Das Schweizer Unternehmen Exsila feiert 2016 10-jähriges Bestehen. Seit einer Dekade wird auf der Plattform Artikel munter getauscht, anstatt verkauft. Die Zeichen dafür stehen gut, denn Sharing Economy erfreut sich auch in der Schweizer Bevölkerung immer grösserer Beliebtheit. Wie sich das einstige Startup entwickelt hat und wie es weitergehen soll, erklärt Remo Uherek, CEO von Exsila.
Remo, bevor wir uns über Exsila unterhalten, stell dich kurz vor.
Gerne. Ich habe BWL studiert und bin seit über 10 Jahren Internet-Unternehmer. Ich habe die Social Media Plattform Trigami gegründet (Exit im 2011), habe eine App im Bereich Health & Fitness lanciert und im 2014 die CEO-Rolle bei exsila.ch übernommen. Ich liebe Exsila! Im Jahr 2006 gehörte ich zu den ersten Mitgliedern, und war sofort von der Idee „Tauschen statt kaufen“ begeistert. Gegründet wurde die Plattform von Rouven Küng und Reto Bütler.
Stell in ein paar Sätzen Exsila vor. Was macht ihr? Welches Problem löst ihr?
Die „Sharing Economy“ setzt sich durch. Exsilaner tauschen untereinander, was sonst in unserer westlichen Wegwerfgesellschaft im Müll landet. Der Katalog umfasst inzwischen 55’000 Bücher, 60’000 Filme und 100’000 weitere Artikel wie Spielzeug, Kleidung und Baby-Artikel. Täglich wird bis zu 1000-mal getauscht und jede Stunde werden ungefähr 50 neue Artikel hinzugefügt.
Warum Exsila?
Wir leben in einer Wohlstandsgesellschaft. Überproduktion, riesige Abfallberge, vollgestopfte Wohnungen mit Dingen, die wir nicht brauchen. Und jedes Jahr wird es mehr! Die Mission von Exsila ist, die riesige Menge an ungebrauchten Konsumgütern umzuverteilen. Es macht Sinn reduziert Verschwendung und Überproduktion. Und nebenbei schafft es Platz in der Wohnung und im Geist.
Unsere erste Stufe waren Medien. Heute sind wir die grösste Plattform für gebrauchte Filme und gebrauchte Bücher. Jetzt geht es darum, dasselbe mit Spielzeug, Baby-Zubehör, Möbel, Elektronik, Kleidung und anderen Konsumgütern zu erreichen. Anstatt dass Gegenstände millionenfach gekauft werden und dann in Regalen, Schubladen, Kellern und Estrichen ungebraucht verstauben, möchten wir diese Dinge dorthin umverteilen, wo sie gebraucht werden – z. B. zu Familien mit kleinen Kindern. Zum Wohle der Umwelt und des Portemonnaies – und entgegen Abfallbergen. Wir nennen diesen Prozess “Tauschen statt kaufen”. Wir integrieren uns perfekt in die bisherigen Gewohnheiten. Getauschte Gegenstände wechseln wie beim Kauf den Besitzer, und können – aber müssen nicht – weitergetauscht werden.
Wie sieht es mit der Konkurrenz aus?
Dinge verkaufen und verschenken kann man an vielen Orten: Flohmärkte, Brockenstuben, Online-Marktplätze, Facebook Gruppen. Dadurch, dass wir eine eigene Tauschwährung haben, sind wir schweizweit einzigartig. Bei uns geht es nicht ums Verkaufen, sondern ums Tauschen. Was zu überwinden gilt, sind die alten Gewohnheiten und die Bequemlichkeit. Dass die ungebrauchten Dinge im Keller und den Schubladen bleiben, oder irgendwann im Abfall oder der Brockenstube landen. Und dass wir es uns gewohnt sind, Dinge neu zu kaufen. Dabei liegen genau diese Dinge irgendwo ungenutzt.
Letzten November habt ihr angekündigt, dass Exsila wieder eine reine Tauschbörse wird. Wie kam es dazu?
Im 2011 haben wir – rückblickend betrachtet – einen strategischen Fehler gemacht. Neben dem Tauschen haben wir parallel das Kaufen und Verkaufen in Schweizer Franken eingeführt. Dieser Schritt wurde von den Mitgliedern jahrelang scharf kritisiert, denn sie waren bei uns wegen dem nicht-kommerziellen Tauschen, und nicht um Dinge gegen Geld zu verkaufen. Als ich im 2014 zu Exsila kam, war mir sofort klar: Wir müssen zurück zur reinen Tauschbörse! Das ist unsere grosse Stärke. Das reine „Kaufen und Verkaufen“ ist bereits von anderen Playern besetzt. Dieser mutige Schritt hat sich ausgezahlt, denn seit der Umstellung haben sich die Tausch-Transaktionen um mehr als 60% erhöht.
