Das Genfer Startup Shopalive hat ambitionierte Pläne, raffinierte Technologie und steht kurz vor dem Launch.

Shopalive will den E-Commerce umkrempeln

„Streeview für drinnen“ oder „E-Commerce und Location zusammenführen“, so liesse sich das Programm von Shopalive am einfachsten zusammenfassen. Was das Genfer Startup für die Zukunft des Onlineshopping verspricht, klingt sehr ergeizig.

Im Januar 2009 gegründet, ist Shopalive bereits seit etwa drei Jahren in Entwicklung. Die Gründer sind Jean-Charles „JC“ Tramasure, Sabine Chmetz und Pascal Pochet. Alle drei sind offenbar bereits langjährig unternehmerisch tätig und bringen Erfahrung in verschiedenen, E-Commerce-relevaten Bereichen mit. Rund 40’000 Arbeitsstunden stecken laut „Chefarchitekt“ JC in dem Startup, das ein ungewöhnlich grosses Team beschäftigt: Über dreissig Entwickler arbeiten an der Plattform.

Die Idee der Gründer startete damit, ein Streetview-ähnliches Einkaufserlebnis für Ladengeschäfte möglich zu machen. Für Inhaber kleiner und mittlerer Shops sollte eine erschwingliche Plattform entwickelt werden, die virtuelle Rundgänge in Geschäften möglich macht; Ziel war ein quasi nahtloser Übergang von Googles Stadtansichten in die Geschäfte hinein. Damit sollte der Streetview-Tourist zum potentiellen Einkäufer werden, da er die Geschäfte nicht nur von aussen, sondern auch gleich noch von innen sehen kann. Dazu muss der Shop erst virtualisiert werden – mit einer Panoramakamera wird das jeweilige Geschäft abgelichtet und die Bilder anschliessend ins System gespeist. In seinem Browser kann der Kunde dann wie von Streetview gewohnt sich umschauen, drehen, zoomen, und den Standort wechseln. Der Clou: An der virtuellen Ansicht hängt auch ein Backend mit einem vollständigen E-Commerce-System mit Inventarverwaltung, Check-Out und Bezahllösung. Im Shopsystem ist normales Browsing und Suchen wie auf Amazon nach wie vor möglich, aber es gibt auch die Möglichkeit eines fliessenden Übergangs zwischen dem virtuellen Rundgang und den Artikeln. In die Panoramaansicht können Hotspots integriert werden, die auf einen Klick hin einzelne Produkte oder Kategorien aufrufen.

Shopalive soll ein Toolkit bieten, das von Shops für eine Gebühr lizensiert werden kann, und eine Rundumlösung für alle Onlineshopping-Funktionen bietet. Neben den virtuellen Rundgängen sind auch Logistik, CRM und Social-Media-Schnittstellen angedacht. Wenn man JC erzählen hört, zeigt sich schnell wie hochambitioniert man bei Shopalive zugange ist. Alles aus einer Hand, sämtliche denkbare Shop-Infrastruktur und ein Baukasten für die Ladengestaltung will Shopalive bieten. Auch rein virtuelle, also nicht per Panoramakamera abgelichtete Shops sind möglich. Rein im Computer entworfene Boutiquen wie in etwa Second Life können mit 3D-Objekten bestückt werden, die sich beispielsweise mit Googles SketchUp modellieren lassen.

Neben diesen virtuellen Shoppingumgebungen für den heimischen Rechner ist die Unterstützung für mobile Plattformen auch Teil des Pakets. Dabei rührt Shopalive mit grosser Kelle an und verspricht eine umfassende Integration der Apps mit Location Based Services wie Google Places und Facebook Places. Ausserdem geplant ist die Möglichkeit, geobasierte Rabattaktionen zu lancieren und so Shopalive-Nutzer in der Umgebung eines Geschäfts marketingmässig über Angebote zu benachrichtigen.

Den internationalen Auftritt haben die Gründer vorerst noch zurückgestellt. Bereits etwas zu sehen gibt es aber auf der Schweizer Plattform Swissalive. Zumindest die Panoramaansichten der Geschäfte sind bereits implementiert. Bis Anfang 2011 sollen die ersten Inventare in den Geschäften verfügbar sein, für diese Zeit planen die Gründer auch den offiziellen Launch.

Wenn die ersten Shops funktionstüchtig sind, dürfte sich zeigen, wie intuitiv der virtuelle Einkaufsbummel wirklich ist – und ob das Klicken auf Regale und Warenauslagen die Einkaufserfahrung tatsächlich bereichert oder sich als blosse Spielerei herausstellt. Trotz aller zusätzlichen Features wird der Erfolg von Shopalive davon abhängen, wie gut das Shopping nach dem Panoramaprinzip von den Onlineshoppern angenommen werden wird. Dass Shopalive alle für das Einkaufen in Zukunft wichtig werdenden Konzepte konsequent einbaut, zeigt zwar, dass die Gründer die Plattform breit aufstellen möchte und eine Menge guter Ideen mitbringen, die USP des virtuellen Einkaufens wird aber für Shopalive sicher trotzdem spielentscheidend sein.

Shopalive hat sich erstmals an der Lift-Conference 2010 der Öffentlichkeit präsentiert, seither war das Startup auch schon auf der Techcrunch Disrupt im September zu Gast. Bei dieser Gelegenheit hat  Techblogger Robert Scoble ein sehenswertes Video-Interview mit JC gemacht.

Im Interview kommt auch die interessante Frage zur Sprache, wie teuer eine solche Shoplösung für ein durchschnittliches Geschäft sein wird. Die Antwort klingt nach einem auch für kleinere Shops machbaren Preisniveau: rund 100 Franken pro Monat sind angedacht, hinzu kommen die Kosten für die Einrichtung des Systems.
Das passt zur Ausrichtung auf kleine und mittlere Ladengeschäfte, die laut JC für Shopalive im Vordergrund steht. So sei das Ziel klar der Long Tail unter den Geschäften, für die sich die eigene Entwicklung eines raffinierten Internetauftritt sonst kaum lohnen würde.

Shopalive ist bis dato komplett eigenfinanziert. Noch dieses Jahr wollen die Gründer aber eine Finanzierungsrunde mit Hilfe der Crowdfunding-Plattform investiere.ch beginnen. Auch hier betritt das Startup Neuland: Das Kapital soll mithilfe einer Wandelanleihe beschafft werden.