Am 1. Februar 2006 ging Supertext als erste webbasierte Textagentur mit einem «Text-Tuning-Service» online. 10 Jahre später gehört Supertext mit mehr als 700 freien und 30 festen Mitarbeitern an den Standorten Zürich, Lausanne und Berlin zu den 100 grössten Sprachdienstleistern weltweit. Wir haben uns mit Gründer Rinaldo Dieziger über die Anfangstage unterhalten, sein Buch «Papperlapapa» beleuchtet und die Bedeutung des Internets für seine Firma analysiert.
Vor fast genau zehn Jahren entschied sich der Werbetexter Rinaldo Dieziger ein Unternehmen namens Supertext zu gründen. In einer Medienmitteilung, die im Februar 2006 verschickt wurde, beschrieb er den brandneuen «Text-Tuning-Service» seines Startups folgendermassen: «Zuerst das Word-Dokument mit dem Textentwurf auf der eigenen Festplatte anklicken und dann die Optionen für das Text-Tuning wählen. Zur Wahl stehen zum einen die «Totalrevision», bei welcher der Schreibprofi vom Inhalt ausgehend einen völlig neuen Text anfertigt, und zweitens das ‚Feintuning‘, bei dem nur die orthographischen, grammatikalischen und stilistischen Stolpersteine entfernt werden.» Nun blickt Dieziger auf eine ereignisreiche Dekade zurück. Egal wie gross seine Stolpersteine waren, er hat sie alle überwunden. «Ich bin superfroh mit meiner Firma immer noch tätig zu sein», sagt er.
Bevor er Supertext gründete arbeitete er zehn Jahre lang als Texter und Kreativer bei verschiedenen Schweizer Werbeagenturen. Auf die Frage, wieso er sich für diesen Beruf entschied, sagt er mit einem Lächeln: «Als Texter brauchte man keine Ausbildung. Dieser Aspekt hat mir sehr gefallen.» Dieziger ist ein fröhlich aufgestellter Mensch. Diese Feststellung entnimmt man nicht nur aus dem Gespräch, sondern auch aus seiner LinkedIn-Seite in der Rubrik „über mich“. In den ersten Zeilen steht: «Dieziger – erstgeborener Sohn eines Gemeindepräsidenten – arbeitete am Fliessband einer Buchbinderei, verkaufte Raubkopien von Computerspielen, gründete eine illegale Radiostation, eine New-Wave-Band und wollte als Kind Astronaut, Sportreporter, Archäologe oder notfalls auch Gemeindepräsident werden.» Ob die New-Wave-Band noch existiert oder es gar mal zu einer Reunion kommen könnte, konnten wir leider nicht herausfinden.
Umbruch durch glücklichen Zufall
Als Dieziger vor einem beruflichen Umbruch stand, kam er durch Zufall in Kontakt mit dem Institut für Jungunternehmen. «Ich habe für Beat Schillig und seine Mitarbeiter als freier Texter gearbeitet», sagt er. «Um mehr über das IFJ zu erfahren, habe ich als Mitarbeiter an einem IFJ Businessplan-Kurs teilgenommen. Ich war der einzige der keinen Businessplan dabei hatte. Das musste ich ändern.» Angeregt von diesem Gründergeist entwickelte er eine Geschäftsidee, die er wenig später verwirklichte. Er gründete Supertext. Zur Seite standen ihm dabei Remy Blättler, ein Informatik-Profi, und sein Bruder Fabian, der den betriebswirtschaftlichen Background für den Aufbau und die Organisation lieferte und somit die Position als kaufmännischer Leiter einnahm. «Auch in einer Textagentur kommt es am Ende auf die Zahlen an», sagt Rinaldo Dieziger. Er bezeichnet sich nicht gerne als CEO von Supertext. Er ist lieber der „Chef vom Ganzen“. Sein Bruder ist der „Chef vom Business“ und Blättler ist der „Chef vom System“.