Und wieso habt ihr das Modell im Vorfeld geändert? Was waren da die Überlegungen?
Wir wollten damals neue Wachstumsfelder erschliessen. Dies war nicht grundlegend falsch. Rückblickend war es wohl ein Fehler, dies mit demselben Brand auf derselben Plattform zu machen. Damit wurden wir quasi Opfer des berühmten „Innovator’s Dilemma“. Auf einer Schwesterplattform mit eigener Brand Story und anderer Kundenzielgruppe hätte es vielleicht ganz anders ausgesehen. Dennoch war diese Zeit sehr wichtig für uns. Denn wir haben ein eigenes Zahlungssystem auf Basis eines CHF-Guthabenkontos entwickelt, was heute das Rückgrat unseres Geschäftsmodells ist. Neben dem Verkauf von Exsila-Punkten finanzieren wir uns durch eine bescheidene Tauschgebühr, welches diesem internen CHF-Konto belastet wird. Mitglieder können dieses Konto mit gängigen Zahlungsmitteln ganz bequem aufladen.
Ausserdem habt ihr eine Gebührensenkung angekündigt. Was bedeutet das genau?
Mit der Umstellung zur Tauschbörse haben wir unsere Gebührenstruktur angepasst. Die Tauschgebühr bei Exsila ist neu auf 1 Franken gedeckelt, egal zu welchem Punkte-Preis man den Artikel weggetauscht hat. Zusätzlich fliessen bei jeder Tauschaktion 6% der Punkte aus dem Kreislauf, was zu einem nachhaltigen Kreislauf und zu höherer Stabilität des Punktesystems führt. Denn Exsila ist eine Mikro-Ökonomie, ein eigenständiges Ökosystem, eine Parallel-Wirtschaft, und wir haben als „Zentralbank“ die Aufgabe, diese Stabilität zu gewährleisten.
Ihr habt an diversen Förderprogrammen teilgenommen. Kannst du uns von davon berichten?
Ich habe z. B. dem IFJ Institut für Jungunternehmen und ihrem venturelab Programm persönlich viel zu verdanken. In den Anfangsjahren waren die Events und Seminare eine sehr grosse Hilfe, insbesondere die inspirierenden Vorträge anderer Unternehmer.
Du warst 2008 beim venture leaders USA Programm dabei. Wann werdet ihr international aktiv?
Ein grossartiges Programm! In meinen Augen machen jedoch viele Startups den Fehler, zu schnell zu internationalisieren. Wir halten uns an die Weisheit von Peter Thiel: Zuerst den lokalen Markt ausschöpfen, und erst wenn das Momentum gross genug ist, weiterdenken. Wir können uns in der Schweiz noch mindestens verzehnfachen, also macht es aktuell keinen Sinn, einen neuen Markt anzupacken, wo wir bei null starten müssen. Sollten wir diese Verzehnfachung schaffen, stehen uns alle Optionen offen.
Diesen Sommer feiert Exsila das 10-jährige Jubiläum. Was beeindruckt dich am meisten an diesem Meilenstein?
In den letzten 10 Jahren haben Exsilaner mehr als 4 Millionen Tausch-Transaktionen durchgeführt. Ohne App, nur auf dem Desktop. In Zukunft wird der Grossteil der Tausch-Transaktionen per App abgewickelt werden. Ebenfalls eindrücklich ist, dass wir dies mit einem Team von nur 7 Leuten bewältigen. Wir sind weder abhängig von einem Konzern noch von Investoren. Wir finanzieren uns vollständig durch die Einnahmen. Wir sind ebenfalls stolz darauf, dass wir ohne klassisches Marketingbudget auskommen. Stattdessen machen wir mit kreativen Methoden – z.B. gibt es für Neumitglieder als Willkommensgeschenk einen Artikel eines anderen Mitglieds portofrei zugeschickt. So machen wir auf uns aufmerksam und setzen auf die Kraft von Mundpropaganda. Bis zum 31. August 2016 feiern wir dieses Jubiläum in der Community. Bis dahin gibt es ein doppelt so grosses Willkommensgeschenk für Neumitglieder, speziell gute Konditionen beim Kauf von Exsila-Punkten und vieles mehr. Wer noch kein Exsila-Mitglied ist, der sollte diese Chance nicht verpassen und sich jetzt registrieren.
