Zu viele Features oder die falschen: Warum Startups lieber ihr Produkt halbieren sollten als ihre Ambitionen.
Die Vision bewahren, nicht den Kern des Produkts aus den Augen verlieren und so weiter: Solche Grundsätze klingen inzwischen reichlich abgegriffen.
Sie halten sich aber so hartnäckig, weil immer wieder neue Jungunternehmen in ähnliche Fallen tappen. Kein Wunder, hört man sie immer wieder.
Falle Nummer 1: Zu viele Probleme lösen wollen.
Was auf den ersten Blick gut aussieht, ist nur die Kehrseite des Overengineering. Es macht zwar Sinn, mit einem nicht perfekten Produkt zum Kunden zu gehen, anstatt ewig zu entwickeln. Aber so ein unfertiges Produkt darf nicht das Ziel bleiben. Das Anvisieren des Durchschnittsnutzers, Lean Startup und das Paretoprinzip dürfen nicht zur bequemen Ausrede werden. Eine solche sorgt nämlich dafür, dass ein Produkt mittelmässig bleibt. Wenn kein Teil eines Produkts wirklich glänzt, trübt das auch den Gesamteindruck.
Lieber zwei Features, die zu 100 Prozent funktionieren als vier, die zu 90 Prozent funktionieren. Lieber das Kernprodukt richtig umsetzen, als nette aber unnötige Addons einbauen.
Das ist nicht immer einfach. Die Gründer von 37Signals schlagen darum einen Kniff vor, um sich aufs Wichtige zu besinnen: Im Zweifelsfall nur die Hälfte bauen. Statt ein Produkt mit allen Features zu entwickeln, die man sich vorstellen kann, nur die Hälfte davon umsetzen. Diese dafür richtig, «half» statt «half-assed».
Falle Nummer 2: Die falschen Probleme lösen wollen.
In diese Kerbe haut Vu Tran mit seinem Aufruf «Sell first, build later». Um zu entscheiden, welche Hälfte des Produkts man umsetzen will, muss man wissen, welche sich verkaufen wird. Sonst läuft man Gefahr, am Markt vorbeizuentwickeln.
Der einfachste Weg, die Verkäuflichkeit eines Produkts zu testen, ist tatsächlich zu verkaufen. Dafür lohnt es sich, frühzeitig Angebot zu machen und die Zahlungsbereitschaft zu testen. Klappt das nicht, kann man zumindest potentielle Kunden fragen, ob sie sich für ein erste Testversion anmelden wollen. Das zwingt einen dazu, Antworten auf die wichtigsten Fragen zu fragen: «Wer will diese Features und warum?»
Die logische Frage nach «Wollen die Leute so etwas?» ist anschliessend «Wie viele Leute wollen so ein Produkt?». Je nach Marktchancen kann man abschätzen, ob das eigene Venture Sinn macht. Wenn nicht – dann verliert man zumindest keine Zeit auf dem Weg zur nächsten Idee.