Zu Beginn des Monats haben wir berichtet, dass das Zürcher Steueramt eine neue Regelung zur Besteuerung der Startups herausgegeben hat (#StartupSteuer). Die Skepsis gegenüber der Steuerpolitik im Kanton Zürich ist trotz dieser Neuregelung weiterhin gross und Kenner der Startup-Szene, wie der Gründer und Präsident von venturelab, Beat Schillig, sind der Meinung, dass ein Wegzug von Zürcher High-Tech Startups drohe. Nun meldet sich mit Climeworks ein Startup zu Wort, das direkt betroffen ist: Wir haben von Co-Gründer Jan Wurzbacher erfahren, dass zusätzlich zur Einkommenssteuer die Vermögenssteuer im Kanton Zürich alleine dieses Jahr rund 50% seines Lohnes wegfrisst.
Lieber Jan, kannst du unseren Lesern kurz erklären, was Climeworks genau anbietet?
Climeworks wurde im November 2009 als ETH Spin-off durch Christoph Gebald und mich gegründet. Die Firma entwickelt industrielle Grossanlagen, die CO2 aus der Umgebungsluft filtern um dieses zum Beispiel zur Herstellung von erneuerbaren, CO2-neutralen Treibstoffen bereit zu stellen. In diesem Zusammenhang konnten wir vor drei Jahren den Autobauer Audi als Industriepartner gewinnen. Unsere Technologie hat das Potential, weltweit einen signifikanten Beitrag zur Reduktion von Treibhausgasen in der Atmosphäre beizutragen. Zurzeit beschäftigten wir am Standort in Zürich-Oerlikon 22 Mitarbeitende.
Wann wird eure Firma Gewinne schreiben können?
Die erfolgreiche, grossmassstäbliche Markteinführung dieser Anlagen erfordert eine langjährige und aufwendige Entwicklungsarbeit unter sehr anspruchsvollen Kostenzielen. Es ist deshalb davon auszugehen, dass Climeworks frühestens zum Ende dieses Jahrzehnts, also mehr als zehn Jahre nach Gründung, mit ihren Produkten substantielle Erträge erwirtschaften kann. Bis heute hat die Firma in jedem Jahr ein negatives Jahresergebnis verbucht.
Wie finanziert ihr diese Verluste?
Um die kontinuierliche Weiterentwicklung zu finanzieren, führte Climeworks seit der Gründung drei Kapitalerhöhungen durch und nahm dabei bis heute rund CHF 15 Millionen an Investitionen auf. Hierbei wurden – wie bei Finanzierungsrunden in Startup-Firmen üblich – jeweils Firmenbewertungen zugrunde gelegt, welche auf Erwartungen über zukünftige Leistungen der Firma beruhen, jedoch in keiner Weise den heutigen Ertrags- und/oder Substanzwert der Firma widerspiegeln.
Wie wirkt sich die neue Steuerpraxis im Kanton Zürich auf euch als Gründer aus?
Christoph und ich bezahlen uns einen Startup üblichen Lohn aus, der deutlich unter dem Niveau liegt, als wenn wir in der Industrie arbeiten würden. Dieses Jahr macht die Vermögenssteuer bereits 50% von unserem Bruttolohn aus. Das ist untragbar, wir können die Steuerrechnung mit unserem Einkommen schlichtweg nicht mehr bezahlen. Da wir Climeworks bereits 2009 gegründet haben, profitieren wir auch praktisch nicht von der am 1.3.2016 verkündeten Anpassung der Steuerpraxis für Startups.
Wie geht es jetzt bei euch weiter?
Wir prüfen einen Standortwechsel in einen anderen Kanton oder einen Umzug mit Climeworks ins Ausland. Bezüglich den aufgelaufenen Steuern sind wir mit dem Steueramt und Steuerberatern in Kontakt. Wir würden uns aber lieber auf die Weiterentwicklung unserer Technologie konzentrieren, damit wir möglichst schnell Treibhausgase reduzieren können.
Bist du von der Steuerthematik selber betroffen oder hast du Fragen? Stefan Steiner, Managing Director von venturelab in der Deutschschweiz, hilft dir gerne weiter: sts@venturelab.ch; +41 (0)71 242 98 88
Und weitere Informationen zum Thema findet man zusammengefasst auf der Website von venturelab: www.venturelab.ch/startupsteuer
Mehr über Climeworks erfahren
Das ETH Spin-off Climeworks entwickelte eine Technologie, mit welcher CO2 aus der Luft gefiltert werden kann. Die Gründer Jan Wurzbacher und Christoph Gebald haben mit ihrer Innovation in den letzten Jahren zahlreiche Erfolge feiern können. So gewannen sie 2010 das Venture Kick Finale und waren Teil der Schweizer Startup Nationalmannschaft, den venture leaders, in den USA. Viermal hintereinander wurde Climeworks zudem in das TOP 100 Ranking der besten Schweizer Startups gewählt. 2014 starteten sie die erste voll skalierte Maschine im Testbetrieb, schlossen eine zweite Finanzierungsrunde ab und gewannen einen namhaften Industriepartner: den deutschen Autobauer Audi. Ende letzten Jahres gaben sie bekannt, dass sie in der Schweiz eine CO2-Filteranlage auf Industrieniveau bauen und betreiben werden, die weltweit erstmals CO2 an einen Kunden verkauft. Die Anlage soll Mitte 2016 einsatzbereit sein und 900 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr abscheiden können.
Ich finde das unglaublich und unverantwortlich, wenn der Staat so massiv und unüberlegt eingreift. Besonders junge Unternehmner bekommen die ganze Last zu spüren. Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: 50 %!!!
Unfassbar, eigentlich müsste der Staat diesen Leuten, die nicht der Allgemeinheit auf der Tasche liegen, einen Orden verleihen.