Regelmässig stellt sich ein Startupper unseren Fragen: Diesmal ist es Andri Hinnen von Zense. Mit verschiedenen Reframing- Instrumenten wie Sensemaking, Visualisierung und Storytelling erzählen sie Firmenstrategien und Kommunikation in lebhaften und einprägsamen Bildern und Filmen. Hinnen nennt das „Versinnlichung der Komplexität“.
Was ist die Idee hinter Zense?
Wir möchten unseren Kunden – Banken, Universitäten, Versicherungen, etc. helfen, sich von unnötiger Komplexität zu befreien und die wirklich relevanten Inhalte auf eine Art zu transportieren, dass sie von Mitarbeitern, Investoren oder Kunden leicht und auch gerne verstanden werden. Wir versuchen die trockene Power-Point-Kultur, die unsere Gesellschaft prägt und mich schon immer etwas angewidert hat, lustvoller und lustiger zu gestalten. Dies tun wir mittels Workshops, Events, Animationsfilmen oder Wimmelbildern. Dabei versuchen wir, unser theoretisches Wissen zu Storytelling und Visualisierung in die Praxis umzusetzen. Und eben: Wichtig ist uns, Spass an an den Inhalten zu generieren.
Was ist dein Background?
Ich habe an der Universität St.Gallen internationale Beziehungen im Bachelor und Strategie und Internationales Management im Master studiert. Vielmehr hat mich jedoch immer die Film- und Kreativwelt interessiert. Ich habe diverse Kurz- und Musikvideos gedreht, als ich noch etwas jünger war, war für Outnow.ch an Filmfestivals unterwegs oder war während dem Studium am Aufbau einer kleinen Produktionsfirma beteiligt, die auf Werbe- und Imagefilme spezialisiert ist. Am Ende meines Masters habe ich dann, ursprünglich als Teil meiner Masterthese, den Dokumentarfilm „Unter Wasser atmen“ realisiert. Dieses „Gesellenstück“, mit dem wir völlig überraschend am Zürich Film Festival gewonnen haben oder für den Hauptpreis in Solothurn nominiert waren, hat dann viele Türen geöffnet. Das ist schon lustig, während dem Studium habe ich mich immer etwas fremd geführt an der Eliteuni St.Gallen – doch dank ihr hatte ich mit 26 einen Film im Kino. Und heute ist sie eine wichtig Kundin und Partnerin, mit der ich mich mehr denn je verbunden fühle.
Welches Projekt habt ihr für die HSG umgesetzt?
Mit der HSG haben wir unter anderem das Projekt „Little Green Bags“ ins Lebens gerufen. Animationsfilme, welche wissenschaftliche Inhalte auf locker-flockige Art transportieren. Dabei liessen wir uns von den populären RSA-Animate-Videos inspirieren, haben jedoch bald eine eigene Bildsprache entwickelt. Themen waren unter anderem die Energiewende, Unternehmensverantwortung oder Unternehmertum. Das neuste Video haben wir mit Miriam Meckel zum Thema „Das gute digitale Leben“ produziert. Ein komplett durchgeknalltes Video, das wir kurz vor Weihnachten veröffentlicht haben. Das kannst du gerne verlinken, da fehlen uns nämlich noch ein paar Youtube-Klicks (lacht).
Was bietet ihr für Produkte an?
Unser Blockbuster-Produkt, quasi das Viagra von Zense, ist definitiv der Versinnlichungsfilm. Stopmotion-Animationsvideos mittels welchen wir Strategien, Projekte und andere organisationale Inhalte kommunizieren. Diese Videos sind relativ rasch produziert und helfen wirklich, Themen den Mitarbeitern oder anderen Anspruchsgruppen schmackhaft zu machen. Besonders beliebt sind auch Wo-ist-Walter-mässige Wimmelbilder, vor allem für Strategie-Visualisierungen. Hier arbeiten wir gerne mit Metaphern. Gerade haben wir ein Projekt mit einem Energie-Unternehmen abgeschlossen, wo wir gemeinsam mit den Mitarbeitern „Sinnbilder“ für ihre Unternehmung entwickelt haben. Die Unternehmung wurde am Ende zu einem Märchenwald mit Trollen im Untergrund und fleissigen Heinzelmännchen, die den Waldbewohnern magische Pilze verkaufen. Das klingt am Anfang immer etwas etwas durchgeknallt, doch beim zweiten Mal hinsehen, helfen solche Metaphern wirklich, Verständnis, Innovationskraft, Motivation etc. zu erhöhen. Weiter machen wir Powerpoint-Rebrushings, Infografiken und immer öfter auch Kreativ-, Storytelling- und Visualisierungs-Workshops. Manchmal produzieren wir auch klassische Filme, letztes Jahr haben wir beispielsweise den DeinDeal-Werbespot realisiert oder einen grösseren Image-Film.
