Unternehmertum aus dem Hörsaal? Interview mit Christoph Müller zum Center for Entrepreneurial Excellence der Universität St. Gallen.

Das Interview führte Dariush Daftarian

Christoph Müller, Prof. HSG

Die St. Galler HSG steht bisweilen im Verdacht, eine abgehobene Kaderschmiede für Investmentbanken und Unternehmensberater sein. Die Ostschweizer Universität zielt jedoch auch auf die Förderung von Unternehmertum.

Seit 2009 zeigt die Uni dies an ihrem KMU-Institut mit einem neu lancierten Center for Entrepreneurial Excellence (CEE-HSG).

Worum geht es bei den Kursen?
Kern der Tätigkeit des CEE-HSG ist ja die Zusatzausbildung Entrepreneurship. Der erste Kurs, der vor rund eineinhalb Jahren begonnen hat, umfasst nach wie vor rund 50 Studierende. Immer mehr der Teilnehmenden lancieren auch eigene Projekte und beginnen zu gründen. Dabei ist in allen Veranstaltungen ein aktives Mitdenken der Studierenden spürbar.

Der zweite Kurs ist vergangenen Sommer gestartet und wurde bis anhin wie der erste Kurs durch die Alumni und Sponsoren co-finanziert. Per Ende des Herbstsemesters 2010 umfasst der zweite Kurs rund 30-35 von ursprünglich 60 Teilnehmenden – sie müssen ab dem kommenden Semester mit rund 1000 Franken einen Beitrag an die Unkosten des Kurses leisten. Wie sich das auf die Teilnehmerzahl auswirken wird, bleibt noch offen, ich bin aber zuversichtlich. Alles in allem ist, wie Sie sehen, noch einiges an Bewegung im Kurs.

Wie wird die Zusatzausbildung Entrepreneurship finanziert?
Die Teilnehmenden des zweiten Kurses tragen einen Teil des Kurses selbst. Ab dem Frühjahr 2011 wird der Zertifikatskurs an der Executive School selbsttragend sein und das offene Kursprogramm für die Studierenden wird eine Mischfinanzierung aus Sponsorenmittel, universitären Ressourcen und allenfalls Eigenbeiträgen sein.

Sehen Sie schon erste Resultate?
Sowohl aus dem Programm als auch aus den übrigen Tätigkeiten wie der Gründerbegleitung im Rahmen des Inkubators Startfeld entstehen immer mehr Gründungen. Die Frage dabei ist jedoch, wie viele dieser Gründungsprojekte auch zu veritablen Firmen werden und wie viele eine Art Trainingsfirma bleiben. Ziel ist es, einen volkswirtschaftlich relevanten Effekt zu erzeugen und die Universität St. Gallen auch als „Unternehmerschmiede“ bekannt zu machen. Projekte wie das neue Fahrrad „Schwingding“ weisen in die richtige Richtung.

Wo sehen Sie Schwierigkeiten oder Stolpersteine?
Inzwischen haben wir mit dem Abschluss der Diskussion über die Anrechnungsmodalitäten des Zusatzausbildungskurses einen der grössten Stolpersteine beseitigt. Es gab verschiedene Überlegungen, den Kurs in das normale Curriculum der Universität zu integrieren. Zusammen mit dem Rektorat und den HSG-Alumni haben wir uns inzwischen aber für ein ein unabhängiges und von den Teilnehmern selbst finanziertes Fortbestehen entschieden und mit einem neuen Zertifikatskurs an der Executive School der HSG auch ein klares Zeichen in diese Richtung gesetzt. In diesem Sinne sind wir aus meiner Sicht auf Kurs. Für die Studierenden planen wir ab März 2011 ein fortlaufendes, offenes Kursprogramm mit verschiedenen Veranstaltungsformaten zu relevanten Entrepreneurship-Themen zu etablieren.

Gibt es nicht schweizweit bereits zahlreiche Ausbildungsinitiativen, die teilweise auch vom Bund gefördert werden?
Wir haben kein Problem mit der Vielfalt und sehen sie vielmehr als Bereicherung. An der Universität St. Gallen bestand vor unseren Bemühungen kein nennenswertes Angebot. Auch das Institut für Jungunternehmen war hier nicht besonders präsent, in dem Sinne kommen wir uns nicht ins Gehege. Jeder unserer Teilnehmenden wird ermuntert auch auch das Venturelab-Programm von der Förderagentur für Innovation KTI besuchen und sich dort mit einem Businessplan bewerben. Mit den übrigen Einrichtungen bestehen Kooperationsverträge und wir tauschen aktiv Projekte aus, zum Beispiel mit dem Jungunternehmerzentrum. Im Kanton St. Gallen bestehen noch rund sieben oder acht weitere Initiativen, bei denen ich persönlich teilweise stark mitengagiert bin, beispielsweise das Startfeld.

Startfeld ist ja ein neuer, regionaler Inkubator. Wer steht dahinter?
Gegründet wurde das Startfeld als Kooperation zwischen der Universität St. Gallen, der Empa, der Fachhochschule St.Gallen und der Standortförderung der Stadt St. Gallen. Zudem sind die Kantone St. Gallen, Appenzell Innerrhoden und Ausserrhoden finanziell beteiligt. Die Idee ist, eine Plattform für Gründungsinteressierte von Hochschulen, Spinoffs oder aus privaten Kreisen zu bilden. Geboten wird persönliches Coaching durch Unternehmer, ab Frühjahr Seed-Finanzierungen über eine Stiftung und zukünftig auch eigene Räumlichkeiten. Diese müssen aber erst noch erstellt werden, der Projektwettbewerb läuft zurzeit und vermutlich können wir auch dort eine sehr innovative modulare Lösung umsetzen, ähnlich wie bestehende Projekte in Zürich-Binz. Bis dahin bestehen Mietmöglichkeiten im Technologiezentrum Bodensee der Empa.

Sie haben sich auch persönlich die Jungunternehmerförderung zum Ziel gemacht, wie sieht Ihr Zwischenfazit aus?
Es lohnt sich auf alle Fälle. Gerade der Aufbau des Startfelds war eine sehr spannende Erfahrung und wir konnten es schneller als gedacht umsetzen. Eher schwierig waren die teilweise langwierigen internen Diskussionen um die Ausgestaltung der Lehre. Für mich persönlich sehr positiv ist, dass Studierende erstaunlich viel mehr Praxis möchten. Entgegen dem verbreiteten Klischee wollen HSGler wirklich etwas Konkretes umsetzen, sich die Hände schmutzig machen und ihre Ideen und Projekte verwirklichen. Gerade diese Erkenntnis regt sicherlich auch die interne Kulturdiskussion an der Universität St. Gallen an. Wenn das CEE-HSG schrittweise das Bewusstsein der HSG mit entwickeln kann, würde mich das natürlich sehr freuen.