch schwieriger ausfindig zu machen als High Potentials. Denn Underdogs findet man nicht an Elite-Unis oder bei Blue-Chip-Unternehmen. Eine erfolgversprechende Strategie kann es sein, so viele Initiativbewerbungen wie möglich zu generieren und aus der Vielzahl der Bewerbungen diejenigen auszuwählen, die auf einen „Underdog“ im positiven Sinne hinweisen.

Ob nun High Potential oder Underdog – die Suche nach den richtigen Mitarbeitern gleicht der Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen. Einen einfachen Weg gibt es für Startups im Recruiting nicht. Wer das verinnerlicht und dem Thema die entsprechende Priorität einräumt, hat damit aber bereits einen großen Wettbewerbsvorteil gegenüber vielen anderen Unternehmen erreicht.