Die Praxis des Zürcher Steueramts bei der Startup-Besteuerung hemmt Innovation und Gründergeist. Der Kanton Bern hat einen anderen, unternehmerfreundlicheren Ansatz, wie die Berner Innovationsförderung be-advanced im Gespräch mit dem Steuerverwalter und einem Praktiker aufzeigt.

pexels-photo-52608.jpeg

Seit dem 1. März 2016 sorgt eine neue Praxis des Zürcher Steueramts bei Startups für rote Köpfe. Das Zürcher Steueramt bewertet die Aktien der Gründer für die Vermögenssteuer nicht nach dem aktuellen Wert der Gesellschaft, sondern nach dem Preis, den ein Investor für eine Aktie bezahlt hat. Diese Bewertungsmethode hat zur Folge, dass Eigentümer von Start-ups/Jungunternehmen in Bezug auf die Vermögenssteuer schlechter gestellt sind, als Personen, welche einen Teil ihres Vermögens in Aktien von etablierten KMU/börsenkotierten Unternehmen investieren, und die Vermögenssteuerlast in Extremfällen sogar mehr als das gesamte Einkommen ausmacht. Wie sieht die Sache in Bern aus? Der neue Geschäftsführer der Berner Innovationsförderung be-advanced AG, Bernard Pittet, welches sich ab Oktober im neuen Hub Bern eingemietet hat, beleuchtet im Kurzinterview mit Bruno Knüsel, Steuerverwalter des Kantons Bern, und mit Dr. Beat Brechbühl, Wirtschaftsanwalt bei Kellerhals Carrard, Startup Förderer und Vizepräsident von be-advance die Besteuerung der Jungunternehmen in Bern und die Auswirkung auf die Innovation.

Bernard Pittet: Herr Knüsel, können Sie für uns als Laien aufzeigen, wie der Kanton Bern Startups besteuert und wo er sich von Zürich unterscheidet?
Bruno Knüsel: In Summe besteuern wir keine Hoffnung, sondern nur den konkreten SubstanzZufluss. Wenn die Gesellschaft noch keinen Gewinn erzielt, wird nur nach Substanzwert besteuert. Wenn die Gesellschaft Gewinn erzielt, kommt eine Ertragskomponente dazu; wir wenden die sog. Praktikermethode an. Allfällige Finanzierungsrunden fliessen nur indirekt in die Bewertung ein, indem der Kapitalzuwachs des Unternehmens berücksichtigt wird.

Können Sie uns ein Beispiel geben?
K: Nehmen wir an, ein Startup wurde mit CHF 100‘000 gegründet, hat geforscht und entwickelt und wird in einer Finanzierungsrunde nach 3 Jahren mit CHF 20 Mio. (Wert nach Finanzierungsrunde) bewertet. Basierend darauf investieren neue Aktionäre 4 Mio. und beteiligen sich entsprechend mit 20% des vermuteten, im Moment noch spekulativen Wertes. Der Mittelzufluss wird zu CHF 25‘000 als Aktienkapital (entspricht ebenfalls 20 % des neuen erhöhten Aktienkapitals) und zu CHF 3‘975‘000 als Aufgeld oder Agio verbucht. Das Geld fliesst also ausschliesslich ins Unternehmen, der Gründer verkauft nichts. In diesem Jahr bzw. in den bisherigen 3 Jahren resultiert (gesamthaft) ein Verlust von CHF 2 Mio. Per Jahresende schauen wir nun, wie viele Mittel noch beim Startup vorhanden sind. Die Bilanz weist nun ein Aktienkapital von CHF 125‘000 und ein verbleibendes Agio von CHF 1‘975‘000 aus. Weil der Gründer nach der Kapitalerhöhung noch 80% der Aktien hält, erhöht sich sein steuerbares Vermögen entsprechend dem, was ihm indirekt an Mehrwert zugeflossen ist. Ihm werden somit 80 % des Eigenkapitals von nun CHF 2‘100‘000 zugerechnet, weil bei einer Liquidation die Mittel der Gesellschaft nach Anteilen am Aktienkapital verteilt werden müsste. In Anwendung des Art. 66 StG (Begrenzung der Vermögenssteuer für ertragsschwache Vermögen, d.h. solche die keine Dividenden abwerfen), der dann gilt, wenn die Gründer auch in Bern wohnen, würde die Vermögenssteuer im Beispiel somit CHF 4‘032.- betragen.

