Gäbe es eine Alternative zu Steuergeld-Rettungsringen für abgestürzte Banken, Autohersteller, Versicherer? Wie wärs mit staatlichen Gründer-Milliarden?

Tesla statt Chrysler! Warum nicht?

Ich freu mich immer, wenn jemand mit einem Namen etwas von sich gibt, was ich (sozusagen) am Stammtisch schon x-fach gesagt habe. In diesem Fall ist es Mark Anderson, Hightech-Guru und Herausgeber des Strategic News Service SNS. Er plädiert dafür, die amerikanische Autoindustrie in Detroit dem Untergang zu überlassen, dem sie sowieso geweiht ist. Stattdessen soll der Staat dort investieren, wo die Zukunft liegt und man der asiatischen Konkurrenz das Wasser reichen könne:

„Es ist Zeit, Klartext zu reden. Die Regierung muss Tesla [dem Hersteller zukunftsträchtiger, eleganter Elektroautos mit Sexappeal] das Geld geben, das die Firma gefordert hat, und, wenn überhaupt irgendwas, verlangen, dass Tesla schneller skaliert – und dafür mehr Geld bereitstellen. Wir brauchen nicht tausend Tesla Personenwagen in zwei Jahren, wir brauchen eine Million in einem Jahr. Das ist vielleicht schwierig, aber nicht unmöglich.“

Mark Anderson

In der gegenwärtigen Krise ist das wahrscheinlich eine Option, die sich für die USA so nebenbei verwirklichen liesse – die Kosten sind ohnehin dermassen gigantisch, dass zwei, drei sehr konzentrierte Turbostart-Experimente gar nicht mehr auffielen. Oder aber die Steuerzahler – die den Auto-Bailouts laut aktuellen Umfragen sehr kritisch gegenüberstehen – würden die Initiative sogar begrüssen; sie empfinden die Haltung der Detroiter Konzerne ohnehin, gemäss New Yorker, wie: „Ihr habt Jahrzehntelang unseren Mist nicht kaufen wollen, und jetzt bezahlt ihr ihn halt auf dem Steuerweg.“

Einen ähnlichen Fall mit etwas anderem Hintergrund hatten wir in der Schweiz sogar in besseren Zeiten – die Swissair. Hier hat der Staat schon ein – zugegebenermassen halbstaatliches – Unternehmen vor dem selbstverschuldeten Tod mit Steuermilliarden gerettet, nur damit es wenig später dann doch verscherbelt werden musste. Und auch wenn es damals aus Prestige und Nationalstolz und weiss ich was für ehrenwerten (und wenig rationalen) Gründen nicht möglich gewesen wäre, die Swiss untergehen zu lassen:

Machen wir doch mal das Gedankenspiel, was passiert wäre, wenn die Schweiz auf „ihre“ Airline verzichtet und die Steuermilliarden den Betroffenen in gleichen Beträgen als Abgangsentschädigung verteilt hätte – meinetwegen mit Auflagen für alle, damit allein oder gemeinsam etwas gründen zu müssen. Wahrscheinlich wären gleich ein halbes Dutzend „Baby-Swissairs“ entstanden, von denen eine oder zwei überlebt hätten, und daneben hätte sich eine Vielfalt anderer neuer Unternehmen bilden können, alle genährt aus einem grossen Pool an Industrie-Insidern und direkter Finanzierung.

Oder, spielen wir den Gedanken nochmals weiter, das Fünzigfache des Swissair-Betrags, das jetzt in eine Bank fliessen soll, die nicht nur faktisch bankrott ist, sondern angesichts des Drucks der USA gegen das Schweizer Bankgeheimnis auch eine mehr als ungewisse Zukunft hat: Wenn man sie in Würde und ganz den Gesetzen des Marktes entsprechend sterben liesse, nur gerade die versicherten Einlagen garantierte und Mitarbeiter und „Zulieferindustrie“ mit zinsfreien Darlehen, Entschädigungen oder andern Zahlungen dazu bringen würde, auf der grünen Wiese neu anzufangen. Was würde dann passieren?

Natürlich sind das Träumereien. Selbst wenn die vernetzte Schweizer Wirtschaft (und wir denken ja bei den Hilfsgeldern wie alle andern streng nationalistisch) den Untergang der Bank verkraften könnte – das Kompromisssystem der hiesigen Politik ist nicht im Stande, risikohafte Grossprojekte wie einen landesweiten wirtschaftlichen Neustart durchzuziehen.

Dabei wäre die Schweiz aufgrund ihrer Grösse geradezu prädestiniert, zu einem Startplatz à la Silicon Valley zu werden, mit allen Voraussetzungen von hohem Bildungsstand, wertvollem Forschungsplatz, internationaler und extrem dichter lokaler Vernetzung bis zur hohen Lebensqualität. Ein „Druck auf den Reset-Knopf“ – Szenario ist zumindest eine spannende Utopie.

Im grössten zusammenhängenden Binnenmarkt der Welt USA hingegen, wo die Folgen des Untergangs von Konzernen „lokale“ Auswirkungen von einer Küste zur andern hätten, sind die Bedingungen wohl schlechter. Aber das politische System mit einem Präsidenten, der gewissermassen mit wirtschaftlichem Notrecht agieren kann, und die amerikanische Eigenschaft, das Steuer zuweilen radikaler herumzureissen als irgendeine andere Gesellschaft das je getan hat, lässt es paradoxerweise weniger utopisch erscheinen.

Mark Anderson: Lang lebe die US-Autoindustrie. Sie ist tot.