Ein Spinoff der ETH Lausanne setzt dem Trend immer dünnerer Bildschirme und Multitouch eine neue Idee entgegen – Papier als Display.
Tablet-Computer und Smartphones sind auf dem Vormarsch. Neben dem Aspekt der Mobilität ist es die Augmented Reality, die als Treiber dieser Technologien wirkt. Einen faszinierenden neuen Take auf dieses Thema hat Simply Paper, ein EPFL-Spinoff in Gründung. Das „Augmented Paper“ soll einen neuen Zugang zu digitaler Information bieten, indem es den Benutzer mit etwas vertrautem interagieren lässt – Papier – und gleichzeitig die Vorteile interaktiver Informationsverarbeitung bietet.
Simply Paper ist ein Projektions- und Kamerasystem, das von oben Information auf Papier projiziert und gleichzeitig anhand der Kamera auf Inputs reagiert. Es wird stationär aufgebaut und funktioniert mit dafür designtem Printmaterial. Ein Anwendungsbeispiel wäre eine interaktive Broschüre in einer Bankfiliale. Wenn ein Seite unter dem System aufgeschlagen wird, die mit einem Marker im Stil eines QR-Codes gekenntzeichnet ist, wird auf eine dafür vorgesehene, weisse Fläche im Booklet eine Zinsgrafik projiziert. Diese kann der Kunde anpassen mit den Angaben, die er im Booklet ankreuzt. Das Kamerasystem erkennt Lage der Broschüre und darin markierte Parameter und passt die Graphik entsprechend an, auch wenn diese geändert werden.
Die kommerzielle Anwendung sieht das Team aus Guillaume Zufferey, Patrick Jermann und Pierre Dillenbourg in Marketing und Produktpräsentation, wo Interaktivität ohne Nutzungbarriere gefragt sei. „Papier kennen wir alle und seine Manipulation kommt uns selbstverständlicher vor als jedes Multitouchinterface,“ meint Guillaume zur Idee des Produkts. Eine möglichst haptische und vertraute Bedienung biete im Marketing viele Vorteile und sei involvierender für die Kunden durch ihre Einfachheit. Um Applikationen zu starten blättere man um, Notizen können direkt aufs Papier gemacht und dieses nachher heimgetragen werden.
Enstanden ist die Idee aus einem Forschungsprojekt an der EPFL, im Bereich Ausbildungstechnologien für die Berufsbildung (Seite der Forschungsgruppe). Die Idee war, in der Logistik eine praxisorientierte Lerntechnologie bereits zu stellen. Guillaume und seine Kollegen suchten sich die Lagerhausverwaltung aus, wo ein grosser Kontrast zwischen der abstrakten Theorie und dem sehr konkreten Arbeitsalltag besteht. Das Team wollte den Schülern eine konkrete, interaktive Lernmöglichkeit in die Hand geben. Diese sollte möglichst ohne grosse Einführung benutzbar sein, ohne Interfaces auskommen und physisch bedienbar sein – etwas zum Anfassen. Resultat war die Tinkerlamp, der Vorläufer des aktuellen Projektionssystems, das Simply Paper nutzt. Eingesetzt wird es inzwischen in Klassen an Berufsschulen in Thun und Yverdon. Auf dem Grundriss eines Warenhauses können die Schüler Lager-Layouts ausprobieren, indem sie Miniaturregale dem Plan platzieren. Das System startet dann eine Simulation um diese realen Objekte herum. Bewegte Bilder von diesen Simulationen finden sich auf Guillaumes Youtube-Kanal.
Guillaume hat gerade vor wenigen Tagen die Jury von Venture Kick von Simply Paper überzeugen können. Gegenwärtig ist man auf der Suche nach interessierten Unternehmen und Investoren. Zudem wird der bisherige Prototyp weiterentwickelt zu einer kleineren, besser transportierbaren Variante. Grundsätzlich sei das Produkt aber bereits so weit für erste Kampagneneinsätze.