Ein US-Startup wird hochgejubelt, obwohl es ohne sonderlich gute Idee gestartet war: Wir versuchen, daraus etwas zu lernen.
Mittlerweile über 300 Millionen Finanzierung hat sich das US-Unternehmen Fab gesichert, bei einer enormen Bewertung. Solche Runden wirken hierzulande absurd, wo viel substanziellere Startups vergeblich auf Finanzierung warten. Fab hingegen erhält mehr oder weniger Carte Blanche von seinen Investoren. Was das Unternehmen, das in seiner jetzigen Form gerade den zweiten Geburtstag hinter sich hat, mit den Mitteln anstellen wird, ist offen. Weitere Logistik aufbauen und hochskalieren, sagt Gründer Jason Goldberg.
Die Verknüpfung von grossen Namen, Hype und Wachstumsprognosen (oder einfach «Schaumschlägerei») hat verfangen. Weltweit hoffen Investoren auf rasche Geldvermehrung und werfen mit grossen Summen nach Fab. Das ist aber nicht der interessante Teil der Geschichte.
Lehrreicher ist ein Rückblick; Fab hat wo immer nötig mit grossem Selbstvertrauen seine Aufstellung angepasst.
Bereitschaft zur Kurskorrektur
Zwei grosse Pivots, also Kurskorrekturen, hat das Startup hinter sich. Fab startete eigentlich als soziales Netzwerk für die Gay-Community. Als die Idee nicht abhob, münzten die Gründer 2011 ihr bestehendes Publikum um – für einen Design-Shoppingclub.
Obwohl das Unternehmen damit keine neue Idee hatte – den Schweizer Shoppingclub Fashion Friends zum Beispiel gibt es bereits seit 2009 – ist Fab ein viel beachteter Leuchtturm im Onlineshopping. Es gibt inzwischen im deutschsprachigen Raum zahlreiche Klone des Geschäftsmodells und andere E-Commerce-Player beobachten jeden Schritt genau. Viele verwenden ein auffallend ähnliches Design.
Auf dem Weg zum Produzenten
Beim ersten Kurswechsel blieb es nicht; das Unternehmen zeigt sich beweglich. Mittlerweile ist das Dealmodell weniger wichtig, Fab hat mit einer zweiten Anpassung diesen Frühling nochmals sein Federkleid gewechselt und bewegt sich in Richtung Ikea-Modell. Das Unternehmen agiert künftig als Produzent, nicht nur als Vertriebsplattform.
Wie erfolgreich Fab damit sein wird, muss sich zeigen. Aber man tritt kühn auf. Und so viel Selbstsicherheit lässt einen ganzen Branchenzweig neugierig hinterher tappen.
Spätes Vorbild
E-Commerce fühlt sich nach wie vor an wie Neuland. Der Handel befindet sich in einem tiefen Strukturwandel. Jeder Anbieter ist laufend auf der Suche nach best practices und zukunftsfähigen Prozessmodellen. Fab macht eines gut: Seine Möglichkeiten ausreizen, neue Felder erschliessen und alte links liegenlassen, wo nötig. Andere reagieren hier zaghafter.
Und genau dies heisst auch etwas für die Suche nach Startup-Ideen, die bei uns erst gerade Thema war. Unabhängig davon, in welchem Bereich man sich an die Umsetzung einer Startup-Idee macht, Fab lehrt: Die erste Idee muss nicht genial sein – nicht einmal gut. Bringt man Gründertalent mit, wird man merken, was funktioniert und was nicht. Einige der bekanntesten Erfolgsgeschichten der letzten Jahre waren mit komplett anderen Ideen an den Start gegangen, sie wandelten sich unter dem Druck der Erkenntnisse oft radikal.
Der Erfolg einer Idee lässt sich meist nicht unter Laborbedingungen prüfen. Es gibt keinen Lackmustest für Startuperfolg, auch Experten täuschen sich. Ein Startup gründen heisst, gründen lernen. Dazu gehört, stets bereit zu sein, am Steuerrad zu drehen. Der erste Stelle, wo man zu angeln beginnt, muss nicht die beste sein.
(Artikelbild: marchorowitz auf flickr.com, CC BY)