Crowdfunding scheint im Bewusstsein von Gründern und Publikum angekommen – Schweizer Startups machen mit dem Modell erste Gehversuche.
2010 waren Crowdfunding-Websites wie Pilze aus dem Boden geschossen: Allein in deutschsprachigen Raum liessen sich zum Beispiel Pling, Inkubato, Startnext oder MySherpas nennen. Mit dieser Zerstückelung haben Publikum und Projektinitianten momentan auch zu kämpfen – eine Marktbereinigung täte Not. Nichtsdestotrotz scheint es so, als wäre das Modell inzwischen dabei, sich auch hierzulande zu etablieren.
Aktuelles Beispiel: Das Zürcher Startup exthanded (Startwerk-Porträt von 2010), das ein selbstentwickeltes Kameraschwebestativ in Serie produzieren lassen will. Die clevere Apparatur ist eine Niedrigpreis-Variante zu Steadycam-Equipment, konzipiert für ambitionierte Hobbynutzer oder Profi-Filmer. Zur Weiterentwicklung benötigt das Team zurzeit Geld für eine neue Serie von Prototypen. Die Gründer Marco Stoffel, Maria Tarcsay und Christian Looser haben nun den Versuch gestartet, die momentane Finanzierungslücke per Crowdsourcing zu schliessen. Wie ein Blick auf die Projektseite zeigt, gehen sie dabei angemessen vor, indem sie den Interessenten eine breite Palette an unterschiedlich hohen Unterstützungsbeiträgen anbieten. Diese sind an konkrete Gegenleistungen geknüpft, die mit dem Projekt zusammenhängen – vom einzelnen Drehtag bis zu einem Exemplar des fertigen Geräts.
Crowdfunding: Mehr kommerzielle Projekte
Zuerst vornehmlich für Projekte genutzt, die nicht gewinnorientiert waren und kein Geschäftsmodell vorzuweisen hatten, finden sich zunehmend kommerzielle Ideen, denen Crowdfunding bei der Startfinanzierung helfen soll. Ein Trend, der sich noch verstärken dürfte, obwohl komplexere Ideen tendenziell schwieriger auf diesem Weg zu finanzieren sind – so zeichneten sich die bisher erfolgreichsten Projekte darin aus, dass sie entweder eine attraktive Gegenleistung boten oder zumindest leicht zu vermitteln waren.
Dabei ist ein Blick auf die momentan grösste Crowdfunding-Site Kickstarter interessant: Die US-amerikanische Plattform macht mittels einer 5-Prozent-Provision solide Gewinne. Die Facebook-Alternative Diaspora, die iPhone-Halterung Glif oder das Accessoire tikTok haben via Kickstarter Mittel hereinholen können, die über ihre Finanzierungsziele hinaus gingen – zum Teil weit mehr als 100’000 Dollar.
Buzz und Market Validation
Nicht zuletzt wandeln sich Crowdfunding-Plattformen auch zur günstigen Möglichkeit einer Market Validation oder Bedarfsklärung. Ideal für jemand, der eine Idee für ein physisches Produkt hat, das er über das Internet vertreiben möchte, aber unsicher ist über die Nachfrage. Er kann eine blosse Design-Studie veröffentlichen und beobachten, ob genügend Interesse an einer Realisierung bestünde. Die Entwicklung und Herstellung einer ersten Serie liesse sich dann von der Crowd finanzieren – gegen ein Exemplar des fertigen Produkts. Allerdings: Auch wenn das Longtail-Prinzip hier spielt – Gründer mit einem schon existierenden Publikum, das nur noch aktiviert werden muss, sind stark im Vorteil. Auch zeigt die netzaffine Zielgruppe weniger Berührungsängste mit Plattformen wie Kickstarter. Wer ein Produkt für Geeks am Start hat, hat bessere Erfolgschancen.
Ein Vorteil dabei kann aber der selbstverstärkende Effekt innerhalb der Fans sein. Die früh eingestiegenen Unterstützer werden in der Regel ihr Engagement verbloggen und auf anderen Kanälen erwähnen. Zudem haben sie natürlich einen Anreiz, weitere Geber an Bord zu holen, damit das Projekt auch wirklich umgesetzt werden kann.
Bei den bisher erfolgreichen Projekten waren prominente Blogger, ein Twitterhype oder weiteres Medienecho im Spiel und sorgten für die nötige Schubkraft. In dem Sinn darf man exthanded wünschen, dass noch der eine oder andere Akteur in der Filmercommunity etwas Buzz für das Startup generiert.
Update: Ein Blick auf die MySherpas-Seite zeigt, das exthanded sein Finanzierungsziel erreicht hat.
Lool – kauft Euch lieber einen Bauchladen und verkauft auf der Strasse Sugus. Das geht schneller …
Schöner Überblick über das Prinzip und die Vorteile von Crowdfunding.
Da Startups oft mehr Gründungskapital benötigen als Kunstprojekte, werden dafür spezielle, angepasste Modelle benötigt, die die Möglichkeit bieten, größere Beträge zu sammeln als eine reine Spendenplattformen. Mit Seedmatch arbeiten wir an einer Plattform, die Crowdfunding mit Venture Capital verbindet, d.h. die Crowd kann sich hier an Startups beteiligen. Das gibt Menschen die Möglichkeit, bereits ab vergleichsweise kleinen Summen ein Business Angel zu sein und durch die Beteiligung als Gegenwert können größere Summen gefundet werden. Alle anderen Vorteile von Crowdfunding kommen auch bei diesem Modell zum Tragen.
Ich bin gespannt, welche Anwendungsmöglichkeiten für Crowdfunding in nächster Zeit noch erschlossen werden!