Was lernen eigentlich Jungunternehmer auf gesponserten Reisen – wie die venture-leaders? Ziemlich viel, sagt Doodle-Gründer Paul Sevinç. Unter anderm auch über das heimische Netzwerk.

Paul Sevinç, Mitgründer von DoodleDas Venturelab schickt 2009 im Juni 20 Gewinner des Wettbewerbs „venture leaders“ nach Boston ins Gründer-Zentrum der US-Ostküste zum Netzwerken – die Gewinner stehen seit zwei Tagen fest (Liste siehe unten).

Weil „Netzwerken“ und alle artverwandten PR-Begriffe eigentlich auch einfach Urlaub mit netten Bekanntschaften sein könnten (nicht, dass man sich das von einer staatlichen Förderinitiative oder von chronischer Arbeitswut befallenen Startup-Gründern auch nur vorstellen könnte), habe ich Paul Sevinç von Doodle gebeten, seine Erfahrungen zu schildern.

Paul war 2008 mit den andern „venture leaders“ in Boston, und ich wollte mal über das Programm der Reise hinaus wissen, was denn klare Gewinne einer zehntägigen Trennung von Team und Firma seien.

„Am meisten haben mir persönlich die konkreten Fallstudien in den Kursen am Babson College gebracht“, sagt Paul. Weil es sich eben um konkrete Fälle, Entscheidungen mit Auswirkungen und verfolgbaren Resultaten handle, „anspruchsvolle, lehrreiche Beispiele von realen Startups und ihren Entwicklungen.“ Die Fragestellung sei dabei vollkommen von jeglicher Lokalität losgelöst, die Schlussfolgerungen auf jedes Land und jede Startup-Situation übertragbar.

Das Networking mit lokalen Startups und VC sei ebenfalls aufschlussreich gewesen, sagt Paul, vor allem habe er eine eindeutige Vorstellung davon gekriegt, zu welchem Zeitpunkt und wie man als europäisches Jungunternehmen einen Fuss in den amerikanischen Markt setzen solle.

„Immer wieder wurde uns gesat, dass man nicht zu früh und aus einer eindeutigen Position der Stärke heraus den Sprung wagen solle.“ Mit Sprung ist dabei die Eröffnung eines Office in den USA gemeint. Ein Abenteuer, mit dem man sich „nicht nur finanziell übernehmen kann“: Man begibt sich nämlich zugleich in einen fremden Rechtsraum, unterliegt plötzlich unbekannten Gesetzen und wird so angreifbar – zum Beispiel auch von einer Konkurrenz, die durch Publicity auf einen aufmerksam wurde und Gegenmassnahmen ergreift. „Es geht nicht darum, Angst vor dem Schritt zu haben“, sagt Paul, „aber für mich war nach der Reise klar, dass wir unsere Strategie fortsetzen und zuerst in Europa weiter wachsen wollen.“ In den USA pflegt Doodle Kontakte mit Partnern und betreibe eine professionelle Kommunikation, aber für eine Niederlassung sei es zu früh. „Wenn wir in die USA gehen, werden wir das mit professioneller Beratung tun.“

Die dritte wesentliche Erkenntnis des Zürcher Unternehmers: Wie wichtig und nützlich enge Kontakte zu den eigenen Startup-Gründern in der Schweiz sind – und wie eng sie durch ein Gruppenerlebnis wie eine solche Reise erst werden können. „Natürlich kannte man sich schon vorher, aber die Kontakte sind nie so intensiv, wie wenn man zehn Tage zusammen verbracht hat. Plötzlich öffnen sich alle, tauschen vorher behütete erfahrungen aus und leiten sich gegenseitig hilfreiche Kontakte weiter.“

Die Aus 100 Kandidaturen und 40 persönlich vor einer Jury präsentierten Jungunternehmen, die nach Boston reisen werden, sind im Jahr 2009:

  • Sven Rizzotti, Riehen (Universität Basel) Syndicate
    Personalisierung besuchter Websites ohne spezielle Software
  • Christian Hirsig, Bern (Fachhochschule Bern) Atizo Open Innovation GmbH – Offene Innovationsplattform, die Unternehmen den Zugang zu neuen Ideen und Innovatoren eröffnet
  • Philipp Antoni, Zürich (Universität Zürich) Biognosys AG – Plattform für die Bestimmung des Proteingehalts in Gewebe oder Blut
  • Dania Gerhardt, Zürich, Amazee AG – Plattformfür die Zusammenarbeit von Gruppen und Individuen in globalen Projekten
  • Samuel Halim, Zürich (ETH Zürich) Nanograde GmbH –Produktion von spezifischen Nanopartikeln
  • Zoltan Nagy, Zürich (ETH Zürich) FemtoTools GmbH – Hochklassige Messinstrumente für Anwendungen in der Mikro- und Nanotechnologie
  • Pascal von Rickenbach, Baar, (ETH Zürich) Streamforge – Innovative Lösung für die Verbreitung von Audio- und Video-Content im Web
  • Matthias Sala, Zürich (ETH Zürich) Gbanga – Handy-Spiel für mehrere Personen im Grenzbereich zwischen realer und virtueller Welt
  • Mario Vögeli, Zürich, (Uni Zürich) Arktis Radiation Detectors Ltd. – Technologie zur Aufdeckung von Radioaktivität und Sprengstoff in Transportcontainern
  • Juergen Weder, Zürich, NeuroPie Solutions AG – Echtzeit-Steuerung von organisationsübergreifenden Systemen und Prozessen etwa in Flughäfen, grossen Seehäfen oder Krankenhäusern
  • Friedrich Hahn, St. Gallen, MedDrop Technology AG – (Lokale Schmerztherapie durch die Haut mit einem auf Sauerstoff aufbauenden System
  • Bertrand Arnaud, Lausanne (Hotelfachschule Lausanne) Housetrip – Website für Vermietungen und Liegenschaftsverkäufe in einer Versteigerung
  • Raphaël Briner, Genf, HyperWeek – Soziales Netzwerk im Web
  • Virginie Clément, Genf (Universität Genf) Stemergie – Nicht-toxische Technologie für die Verbreitung, Identifizierung und Reinigung von Trägerzellen in Krebsgeschwüren
  • Gilles Florey, Martigny (Fachhochschule VS) Key Lemon – Computerzugang über Gesichts- und Stimmerkennung
  • Michael Friedrich, Lausanne (EPF Lausanne) Aïmago SA – Instrumente für die nicht-invasive, kontaktfreie Diagnose über die Visualisierung der Blutzirkulation im Mikrobereich
  • Stephane Gamard, Genf, SALSAdev – Herstellung und Katalogisierung von Dokumenten mit Hilfe einer „DNA“
  • Franz Hoffman, Lausanne, FONTSELF – elektronische Herstellung von individuellen Handschriften
  • Evgeny Milyutin, Lausanne (EPF Lausanne) Piezosens – Hochleistungssensoren für bio-mediznische Anwendungen
  • Alexandre Wayenberg (EPF Lausanne) AgoraBee S.A – Wireless-Plattform mit minimalem Energieverbrauch