In den USA hat sich mit AngelList ein neuer Treiber für Startupfinanzierung etabliert. Warum wir ähnliche Instrumente brauchen.
Was zeichnet die US-amerikanische Startupszene aus? Neben Zuversicht und Machergeist sicher die Zugänglichkeit, gerade von Geldgeber-Zirkeln. Bei hiesigen Business Angels drängt sich ein anderes Bild auf, obwohl die Ausgangslage gar nicht so schlecht wäre.
Die wenigen Erhebungen zum Thema rechnen mit 2000 bis 3000 Business Angels in der Schweiz. Davon sind nur wenige hundert institutionell organisiert in Business-Angel-Netzwerken und Vereinen, und damit in der Szene präsent und erreichbar. Warum nicht mehr? An investitionsfähigem Kapital mangelt es hierzulande ja nicht. Mit rund 200’000 HNWIs (high net worth individuals – also Personen mit mindestens einer Million an flüssigen Mittel) lässt die Schweiz gerechnet auf die Bevölkerung die meisten Länder hinter sich. Aber nur ein Teil der genannten dicken Fische hat Interesse an der Förderung von Jungunternehmen.
Die Gruppe lässt sich klar umreissen, meist sind es arrivierte Firmeninhaber über 45, die Spass haben an der Begleitung eines Jungunternehmens – was als Motivation den wichtigsten Faktor ausmacht. Der andere Grund: Private Banking ist viel bequemer. Mit Beteiligungen an jungen Unternehmen den Markt zu schlagen (also mehr Rendite als mit Index-Investments zu erzielen) ist schwierig. Man braucht völliges Vertrauen in das eine Startup oder ein grösseres Portfolio um Pleiten abzufedern.
Hier könnte das Internet helfen – per Anleihen aus sozialen Netzwerken.
Aufwand als Bremser
Einen eigenen Dealflow zu unterhalten und zu bearbeiten ist ein massiver Arbeitsaufwand. Wo Transparenz fehlt, müssen eigene Kontakte unterhalten werden oder andere Möglichkeiten zur Triage her, weshalb auch Spinoff-Labels und Unternehmerpreise hier so einen hohen Stellenwert haben.
Viel Aufwand ist also nötig, um auf dem neuesten Stand zu bleiben und sich im Gespräch zu halten als Investor – dazu gehört oft auch, Startups als Mentor zur Verfügung zu stehen und Aufsichtsarbeit zu leisten.
Das Internet ist nun bekanntlich gut darin, Transparenz und Übersicht herzustellen. Erste Versuche für den Bereich Startupinvestments bilden denn auch die Crowdfunding-Plattformen, etwa investiere.ch oder das neue C-Crowd. Diese sind aber nicht in erster Linie auf Übersicht aus und nutzen die technischen Möglichkeiten aktueller sozialer Netzwerke noch zu wenig. Dabei gäbe es Vorbilder: Die AngelList aus dem Silicon Valley.
Lösung per Internet?
Diese Engelliste ist eine 2010 gestartete Matchmaking-Plattform für Startups und Business Angels, die auf grösstmögliche Transparenz setzt. Alle Interaktionen auf der Plattform, wie Neuzugänge, Voting oder Kommentare tauchen im Stream auf und sind sichtbar à la Facebook. Den gewünschten Startups, Investoren oder Themen kann wie auf Quora gefolgt werden. Die Liste wird kuratiert von den Gründern, die auch Neuzugänge zuerst checken, bevor sie zugelassen werden. Social Proof ist das Argument der Angellist. Investoren als Herdentiere sind immer auf der Suche nach Trends, denen sie folgen können, besonders wenn profilierte Business Angels voran gehen. Lead-Investoren sind damit in ihrem Element. Gleichzeitig soll die Transparenz aber auch Qualität fördern: Track-Record und Portfolio von Investoren sind zu einem grossen Teil einsehbar.
Während bestehende Crowdsourcing-Plattformen gleich auch als Transaktionsdrehscheibe dienen wollen, geht AngelList einen anderen Weg. Deals werden ausserhalb abgeschlossen, die Seite will lediglich Kommunikationstool sein. Somit würde eine AngelList hierzulande auch Platz haben und ein ähnliches Modell würde eine Lücke füllen. Und so vielleicht etwas wichtiges leisten, nämlich zusätzliche Investoren zu Startup-Beteiligungen motivieren.
Dabei ist das Prinzip allerdings nicht unumstritten. Eine kleinere Kontroverse schaffte es zuletzt sogar bis auf Techcrunch.
Crowd vs. Expertise?
Der Streit in Kurzform: Ein prominenter VC hatte seinen Account gekündigt und darüber gebloggt. Dazu muss man wissen, dass Angellist in Nordkalifornien inzwischen zu den Branchen-Essentials gerechnet werden darf, besonders unter prominenteren, auf Social Media präsenten VCs. Grund für die Kündigung: Die Plattform promote eine krude Investitionsphilosophie. Sorgfältige Analysen würden abgewertet, Spray & Pray statt selektiver Investments stehe im Vordergrund und die Stimmung der Seite sei eine Art Hype-befeuerter Gruppendruck.
Die Gretchenfrage dabei teile die Investoren in zwei: Punktgenaues Investieren und Begleitung der Startups versus breites Portfolio ohne unmittelbares Interesse am operativen Geschäft. Andere prominente VCs meldeten sich bald zu Wort: Beide Modelle seien legitim und gleichermassen berechtigt. Diese AngelList sei eben nur das – ein Kommunikationstool. Wer ein eigenen Dealflow managen wolle und hohe Anforderungen an Unternehmen stelle, dem komme die Plattform nicht in die Quere.
Vorteil der Seite sei nicht, dass die bestehenden, professionellen Angels ihre Standards senken – sondern dass ihre Strategien und Portfolios nachvollziehbar würden. Das sorge für Netzwerkeffekte und stimuliere Investitionen von weniger fachkundigen Angels. Ohnehin sei es zunehmend schwieriger, in immer spezialisierteren Branchen noch Expertise mitzubringen, auch deshalb werde Social Proof wichtiger.
Mehr Chancen als Risiken
Diesem Argument kann man sich anschliessen. Mehr Transparenz durch eine entsprechende Plattform würde den hermetischen Charakter des Business-Angel-Engagements abschwächen und neue Investorengruppen aktivieren. Von mehr Information und Übersicht in der Startupinvestments würde damit die ganze Szene profitieren. Die verglichen mit den USA mässig aufgeschlossene – kaum bloggende VCs – Schweizer Szene könnte damit zugänglicher werden.
Mit sich bringen würde das die Chance, dass Vermögende mit viel Geld auf der hohen Kante einmal in ein Startup investieren, statt immer den Vermögensverwalter machen zu lassen.
Natürlich ersetzt das nicht die engagierten Business Angels, die mit Kontakten und Mentoring auch jenseits des Finanziellen Startups unter die Arme greifen. Im Gegenteil, ohne sie geht es nicht. Sie wären als Lead-Investoren sogar noch mehr als zuvor gefragte Leuchttürme, an denen sich neue Anleger orientieren können – mit einer solchen Plattform zum ersten Mal auch wirklich sichtbar durch den Nebel.
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