Die Innovation im Angebot von Supertext war, dass die Auftraggeber nicht mehr zu langen Gesprächen und Sitzungen vorbeikommen mussten, sondern dass mit einer eigens dafür entwickelten Web-Applikation alles online in Auftrag gegeben werden konnte. «Textagenturen gab es natürlich damals schon. Wir haben die Dienstleistung Texten so ‚produktifiziert‘, dass man sie online buchen kann. So wie ein Hotelzimmer oder einen Flug», erläutert Dieziger. Zwei Jahre später figurierte Supertext mit seinem webbasierten Abwicklungssystem auf der Liste von Red Herrings Europe Top 100 Technology Startups und brachte Dieziger mehrfach eine Nominierung als «Entrepreneur of the Year» ein. Er sagt: «Diese Nominierungen haben mich sehr gefreut und bestätigen, dass wir bei Supertext gute Arbeit leisten.»
Auch sonst ist Dieziger sehr beschäftigt. Er hält Referate für die nächste Startup Generation beim IFJ. Oder schreibt beispielsweise für den Tagesanzeiger im Mama-Blog regelmässig Beiträge. Die Nachfrage für seine Papa-Perspektive war so gross, dass er sich entschied ein Buch mit allen bereits veröffentlichten Texten herauszugeben. Das Buch „Papperlapapa“ handelt vom Alltag des Vaterseins. Das Buch sei für «Väter, Mütter und alle, die ihnen in die Quere kommen», sagt er. «Aber nicht nur. Viele Reaktionen auf die Blogs kamen von Leuten, die gar keine Kinder haben. Unter anderem von einem Pfarrer.»
Rasanter Aufstieg
Nach zehn Jahren gehört Supertext zu den 100 grössten Sprachdienstleistern weltweit und hat Standorte in Zürich, Lausanne und Berlin. Auch die Kundenzahlen und natürlich -wünsche sind gestiegen. «Die Unternehmen haben ziemlich schnell nach weiteren Sprachen verlangt. In der Schweiz ist vor allem Französisch, Italienisch und Englisch gefragt. Heute sind mehr als 30 Sprachen im Angebot», sagt Dieziger. Den ursprünglichen «Text-Tuning-Service» hat Supertext 2014 beendet und in ein Angebot für Korrektorat, Lektorat und Redaktion umgewandelt.
Dieziger nennt weitere Zahlen, die verdeutlichen, wie gross Supertext geworden ist: «Über die Plattform verwalten wir heute mehr als 5800 Kunden aus 2900 Unternehmen und mehr als 700 vertraglich gebundene Texter, Autoren, Übersetzer, Lektoren und Korrektoren ihre Aufträge und Jobs.» Mit dem Internet haben sich nicht nur Supertext als Textagentur, sondern auch deren Textaufträge verändert. Waren es vor 10 Jahren hauptsächlich Briefe, Broschüren, Flyer und Medienmitteilungen, schreibt und übersetzt Supertext heute Content für Webseiten, Blogs, Social Media, Online-Shops, Landing-Pages, Newsletter und Storyboards für Youtube-Filme. Gemäss Studien von Common Sense Advisory wächst der weltweite Übersetzungsmarkt jährlich um 6-7%. Der Bedarf an Inhalten und deren Lokalisierung nimmt im Banne der Globalisierung unaufhaltsam zu. Common Sense Advisory schätzt die Anzahl der übersetzten Webseiten nicht einmal im Promille-Bereich. Ein enormes Potenzial an Kunden ist also vorhanden.
Mitte 2014 wurde eine Filiale in Berlin eröffnet, die von Andrea Clausen geleitet wird. Sie ist die erste Mitarbeiterin von Supertext. Es ist möglich, dass es bald neue Standorte für Supertext geben könnte. Wohin die Reise geht, will Dieziger noch nicht verraten. Eines ist aber klar: Dem Mann mangelt es nicht an Superideen.