Für Jungunternehmen ist es oft schwierig, qualifizierte und bezahlbare Mitarbeiter zu finden. Darum lohnt es sich, erfinderisch zu sein. Local.ch ist nicht mehr wirklich ein Startup, kann hier aber als Vorbild dienen.
Gastbeitrag von Philipp Keller, Leiter System Engineering bei local.ch
Es ist schwierig, gute Engineers einzustellen. Sehr schwierig. Joel Spolsky sagt es treffend: «Die besten Software-Entwickler, und überhaupt die besten Leute in jedem Fachgebiet, kommen ganz einfach nie auf dem Markt.»
Ich wurde im letzten Oktober Leiter der Abteilung System Engineering bei local, und eine meiner ersten Aufgaben bestand darin, einen erfahrenen System-Engineer anzustellen. Ich wusste, dass es schwierig werden würde. Von Anfang an war klar, dass Stellenanzeigen auf Job-Plattformen nicht ausreichen. Darum dachten wir uns das System Engineering Quiz aus. Das Quiz besteht aus fünf Stufen; die Teilnehmer müssen in jeder Stufe die URL des nächsten Teils finden. Am Ende wurde der Link zur eigentlichen Stellenbeschreibung sichtbar, wo man sich auch bewerben konnte.
Wo tummeln sich die Engineers?
Nico Schottelius und ich haben das Quiz im vergangenen Dezember zusammengestellt. Wir hofften natürlich auf den berühmten «Viral-Effekt». Nur: wo treiben sich Systemingenieure denn so herum? Zuerst setzten wir den Link auf die Twitter- und Facebook-Seiten von local.ch. Nur folgen Systemingenieure wohl keinen Firmen-Accounts auf Twitter/Facebook. Also versuchten wir es auf slashdot, hacker news und reddit. Durch hacker news kam ein wenig Traffic auf. Wir landeten aber nicht auf der ersten Seite. System Engineering ist letzten Endes eben doch eine Nische. Wir gaben mehr oder weniger auf.
Des Rätsels Lösung
Dann plötzlich, um den 6. Februar herum, nahm der Traffic wie verrückt zu. Anhand von Google Analytics konnte ich nicht ausmachen, woher der Traffic kam. Wie sich heraussstellte, kam er von IRC, vor allem aus dem französischsprachigen Channel ##sysadmin. IRC? Na klar, wieso hatte ich nicht schon früher daran gedacht? Weil ich vom Software-Engineering kam (und deshalb auch hacker news, reddit etc. lese), war ich überrascht, Systemingenieure auf IRC-Kanälen zu finden. Ein Systemingenieur schrieb mir:
«Mir ist aufgefallen, dass die besten Ingenieure auf IRC zu finden sind. Wahrscheinlich dicht gefolgt von Mailinglisten und usenet.»
Schliesslich erfolgte der virale Effekt, auf den wir gewartet hatten – auf IRC-Kanälen. Hinter den Kulissen, oder zumindest nicht sichtbar für mich, kopierten Leute den Link für das Quiz von einem Kanal zum anderen. Und noch etwas: Wir erstellten eine «Hall of Fame». Alle Teilnehmer, die mir am Ende die richtige URL sendeten, wurden da eingetragen. Einige Leute verschickten den Quiz-Link mit der Firmen-Mailinglist und begannen einen Wettbewerb, wer das Quiz zuerst lösen könne. Einer der Teilnehmer stellte sogar ein Bild ins Netz, wo versucht wurde, das Quiz an einer LAN-Party zu lösen. Ich hätte nie gedacht, dass diese Sache so cool werden könnte. Am Ende war das der Traffic (Visits), der durch das Quiz verursacht wurde:
Networking
Es zeigte sich, dass fast 50 Prozent der Quiz-Löser in die Hall off Fame aufgenommen werden wollten. Einer der Einsender sagte es so: «Kein normaler Mensch lehnt eine Bestätigung des eigenen Egos ab.»
Gegenwärtig sind mehr als 160 Leute in der Hall of Fame eingetragen. Was bedeutet, dass ich E-Mail-Kontakt mit 160 Systemingenieuren hatte. Das ist Gold wert. Es hat sich gezeigt, das 90 Prozent dieser Leute mit ihrem Job zufrieden sind; die meisten von ihnen sagten aber: «Sicher, kontaktiere mich einfach, wenn Du in Zukunft einen System-Engineer suchst. Vielleicht passt es dann gerade.»
Die meisten dieser 160 Engineers wohnen im Ausland. Die meisten davon in Frankreich. Mich überraschte, dass viele von ihnen meinten: «Arbeiten in der Schweiz? Klingt verlockend.» Das erinnerte mich daran, dass die Schweiz ein sehr guter Ort ist, um Engineers anzustellen. Diese Typen sind sogar bereit, hierher zu ziehen. Schliesslich ist die Schweiz an erster Stelle auf dem Wo-man-geboren-werden-sollte-Index 2013. Oder wie es Ivan Ivanovic (einer meiner Kollegen bei local.ch) ausdrückt: Die Schweizer Flagge ist wahrscheinlich die stärkste nationale Marke der Welt. Das bedeutet, dass Schweizer Firmen ihre Personalsuche auf ganz Europa ausweiten können – sofern die deutsche Sprache nicht vorausgesetzt wird.
Wie man schnell die besten Leute einstellt
Zwar brachte uns das Quiz gerade mal drei Bewerbungen. Die Person, die den Job schliesslich kriegte, wurde vom Headhunter gefunden. Bezüglich der Anstellung war das Quiz also kein Erfolg. Was es bewirkte, war: Ich kam mit vielen Leuten in Kontakt. Einige von ihnen lud ich in unser Büro ein. Sogar, wenn sie nicht an der offenen Stelle interessiert waren. Man weiss ja nie. Jemand könnte ja an einer anderen Engineering-Stelle interessiert sein. Oder es geht irgendwann nochmals eine System-Engineering-Stelle auf.
Die Sache ist die: Es läuft viel besser, wenn ein Unternehmen bereits ein Netzwerk von fähigen Engineers hat, bevor eine Stelle frei wird. Genau das, so hoffe ich, hat das Quiz für uns erreicht. Wir versuchen das gleiche Ziel auch mit anderen Mitteln zu erreichen, z. B. durch Vorträge bei Webtuesday. Oder durch unsere Anwesenheit bei Railshöck. Letztendlich ist diese Art der Rekutierung auch für Engineers auf Stellensuche um einiges komfortabler. Als Engineer mochte ich es nie, Stellenanzeigen anzuschauen. Bevor ich zu local.ch kam, sagte ich mir: «Ich will nicht nach einer Stelle suchen. Ich will eingeladen werden.» Dann ging ich an den Webtuesday, und Patrice Neff erzählte mir, dass local.ch Mitarbeiter sucht. So kam ich zu local.ch, und so wollen wir andere intelligente Engineers für uns gewinnen.
(Bild: SurFeRGiRL30 auf flickr.com, CC BY 2.0)