Woher kommt der Bedarf nach einer solchen Dienstleistung?
Einerseits ist es sicher die zunehmende Komplexität, die Informationsflut, die uns Menschen zu schaffen macht. Nassim Taleb meinte ja mal, dass wir nicht mehr trennen zwischen Rauschen und Signalen. Und andererseits gibt es vielleicht einen kleinen Paradigmen-Wechsel bei der Art, wie man in Unternehmen kommuniziert. Die Leute haben genug von überfüllten und schlecht designten Powerpoint-Slides und suchen vermehrt nach Möglichkeiten, auszubrechen. Die Applesisierung schreitet voran.
Dann vereinst du also dein betriebswirtschaftliches Wissen mit einem kreativen Ansatz?
Ja, wie gesagt, habe ich einen Master in Betriebswirtschaft und finde das nach wie vor ein sehr spannendes Feld. Aber während meine Master-Studienkollegen alle bei McKinsey und Co. gelandet sind, wollte ich meine „Cultural Legacy“ nicht ganz aufgeben. In St.Gallen habe ich mich immer etwas aussetzig gefühlt, da wenige Mitstudenten oder Professoren mein Interesse für Kreatives und Kulturelles geteilt haben. Doch heute habe ich erkannt, dass das doch ein gewisses Asset darstellt, zwischen der BWL- und der Kreativwelt vermitteln zu können. Und es ist übrigens interessant, Business Schools setzen immer mehr auf diese Schnittstelle heute. In St.Gallen gibt es jetzt neu einen Master für Organisation und Kultur, oder an MBA-Unis werden vermehrt Kreativ-, Innovations oder Kunstkurse propagiert.
Ich habe das Gefühl, dass diese Animationsfilme zunehmend populärer werden…
Diese Filme sind zu einem zusätzlichen Medium geworden, das mit Powerpoint koexistiert. Studenten und und Mitarbeiter lernen auch vermehrt, sie auf einfachem Niveau selbst zu produzieren. Und eigentlich ist diese Entwicklung ja erfreulich: Die Visual Literacy, wie das ein Professor von mir einmal genannt hat, nimmt zu. Leider finden sich jedoch bei vielen professionell produzierten Filmen die gleichen Fehler wie bei den anderen konventionelleren Medien wieder. Die Filme sind trocken, ewig gleich im Stil (mit der Hand, die die Papierschnippsel umherschiebt) und fern von jeglicher Sinnlichkeit.
Du hast Einblick in die DNA von grossen Unternehmen. Wie schaffst du es, die Komplexität zu verstehen?
Don‘t be afraid of the smartest guys in the rooom. Meine Partner und ich fragen einfach nach, bis wir alles verstanden haben. Oft merken wir, dass wir mit diesen Fragen auch unserem Gegenüber helfen, zu verstehen, worum es im Kern geht. Und wir haben gelernt, zu erkennen, wenn uns ein Geschäftsleitungsmitglied mit klug klingenden BWL-Floskeln und kompliziert formulierten Gemeinplätzen einschüchtern möchte. Und ja, am Ende geht es darum, dass die Komplexität nur mithilfe von Anekdoten, Vergleichen, also Metaphern, und Versinnbildlichungen, Mindmaps, Bilder, und so weiter wirklich durchdrungen werden kann. Erst dann haben wir verstanden, worum es geht.
Du bist sehr umtrieben. Welche Projekte hast du sonst noch am Start?
Haha, danke! Zusammen mit zwei Professoren arbeiten wir derzeit an einem Projekt namens „The Two Minutes University“ oder TTMU.org. Die Idee ist eine Weiterführung der Little Green Bags auf globalem Level. Eine Art Visual TED, oder Get Abstract mit Film. Professoren, Forscher, Journalisten, Opinionmaker erhalten die Möglichkeit, ihre Inhalte von Künstlern jeder Couleur versinnlichen zu lassen. Man stelle sich vor: Ein Text von Malcolm Gladwell, visualisiert von Michel Gondry!