Bei aller Bewunderung für grosse Exits: Es lohnt sich, die kleinen, aber feinen Startups nicht zu vergessen.
«Get big, get bought or go broke»: Ein aktueller Artikel bei CNN vertritt die Ansicht, das seien die einzigen Optionen für Tech-Unternehmer. Beim ganzen Zirkus um das nächste grosse Ding und spektakuläre Exits wird in dem Hit-fokussierten Bericht die vierte Option einfach übergangen: Das nachhaltige profitable Unternehmen; das kleine, aber feine Startup.
Es wird vielleicht nicht für einen Millionenbeitrag verkauft, hat aber Arbeitsplätze geschaffen und bietet seinen Gründern und Angestellten ein solides Einkommen.
Klar: Es liegt in der Natur von Techstartups, dass das Ziel, etwas Neues, Disruptives zu schaffen zur Gründer-Motivation gehört. Grundsätzlich ist eine ambitionierte Einstellung auch eine gute Sache. Um etwas potentiell Grosses zu bauen muss man sich auch trauen, gross zu denken. Was dabei aber nicht vergessen werden darf: Dass ist eine potentiell schädliche Perspektive.
Facebook als falsches Vorbild
Sich zu versteifen auf die Idee, möglichst gross zu werden oder von Anfang an auf den Exit zu schielen – beides kann den Blick für solide Geschäftsmodelle verstellen. Ganz nach dem Motto: «Wenn Twitter und Facebook kein profitables Geschäftsmodell gefunden haben, muss ich mir auch keine Gedanken machen – Hauptsache, ich werde gross oder verkaufe beizeiten.» Wer wie wild an einem Produkt baut und das ohne eine vernünftige, getestete Monetarierungsstrategie, kann vor lauter Gedanken an Skalierbarkeit und Wachstum den richtigen Ansatz verpassen. Nämlich schlicht etwas kleiner anzurühren und die Geschäftsidee zuerst auf eine solide Basis zu stellen. Dann geht das Geld vielleicht ein bisschen zu früh aus oder der ersehnte Exit gelingt dem Konkurrenten – und man steht mit leeren Händen da.
Abgesehen vom diesem Risiko, das der Plan «get big or get bought» mit sich bringt ist, darf man die Ansicht hinterfragen, dass nur die richtig dicken Fische als erfolgreiche Startups gelten können. Wer ein nachhaltig profitables Unternehmen auf die Beine stellt und damit Arbeitsplätze schafft hat (mindestens) genauso viel Applaus verdient. Denn, siehe Groupon: Viel Wachstum muss nicht heissen, dass man etwas Nachhaltiges auf die Beine gestellt hat.
Als kleine Anmerkung zu diesem Artikel:
Man darf kulturelle und der Finanzierung zugrunde liegende Unterschiede zwischen USA und Kontinentaleuropa nicht aus den Augen lassen. Wie in dem zitierten Artikel erwähnt wird liegt der Exitgedanke vor allem daran, dass die meisten Startups enorme Summen auf noch viel enormeren Bewertungen von Venture Capital Fonds einnehmen. Diese müssen, neben den Verlusten aus anderen Startup-Investments, ihren Anlegern eine dem Risiko entsprechende Rendite bieten. Diese können aber nur durch entsprechende Exits realisiert werden. Darüber hinaus sind die meisten Geschäftsmodelle der Trendthemen Mobile, Local und Social fast nicht ohne eine entsprechende kritische Masse an Nutzern zu realisieren. Um diese zu erreichen müssen entsprechende Mengen an Ressourcen (Server, Personal, Werbung etc.) investiert werden.
Die Mentalität der kleinen und nachhaltigen Unternehmen ist vor allem im deutschsprachigen Raum anzutreffen. Hier sind vorrangig die persönliche Eigentümerschaft und die „Schaffung eines Vermächtnisses“ im Vordergrund.
Pauschale Aussagen über die Kulturunterschiede im Startupbereich sollten daher ganz so pauschaliert werden.
Hallo Christian,
Danke für die Rückmeldung – guter Punkt. Gerade weil die US-amerikanische Startup-Szene immer eine Vorbildfunktion für die hiesige hat ist es wichtig, sowohl auf den Kulturunterschied als auch auf die möglichen, anderen Modelle hinzuweisen.
Hm.
Der Unterschied liegt doch weniger in den Kulturen als vielmehr im Geschäftsmodell:
Baue ich etwas für Endkunden, sollte es (theoretisch) ins Gigantische skalierbar sein — und dann ergibt es auch Sinn, gleich von Anfang an groß zu denken. Auch, wenn vielleicht das Produkt nicht perfekt ist, wer schnell User gewinnt und genügend Cash hat, kann rasch iterieren und sein Feld definieren. Und was die Monetarisierung angeht: Gebt mir eine Million loyaler User, dann finde ich schon einen Weg, mit denen Geld zu verdienen.
Baue ich etwas für B2B, hängt alles am Vertrieb und der Kundengewinnung, da kann es sich lohnen, alles kleiner zu denken, das Produkt zu perfektionieren und mit den ersten Kunden zu wachsen.
Ich würde behaupten, es hängt immer an Vertrieb bzw. Kundengewinnung. :)
Aber grundsätzlich: Es ist klar – wenn’s gelingt, die Millionen loyaler User zu bekommen ist alles perfekt. Nur ist das keine einfache Sache. In der Regel dauert es länger als geplant, und viele schaffen es nie (gerade aus Schweizer Perspektive: kleiner Binnenmarkt und so). Wenn Dein einziger Plan das Grosswerden war, dann hast Du dann Pech gehabt.
Die Differenzierung zwischen B2B und B2C trifft’s: Darum hängen auch zahlreiche Web-Startups, die eine Plattform bauen, inzwischen einen Corporate-Service oder andere Zusatzmodelle dran – einfach, um monetarisieren zu können, falls es mit dem Wachstum nicht klappt. Im einfachsten Fall finanziert es die Entwicklung, möglicherweise entsteht daraus auch das eigentliche Geschäft.
Um meinen etwas polemisch wirkenden Punkt leicht anders zu formulieren: Es geht nicht darum, dass wachstumsorientierte Strategien keine Berechtigung hätten, sondern dass man sich (beizeiten) um ein Geschäftsmodell kümmern soll. Dann hat man früh eine mögliche Ertragsquelle (die vielleicht auch trägt, wenn die Massen ausbleiben) und lernt sehr schnell sehr viel mehr über den Kundennutzen und die Zahlungsbereitschaft. Man wird sogar dazu gezwungen.