Was waren die Highlights seit Gründung?
Mit der ersten Pressemitteilung haben wir es auf die Titelseite der 20 Minuten Printausgabe geschafft! Über Nacht hatten wir die kritische Masse. Der Artikel im Migros-Magazin (1.5 Mio Auflage!) hat unsere Server in die Knie gezwungen. Viele Exsilaner, die wir vom Tauschvirus infizieren konnten. Dass wir das 10 Jährige Jubiläum feiern dürfen. Dass sich die Sharing Economy etabliert hat. Es gibt so viele Highlights!
Wie sehen eure nächsten Schritte aus?
Das zukünftige Exsila wird vorwiegend mobil und lokal sein. Bücher, Kinderwagen, Möbel, Kleidung oder Fahrzeuge können per App getauscht und direkt lokal übergeben werden. Das mühsame Verpacken und Verschicken soll, wenn immer möglich, entfallen und durch persönlichen Kontakt ersetzt werden. Und wenn der Wunschartikel nicht lokal verfügbar ist, dann erweitert man den Radius und lässt sich den Artikel wie gewohnt zuschicken. Heute ist Sharing-Economy ein weltweiter Mega-Trend, und Exsila hat die Mission, das „Tauschen statt kaufen“ zurück ins 21ste Jahrhundert zu bringen.
Aufgepasst: Zum 10-jährigen Geburtstag organisiert Exsila am 30. August einen Schweizer „Tag des Tauschens“ mit tollen Aktionen. Hier kann man mehr erfahren.
Das Hauptproblem bei Exsila ist die Preisstabilität (also die Inflation). Ich muss fast wöchentlich meine Punktepreise nach oben anpassen, sonst erhalte ich keinen guten Gegenwert mehr für die Punkte.
Das ist extrem mühsam als Verkäufer.
Also nur für Tauschinteressierte ist Exsila gut.
Sind ja nur Punkte. Spielt mir persönlich jetzt keine Rolle, ob ich etwas für 150 Punkte kaufe und es anschliessend wieder für 140 Punkte verkaufe oder ob ich es für 15 Punkte kaufe, um es nach einer Woche für 14 anzubieten. Den grossen Preisunterschied hat es übrigens schon immer gegeben. Beispielsweise ist der Film „Die Frauen von Stepford“ für 4.5 Punkte zu haben und „Honig im Kopf“ für 111 Punkte. Es lohnt sich meistens, etwas zu warten :).
Die inflation ist von Exsila explizit gewollt! Exsila kann so mehr richtiges Geld verdienen. Je mehr Punkte ins System kommen, desto höher werden die Preise. Trotzdem wird immer mehr gekauft, weil falls man die Punkte auf dem Konto lässt, veringert sich der Gegenwert der Punkte.
Exsila hat doch kein wirkliches Interesse an der Sharing-Economy. Denkt mal nach. Exsila will und braucht natürlich auch richtiges Geld (Gut-Menschen können auch nicht von nichts leben)
Bis auf das Punktesystem bin ich mit Exsila sehr zufrieden! Meiner Meinung nach müsste dieses Modell vereinfacht und transparenter gemacht werden. Die Sharing Economy läuft langsam aber sicher an. Neue Mietportale wie rentscout.ch unterscheiden sich grundlegend von Exsilia jedoch einfacher in der Handhabung.
Keine Frage: Sharing-Economy schont die Ressourcen der Erde. Aber es gibt auch einige Gefahren: Wegen der Sharing-Economy werden auch Arbeitsplätze zerstört, weil weniger Arbeitskräfte zur Produktion gebraucht werden. Als End-Konsequenz (sobald es Roboter gibt): Wird man die Arbeit und vor allem den Lohn teilen müssen (Das ist dann im wahrsten Sinn des Wortes Sharing-Economy, oder…?)
@Thomas L. – Ist jetzt nicht Dein Ernst, dass die Sharing-Economy Arbeitsplätze zerstört, weil dann nicht mehr jeder jedes Jahr einen neuen Fernseher kauft. Da musst Du nochmals über die Bücher. Apropos Bücher – Bei Exsila werden aus meiner Sicht sehr viele Bücher nicht kostendeckend angeboten. Aktuell gibts fast 2500 Bücher für einen oder zwei Punkte! Diese Angebote müssen alle per Post versendet werden, teilweise sogar als Paket. Den Leuten geht es doch mehr darum, etwas für einander zu tun. Und ja, auch Firmen in der Sharing-Economy müssen Geld verdienen. Sharing ist ja nicht gleich non-profit, oder Thomas…?