In Europas Startup-Hauptstadt Berlin machen zurzeit vor allem die Gründerinnen von sich reden – mit erfolgreichen Startups, neuen Ideen und charmanten Initiativen wie etwa Geekettes. Frauen erobern die Startup-Szene in Berlin und wollen nicht länger den Männer die Gestaltung der Zukunft überlassen. Doch wie steht es um Frauen in Schweizer Startups?
Frauen sind in der Startup-Szene noch immer eine Ausnahme. Die Gestaltung des Internets und die Gründung von Tech-Unternehmen sind von Männern dominiert. Bei Konferenzen, Startup-Treffen und Workshops fallen die wenigen Frauen auf, einige Startups stellen absichtlich keine Frauen ein, weil sie die Programmierer von der Arbeit ablenken würden. Dazu kommt das Klischee, Frauen hätten keine Ahnung, wenn es um Technologie geht. All diese Klischees werden in der Berliner Startup-Szene nun gerade gewaltig über den Haufen geworfen: In den Medien werden zurzeit vor allem erfolgreiche Gründerinnen porträtiert, zahlreiche Startups heuern Frauen an und neue Initiativen wollen mehr Frauen zur Gründung ihres eigenen Unternehmens ermutigen.
Gründerinnen machen bei Geekettes mobil
Eine dieser Gruppe junger Startup-Gründerinnen nennt sich Geekettes. Founderin Jessica Erickson hat mittlerweile über 500 Frauen aus Startups für diese Gemeinschaft gewonnen. Der Name kommt von Geeks, Computerfreaks, also Geekettes. Ihre Mission: Sie will angehende und etablierte Tech-Innovatoren begeistern und sie für die Entwicklung, das Design und die Führung von Web-Startups oder auch allgemein Jungunternehmen gewinnen. Dazu führen sie Mentorship-Programme durch, organisieren Workshops und Netzwerk-Events in Berlin, aber auch in New York, London oder Maastricht.
Um dieses Vorhaben zu unterstreichen, organisieren die Geekettes am 6. Juni 2014 einen Demo Day in Berlin. Die Gruppe nennt den Screening Prozess wohl absichtlich Demo-Day. Sie wollen Frauen ermutigen, ihr könne zu demonstrieren, aber auch ein Zeichen in der Männerdomäne setzen. Mit der Veranstaltung sollen weiblich-geführte Startups bei ihrem Pitch-Training unterstützt und gegebenenfalls finanziert werden. Zehn Startup-Gründerinnen werden nach einem Screening-Prozess ausgewählt und erhalten die Chance, vor Venture Capitalists und Investoren zu pitchen. Dabei können sich auch Gründerinnen aus der Schweiz melden – Bewerbungen können bis zum 3. April 2014 eingereicht werden.
Diese Bewegung in Berlin ist löblich. Es geht immerhin um die Gestaltung unserer Zukunft – und diese sollte von Frauen und Männern gestaltet werden. Doch wie ist die Situation für Frauen bei Startups – insbesondere im Tech-Bereich – in der Schweiz? Schliesslich bewegt sich die Schweiz mit nur 20 Prozent weiblichen Gründerinnen europaweit in den mittleren Rängen. In Deutschland gründen mit 40 Prozent doppelt so viele Frauen ihr eigenes Unternehmen. Zwar ist die Zahl in den vergangenen Jahren gestiegen. Doch besonders bei Web-Startups sind in der Schweiz wie auch in anderen Ländern wenig Frauen beteiligt.
Veraltete Rollenbilder hemmen bei der Unternehmensgründung
Stella Viktoria Schieffer, Gründerin von BringBee und Präsidentin des Shareconomy-Verein Sharecon in der Schweiz hat an der ETH und am MIT studiert und sagt von sich: „Mehr Techie geht eigentlich gar nicht“. Als Frau hat sie positive Erfahrungen bei der Gründung ihres Startups gemacht. „Man findet etwas mehr Beachtung, weil eben weniger Frauen als Unternehmerinnen unterwegs sind“. Das zeige aber nur, dass etwas falsch ist am Bild und der Rolle der Frau in der Schweiz oder in Europa, meint Schieffer. Dass in der Schweiz noch immer relativ wenige Frauen ihr eigenes Unternehmen gründen habe nach wie vor mit der kulturellen Prägung der Frau als „Hausfrau“ zu tun, meint sie.
Aber auch mit der Familienplanung: „Frauen wollen erst ab 30 oder spätestens 35 Jahren Kinder bekommen und befinden sich ständig in diesem Spagat“. Zudem sagt Schieffer, dass Frauen weniger risikofreudig seien und auf andere Werte bauen. „Das verträgt sich nicht mit dem Unternehmertum“. Ein weiterer Aspekt sieht Schieffer darin, dass es in der Schweiz relativ bequem sei, einen gut bezahlten Job anzunehmen. Gleichzeitig seien die Lebenskosten so hoch, dass ein Startup ohne schnellen Erfolg schwierig zu finanzieren sei. „Viele Frauen, wie aber auch Männer fragen sich dann: Warum soll man sich also diese Tortur antun?“.
Antje Kunze ist CEO des ETH-Spin-offs SmartBetterCities, weches schlaue Software für Stadtplaner entwickelt. Im Sommer 2013 haben Sie einen 3D-Setzkasten für die Entwicklung im Städtebau lanciert. Bei der Gründung ihres Startups habe sie als Frau keinen Unterschied festgestellt: „Es ging nur um meine fachliche Qualifikation und mein berufliches Netzwerk“. Dass in der Schweiz wenig Frauen – besonders aus dem Tech-Bereich -ihr eigenes Unternehmen gründen, bedauert Kunze: „Wir haben hier eine hervorragende Ausgangssituation für die Unternehmensgründung sowie ein internationales Netzwerk.“ Sie sagt aber auch, dass aus ihrer persönlichen Erfahrung die Gründung eines Startups mit einer eigenen Familie eine grosse Herausforderung sei. „Das betrifft aber Frauen und Männer gleichermassen“, unterstreicht sie. Sie hoffe, dass sie für ihr Team ein gutes Vorbild sein könne.
Eine spezielle Initiative für Frauen braucht es laut Kunze nicht. Die vorhandenen Förderinitiativen, die sich allgemein und geschlechtsunabhängig für Startups einsetzen, seien gut und vielfältig. „Es braucht eher ein Umdenken im privaten und beruflichen Umfeld, wie die Wahl von technischen Berufen bei Schülerinnen wie auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.“ Damit bringt Sie auf den Punkt, wo künftig ein Umdenken stattfinden muss. Initiativen wie von Geekettes sind jedoch gut, weil sie den Unternehmergeist unter Frauen anstossen und vor allem Gleichgesinnte zusammenbringen.