Eine der schöneren Erfahrungen beim Gründen ist für mich, dass man sich im stillen Kämmerlein einen Firmennamen ausdenkt, der dann wirklich benutzt wird – wenn es gut läuft, von Zigtausenden von Menschen.

Cover: «Wie werde ich Unternehmer?»Viele der Vor- und Nachteile, der schönen und weniger schönen Seiten des Startup-Lebens stehen in jedem Gründer-Ratgeber. (Beispiel: Das Taschenbuch „Wie werde ich Unternehmer? und die knallharte Antwort für 12 Mark“ (Affiliate-Link), habe ich 1996 geschenkt bekommen.) Mehr Selbstbestimmung, aber dafür muss man alles selbst machen; Chance auf höheres Einkommen, aber dafür erstmal lange geringeres Einkommen, und so weiter. Ich möchte in einer losen Serie ein paar Aspekte des Unternehmerlebens vertiefen, die nicht in jedem Ratgeber stehen. Beginnen wir mit dem Firmennamen.

Man gewöhnt sich schnell an den Namen seiner Firma. Man sagt ihn am Telefon, bei Vorstellungsrunden, man tippt ihn unter Mails und in unzählige Webformulare.

Aber vermutlich kann sich jeder Gründer noch erinnern, wie es war, als er sich den Namen ausgedacht hat. Als er sich noch sperrig und ungewohnt anhörte und man sich fast erschreckte, wenn ihn jemand anders sagte.

Natürlich, sich Namen auszudenken, ist kein Privileg von Startups, wenn wir an Produktnamen denken. Als Angestellter habe ich mir 1998 den eigentlich recht naheliegenden Namen „alma“ für das damals neue Alumni Magazin der Uni St. Gallen ausgedacht, der sehr gut angekommen ist; das Magazin ist seitdem vierzig mal erschienen. Man muss es nicht mal selbst machen: Autonamen werden von hochbezahlten Branding-Agenturen erdacht (für die man als Gründer natürlich kein Geld hat), damit sie möglichst global funktionieren.

Oft ist das Vertrauen in den noch ungewohnten Namen nicht sehr gross: Jemand von Mobility CarSharing hat mir mal erzählt, dass sie nach der Fusion der beiden Vorgänger-Organisationen 1997 einen neuen Namen brauchten und sich für „Mobility“ entschieden, aber nicht glaubten, dass Schweizer das wirklich sagen würden. Also zeigten die ersten Werbungen des neuen Anbieters gross den Schriftzug „Auto auf Abruf“ und den neuen Firmennamen „Mobility“ nur klein in der Fusszeile. Mobility ist heute im Carsharing-Paradies Schweiz eine sehr bekannte Marke.

Trotzdem bleibt das spannendste der Name der eigenen Firma. Ich habe zwei Firmen gegründet, die einem etwas breiteren Kreis von Menschen bekannt geworden sind: Die „Zeix AG“ im Jahr 2000 und die „Blogwerk AG“ im Jahr 2006.

Der Name „Zeix“ entstand völlig klischeehaft in einer Kneipe – der Central Bar beim Kanzlei-Areal, nur einen Steinwurf von unserem späteren Büro entfernt – auf einem Bierdeckel. Zeix wollte vor allem Booklets mit Anleitungen für Internet-Anwendungen herausgeben (was wir auch heute noch machen, als Dienstleistung für Firmen). Wir brauchten eine Domain, die mindestens für .ch, .de und .at verfügbar war. Wir spielten mit Varianten von „surfen“, „klicken“, „zeigen“ und anderen Verben im Imperativ, und weil „klicks“ und „zeigs“ nicht frei waren, kamen wir auf „zeix“ – ein Kind der Zeit, in der x-Endungen en vogue waren. Als „B2B-Marke“ hat der Name heute in der Schweizer Internetbranche eine gute Bekanntheit, wobei es überhaupt nicht stört, dass auch langjährige Kunden teilweise nicht wissen, dass Zeix für „zeig’s!“ stehen soll. Google-Suche führt heute immerhin zu 22’000 Google-Treffern, wobei sich rund 80% auf unsere Firma beziehen dürften.

Der Prozess ist vergleichbar mit Eltern, die ihrem Kind willkürlichen einen Namen geben, und hinterher heisst es wirklich so – nur dass Kindernamen vorgegeben sind, so dass es dort nur um eine Auswahl aus einem bestehenden Namenspool geht. Bei Firmen dagegen muss man selbst kreativ werden.

Für Blogwerk suchte ich nach einem halbwegs sprechenden Namen, kein Phantasie-2.0-Zeug mit „wee“ und „doo“. Was es schwieriger macht, denn man muss freie Domains finden (oder eine kaufen, wofür man natürlich überhaupt nichts ausgeben will). Ich hatte damals eine Tabelle mit zwei Spalten gemacht und links alles eingetragen, was mit „bloggen“ zu tun hat, und rechts Varianten von „Firma, die sowas macht“.

Feierlich besiegelt wurde der Name dann in einem dreitägigen Branding-Workshop GoogleTalk-Chat zwischen mir und Andreas Göldi am 12. April 2007:

12:51 PM me:  Ich suche seit einer Woche nach einem Firmennamen.
12:52 PM Habe diverse Gebote abgegeben.
  Gerade ist blogwerk.com zurückgekommen.
  $250
 Andreas: Nicht so schlecht.
 me: Finde ich auch.
12:53 PM Hab eine Tabelle mit zwei Spalten und fünfzehn Zeilen und fast alle Kombinationen durch.
  Bin etwas müde weiterzusuchen.
  Ist ja nur der Firmenname.
  Aber zu uncool sollte er nicht sein.
 Andreas: Dann nimm mal Blogwerk. Klingt gut, und zeigt gleich was man macht.
 me: Eben.
12:54 PM Hatte noch Kombis mit „Feed-„, aber das kennt wieder keine Sau.
 Andreas: Ja. Versteht keiner.
 

Ziemlich genau drei Jahre später hat «Blogwerk» 88.000 Google-Treffer. Und das, obwohl das eigentlich gar nicht die Marke ist, die wir bekannt machen wollen; das sind nämlich vielmehr unsere Blogtitel wie neuerdings.com oder netzwertig.com (deswegen die Aussage «ist ja nur der Firmenname», die trotzdem ziemlicher Blödsinn ist, finde ich heute).

Natürlich ist diese Geschichte für die Google-Gründer mit 2.7 Millarden (!) Treffern noch um einiges spektakulärer (auch dort weiss kaum jemand, dass Google von Googol kommt, was nicht das geringste ausmacht), aber ich bin auch mit 88.000 schon ganz happy.