Das ist in der Tat ein anderer Ansatz als in Zürich. Dort gibt es Fälle, wo die Vermögenssteuer höher als das Einkommen der Gründer ist. Ist geplant, dass Bern auf das System von Zürich wechselt?
K: Zurzeit sind mir keine Pläne bekannt. Solange die Gesetzesgrundlage nicht ändert, oder kein höchstinstanzlicher Gerichtsentscheid eine Praxisänderung verlangt, sehen wir keinen Grund, diese Praxis zu ändern.

Herr Brechbühl, was stört Sie an der Steuerpraxis von Zürich?
Beat Brechbühl: Die Gründer von Startups sind auf Investoren angewiesen, die den Aufbau des Jungunternehmens finanzieren. Vom Preis, der in einer Finanzierungsrunde bezahlt wird, darf aber nicht auf den Verkehrswert des Gesamtunternehmens geschlossen werden. Dieser Preis beinhaltet die Hoffnung, dass dieses Start-up vielleicht irgendwann in der Zukunft ein weiteres Facebook (ein sog. Unicorn) sein wird. Die Zürcher Steuerpraxis bedeutet höhere Steuerrechnungen auf Geld, das die Gründer nie in der Hand hatten, und weniger Mittel, um das Unternehmen aufzubauen. Das ist sachlich falsch und rein fiskalisch motiviert.

Startups machen am Anfang ja sowieso Verluste, weshalb spielt diese Steuerfrage überhaupt eine Rolle?
B: Das ist der springende Punkt. Gerade in den ersten Finanzierungsrunden verkaufen die Gründer normalerweise keine Aktien sondern müssen sich zu einem weiteren Engagement im Startup verpflichten. Wenn der Fiskus die Ernte besteuert, die noch gar nicht eingefahren ist, behindert er Innovation und hemmt Gründer –und Pioniergeist.

Bern wird immer wegen seiner hohen Steuern bei natürlichen Personen gescholten. Herr Knüsel, kann man sagen, dass Bern in der Startup-Besteuerung für einmal eine Vorreiterrolle einnimmt?
K: Wir besteuern beim Vermögen das, was jemandem, hier einem Gründer, an geldwerten Leistungen zu geflossen ist. Dies gilt nicht nur für Startups sondern bei allen anderen Unternehmern und KMU auch. Das ergibt sich aus dem Prinzip der Leistungsfähigkeit und der Gleichheit. Die Beurteilung überlasse ich anderen.
B: Der Steuerverwalter hat es sehr diplomatisch ausgedrückt – das ist auch seine Aufgabe. In meinen Augen ist die Antwort hier klar: Ja. Die Berner Praxis ist sachgerechter, weil sie nicht auf Vorrat etwas besteuert, das sich unter Umständen gar nicht im Wert materialisiert. Sie ist aber insbesondere innovationsfreundlicher und unterstützt damit die Gründerszene. Es ist ein kleines aber wichtiges Pflänzchen im Ökosystem der Start-up- und Innovationsförderung, zusammen mit dem Coaching, der Finanzierungsunterstützung und anderem mehr.

Bernard Pittet: Dann hoffen wir doch für alle Startups, dass sich für einmal Zürich Bern anschliesst und nicht umgekehrt. Und dass die Startups sich in Bern niederlassen. Wir von be-advanced stehen jedenfalls gern mit Rat und Tat zur Verfügung. Besten Dank für das Gespräch.

stefan-steiner

Bist du von der Steuerthematik selber betroffen oder hast du Fragen? Stefan Steiner, Managing Director von venturelab in der Deutschschweiz, hilft dir gerne weiter: sts@venturelab.ch; +41 (0)71 242 98 88

Und weitere Informationen zum Steuer Thema findet man zusammengefasst im Steuer Dossier von venturelab: www.venturelab.ch/startupsteuer

Konkrete Beispiele gefällig? Wir haben mit hochkarätigen und international aufstrebenden Zürcher Startups (Climeworks, Movu, Uepaa, Staff Finder und Agilentia) über dieses Thema gesprochen. Auch sie sagen, dass Jungunternehmer gezwungen sind, den Kanton zu verlassen – oder zumindest sich um einen Wegzug Gedanken machen müssen, um nicht in den Ruin getrieben zu werden. Und im Blogbeitrag des Business Angels Roland Zeller erhält man weitere Informationen, wie in anderen Kantonen die Besteuerung von Startups gehandhabt wird.