Auch Startups rüsten auf, was Medienarbeit und Content-Marketing angeht. Neuste Entwicklung: Pressemitteilungen, die wie objektive Artikel über einen Trend daherkommen und nebst dem eigenen Unternehmen auch gleich die ganze Konkurrenz in einem „Trend“ darstellen.
In Journalistenkreisen ist es ein unter Wehklagen wiederholte Tatsache: Die „Gegenseite“, also Quellen und Objekte der Berichterstattung, rüstet seit Jahren medial auf. PR-Agenten sind in Heerscharen anzutreffen, Kommunikationsprofis wollen jedes Zitat gegenlesen und selbsternannte Medienrechts-Experten erklären dem Blogger, was er angeblich schreiben darf und was nicht.
Mal vom letzten Beispiel abgesehen, ist die Entwicklung so schlecht nicht: Das Wissen um Bedürfnisse und Ansprüche von Journalisten hat zugenommen, das tägliche Seilziehen darum, was in den Medien mit Breitenwirkung publiziert wird, ist professioneller geworden: Journalisten müssen besser recherchieren, um Insider-Wissen und Skandale aufzudecken; PR-Leute müssen überzeugender argumentieren und mehr echte Information preisgeben, um Journalisten dazu zu bringen, über ihren Gegenstand zu schreiben.
Blogger wie wir hier in den Blogwerk-Blogs erhalten täglich Angebote für „Gastbeiträge“, die hochwertigen Experten-Journalismus zum Nulltarif versprechen und als Gegenleistung nur die Nennung des Experten, seiner Firma und den Link dazu verlangen – just jene Publikation, die eigentlich als bezahlte Werbung die unabhängige Arbeit der Blogger/Journalisten finanzieren sollte.
Manche der Texte sind wirklich lesenswert, und längst sind lange Reihen von sogenannten „unabhängigen Medien“, namentlich kostenlose „Fachmagazine“, dazu übergegangen, sie ohne redaktionelle Kontrolle oder Recherche und am liebsten im Zusammengang mit einer bezahlten Werbung abzudrucken.
Andere Medien und Blogs setzen alles daran, jeden Eindruck, professionelle PR veröffentlicht zu haben, zu vermeiden, jedenfalls solche, die einseitig einen Anbieter einer Sparte mehrfach nennt.
In jüngster Zeit ist mir in der Flut an Pressemitteilungen, die täglich über uns hereinbricht, eine neue Spielart aufgefallen. Ich nenne sie „Trendmeldungen“: PR-Texte von meist recht hoher journalistischer Kompetenz, die den Spagat zwischen Werbetext und medialem Analytik-Mehrwert dadurch versuchen, dass sie nicht nur den eigentlichen Auftraggeber nennen, sondern mehrere Player eines thematischen Felds – was bisweilen auch Konkurrenten sein können.
Beim ersten Durchlesen klingt das dann wie eine unabhängige Beobachtung einer Entwicklung, eben eines Trends – für den eine Reihe Beispiele aufgeführt und erklärt wird: Nach journalistischem Handwerkszeug verfasst man so einen Trendbericht, wobei grundsätzlich drei Beispiele ausreichen, um etwas zu einem Trend zu erklären. Bei genauerem Hinsehen stammt die Meldung vom Presseverantwortlichen einer der drei genannten Firmen.
Das folgt einem sehr rationalen PR-Ansatz: Lieber als gar nicht in den Medien erwähnt zu werden, wird man eben in einem Atemzug mit der Konkurrenz in den Medien erwähnt – und das sogar dann, wenn die unfreiwillig und vor allem kostenlos als Trittbrettfahrerin dabei ist.
Also kommen Meldungen in die Mailbox wie „Warum ist am Ende des Geldes immer noch so viel Monat übrig? 5 Apps, die beim Sparen helfen“ – von denen nur eine die Auftraggeberin der PR-Texterin ist – oder ein fachlich einwandfreier Beitrag darüber, dass die Shareconomy langsam auch in der Schweiz salonfähig wird. Als Blogger oder Journalist mag man sich bisweilen über solche Texte sogar deshalb ärgern, weil man selber auf die Idee hätte kommen können. Noch ärgerlicher ist das Gefühl, das Thema jetzt gar nicht mehr behandeln zu können, weil man weder die PR-Meldung veröffentlichen noch die ihr zugrunde liegende gute Idee abkupfern möchte.
Wer mit wirksamer PR-Arbeit auf diesen Zug aufspringen will, hat angesichts höheren Zeitdrucks in den Redaktionen gute Chancen, mit sorgfältig verfassten Analysen zu einem Thema und der obligaten Reihe von Beispielen inklusive der Nennung der eigenen Firma gute Chancen auf Erfolg. Voraussetzung dafür ist das, was in den sozialen Medien ohnehin unab dingbar ist: Die Transparenz, mit der bis zu einem gewissen Grad die „Tarnung“ dieser Form der PR aufgehoben wird. Tatsächlich nämlich haben Journalisten viel weniger Mühe, sich aus dem PR-Schaffen zu bedienen, wenn sie offen dazu stehen und sagen können, dass angesichts der offenen Deklaration niemand getäuscht wird.
Ich denke auch, dass die Journalisten viel besser dastehen und arbeiten können, wenn sie offen mit dem Thema Public Relations umgehen können, als dies getarnt zu tun.