Vor gut einem Jahr drehte die US TV-Produktionsfirma «Mojo» eine Dokumentation namens «Startup Junkies». Darin kam ein innovatives Unternehmen vor, dessen Technologie man jetzt auch in der Schweiz benutzen kann – bei der Schweizer Post.

Szene aus Startup-Junkies, MojoVornehmste Aufgabe jedes Startups ist es, ein Problem des Kunden zu lösen. Die tollste Technologie nützt nichts, wenn man damit niemandem helfen kann.

Ich gestehe freimütig: Ich habe ein solches Problem, und das seit Jahren: Ich hasse jede Art von Korrespondenz auf Papier. Sie stapelt sich bei mir zuhaus, und ich kann mich nur aufraffen, sie anzugehen, wenn Anzeichen erkennbar sind, dass es wirklich andernfalls bös enden wird. Früher dachte ich, das sei eine generelle Charakterschwäche, und ich sei einfach nicht in der Lage, meine Dokumente in Ordnung zu halten. Heute weiss ich: E-Mail und Dateiablage kann ich ganz gut. Bei Papierpost dagegen wird es wohl nie was. Alles zu scannen wäre ein möglicher Ansatz, aber natürlich ein völlig unrealistischer. Was soll ich Rechnungen scannen, die ich nur einmal brauche? Und so sitze ich immer mal wieder nachts zuhaus und suche nach Einzahlungsscheinen, oder nach einer Rechnung, oder nach einem Dokument für die Steuererklärung, oder oder oder.

Daher war ich aus zwei Gründen aufgeregt, als ich letztes Jahr im März von der Serie «Startup Junkies» hörte und sie auf iTunes kaufte. Erstens, weil gute, professionell gemachte Startup-Dokus ohnehin selten sind. (Die Serie «Start Up» des Schweizer Fernsehens im Format eines Investoren-Pitches war OK, aber nicht eben mitreissend; von Kinderkram wie «Traumjob» mit Marquard und «Big Boss» mit Calmund breiten wir lieber den Mantel des Schweigens.) Und in Startup Junkies gibt es einige Szenen, die jedem Gründer sehr bekannt vorkommen, auch wenn er nicht hauptsächlich nach Funding-Millionen jagt. Zweitens finde ich die Dienstleistung von «Earth Class Mail» toll. Ich habe schon sicher zehnmal deren Website angeschaut, um zu schauen, ob man mit dem Service auch in Europa irgendwas anfangen kann.

Wegen dieser privaten Neigung hatte ich schon 2007 sofort mitgemacht, als die Schweizer Post «Postbutler» anbot (und auch zumindest über den Beginn des Tests gebloggt). Zum zweiten Blogpost kam es nie, denn die Dienstleistung war so erbärmlich, so handgestrickt, so unprofessionell, dass ich sie sofort wieder aus meinem Gedächtnis strich. (Was mir auch fast gelungen ist. Ein Beispiel ist hängen geblieben: Um mir die Briefe nachzuschicken, hatten sie die Rechnung – auf der ja meine Adresse stand – fotokopiert, den Text durchgestrichen, und sie mit diesem Blatt in ein Fensterkuvert gesteckt.)

Nun war ich sehr erfreut, als ich in der Tagespresse von der neuen Dienstleistung «Swiss Post Box» las. Auf der Website fühlte ich mich auf der Seite «Produktbeschrieb» sehr an den Prozess von Earth Class Mail erinnert: Man bekommt zuerst einen Scan des Briefs angezeigt und entscheidet daraufhin, ob er geöffnet und gescannt werden soll. (Sorry, Cablecom…) Und unter «Partnerschaften» steht tatsächlich: Das ist genau die Software von Earth Class Mail, die die Schweizer Post lizenziert hat. Hätte ich es mir vor zwei Jahren aussuchen können, ich hätte mir genau das gewünscht.

Swiss Post Box ist also auch eine Art Startup, wenn auch mit einer grossen Mutter und einer erprobten Technologie. Sie twittern auch (twitter.com/swisspostbox) und hatten in den letzten Tagen ein sensationelles Presse-Echo. (Wer es als Schweizer zu heise.de schafft, ist gut im Rennen.)

Habe mich also heute gleich angemeldet und bin gespannt. Die Adresse «Paradeplatz 1» für 150.- pro Monat habe ich mir komischerweise nicht geleistet. Ich hatte einige Probleme bei der Registrierung; das System wollte meine Amex-Karte nicht und nannte den Fehler «bad gateway» statt «Wir nehmen nur MasterCard und Visa», und von einer anderen Karte behauptete es fälschlich, sie sei abgelaufen. Aber der Support war sehr gut und hat’s geflickt.

Nun warte ich auf mein Willkommenspaket. Bin gespannt, wie gut das klappt. Testbericht folgt gelegentlich und wird hier verlinkt.

To Do für Euch solange: Startup Junkies schauen, z.B. (kostenpflichtig) auf iTunes. Auch wenn vom Team aus der TV-Doku im Vergleich zum aktuellen Team niemand mehr im Management zu sein scheint (aber Ron ist President of the Board).