Rund zwei Monate nach dem offiziellen Start wird das Magazin ohne Redaktion «Mag20» eingestellt: ein vertane Chance für die ganze Medienbranche. (Update am Ende des Artikels)
Mag20, das ambitionierte Magazinprojekt stellt den Betrieb ein. Gründer Markus Bucheli hatte eine Plattform realisiert, auf der jeder Beiträge veröffentlichen und zum Voting freigeben konnte. Die 20 populärsten Artikel – gemessen an Facebook-Likes, Tweets und Google+-Weiterleitungen – erschienen in einer wöchentlichen Printausgabe. Diese wurde kostenlos in einer Auflage von 50’000 Exemplaren verteilt. Gestern gab der Gründer überraschend die Einstellung des Projekts bekannt.
Dem Magazin ohne Redaktion scheint das Geld ausgegangen zu sein. Offiziell kommentieren möchte der Gründer die Ursache nicht, verweist aber auf die «beschränkten finanzielle Möglichkeiten» eines Startups: «Nach Absprache mit allen involvierten Geschäftspartnern haben wir uns deshalb entschieden, den Betrieb trotz erfolgreicher Lancierung zu unterbrechen.»
Zu wenig Werbekunden
Nachdem die Medienwoche im August veröffentlichte, dass Mag20 mit einer Überbrückungsfinanzierung von Georges Bindschedler an einen «gesicherten Start» gehe, fragt sich, ob dieser dem Projekt seine Unterstützung entzogen hat.
Wie genau die Gründe aussehen für die Plötzlichkeit des Endes aussehen mögen: Mag20 gelang es offenbar nicht, genügend Werbekunden zu finden, um die laufenden Kosten zu decken. Das Magazin hatte von Beginn an mit einem schwierigen Werbemarkt zu kämpfen, der Neulancierungen skeptisch gegenübersteht.
So hätten viele Anzeigenkunden erst sehen wollen, wie das Magazin sich entwickle und wären mit Zusagen für die Anfangszeit zurückhaltend gewesen, so Bucheli im Juli. Unklar scheint, warum Bucheli das Projekt angesichts dieser Probleme nicht als Notmassnahme auf einen anderen Erscheinungsrythmus umgestellt hat. Ein Modell mit einer Ausgabe pro Monat hätte die Anzeigenakquise vielleicht entschärft.
Zu früh für ein Urteil
Offen ist, was aus Mag20 geworden wäre, wenn mehr Zeit zur Etablierung dagewesen wäre. Projekte, die auf die Prinzipien Crowdsourcing oder user generated content setzen, brauchen eine gewisse Anlaufzeit, um eine kritische Masse zu erreichen. Das zeigt sich in der Zeit, die zahlreiche Webstartups für das Heranwachsen einer Community benötigten (reddit, pinterest, quora usw.). Ob Mag20 nach einer gewissen Zeit sein Publikum und eine engagierte Community hätte aufbauen können, lässt sich nach dem schnellen Aus für das Startup nicht mehr feststellen. Ebensowenig, was ein Mehr an Partizipation für die Qualität der Artikel bedeutet hätte.
Wer mit Markus Bucheli gesprochen hat, weiss, wieviel Enthusiasmus und Engagement des gelernten Wirtschaftsprüfers in sein Projekt flossen. Mag20 sollte nach den Worten des Gründers ein Experiment werden. Er wollte damit ausloten, ob und wie sich Print und Online «versöhnen» lassen. Dass dieses ambitionierte Projekt nun so rasch eingestellt wurde, ist eine vertane Chance für die ganze Branche: Aus den bisherigen Erfahrungen lässt sich nicht schliessen, ob die Idee mit etwas mehr Startkapital nachhaltig hätte betrieben werden können. Damit ist auch offen, wieviel Innovation heutzutage am Printmarkt finanzierbar ist.
Update: Die Medienwoche hat inzwischen die Hintergründe des Fiaskos herausgearbeitet. Offenbar sorgte ein reichlich merkwürdiges Missverständnis dafür, dass Jungverleger Markus Bucheli auf offener Strecke das Geld ausging.
Linkwertig: Mag20, Google, Microsoft, Udacity » netzwertig.com
„Ob Mag20 nach einer gewissen Zeit sein Publikum und eine engagierte Community hätte aufbauen können, lässt sich nach dem schnellen Aus für das Startup nicht mehr feststellen“ Ich glaube am Engagement lag es nicht. Blogger und freie Autoren witterten ihre Chance, ihre Artikel einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Viele nutzten sie, die Plattform wurde immer aktiver beworben und weiterempfohlen.
Doch das Selektionskriterium für die Printausgabe- die Anzahl Empfehlungen in social media- hatte meiner Meinung nach Auswirkungen auf die Qualität des Projekts: Denn bei gewissen Texten konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass alleine die Online-Gefolgschaft und Vernetzung eines Schreiberlings zum Platz in der Print-Ausgabe verholfen hat. So gab es neben hervorragenden Texten und kluger Lesekost, ein paar gähnend langweilige Artikel. Was man man unschwer auf die Mobilisierung des Autoren zurückführen kann.
Hierbei bestand sicher Verbesserungspotenzial. Doch es handelte sich ja um ein Experiment, wie Bucheli immer wieder betonte. Die Einstellung des Betriebs ist trotz allem sehr schade. Die Aussöhnung zwischen online und offline scheint noch nicht geglückt zu sein.
Ich denke auch, dass Autoren mit Netzwerk im Vorteil waren – und das auch weiterhin so gewesen wäre. Allerdings hätte ein Wachstum der Community diesen Effekt verringert.
Mit dem Aufbau der Community meinte ich vor allem das: Ein grösseres Stammpublikum an Lesern, die unabhängig von Aufrufen von Bekannten auf der Plattform aktiv bewertet hätten. Dann wäre dieses Gefälligkeitsvoting, das Du erwähnst nicht mehr so stark ins Gewicht gefallen.
Absolut! Hätte das Start-Up die nötige Zeit dafür gehabt, wäre so eine kritische unabhängige Leser-Community bestimmt gewachsen. Vielleicht klappt es ja beim 2. Anlauf. Die Sympathien der Schweizer Webszene sind dem Gründer des Medienmagazins sicher, glaube ich.