Der deutsche Top-Referent und Trainer Andreas Buhr beleuchtet am morgigen Vortrag von Startimpuls den Vertrieb 3.0 und den Kunden 3.0. Im Vertrieb ist ein neues Zeitalter angebrochen: Der Kunde 3.0 ist informiert, er handelt, ist viel mehr involviert und will seine Kaufentscheidungen mitgestalten. Das erfordere ein neues Denken und Handeln bei Unternehmen und im Vertrieb, sagt Buhr im Interview mit Startwerk.
Herr Buhr, wie charakterisieren Sie den Kunde 3.0?
Keine unternehmerische Disziplin hat sich in den letzten fünf bis sieben stärker verändert als der Handel. Die Kommunikation über iPhone und iPad haben alles verändert. Es gibt viel mehr hybride Verkaufswege. Kunden sind informierter als je zuvor. Der Kunde 3.0 kann sich im Internet über alles informieren – und das bedeutet das Ende des klassischen Verkaufs. Der Verkäufer muss heute mittels Fragen und Moderation den Kunden zu seiner eigenen Verkaufsentscheidung führen und ihn nicht überzeugen. Der Kunde muss eine noch viel höhere Sicherheit haben, dass der Verkäufer die Kompetenz hat, seine Fragen zu beantworten. Denn es gibt so viele verschiedene Wege heute, zu kaufen. Die Kundenloyalität ist hart zu erkämpfen. Die Verkäuferseite muss viel kompetenter sein – früher war der Verkäufer der Experte. Heute liegt die Expertise beim Käufer und das verändert den Kaufprozess vollständig.
Nehmen wir als Beispiel das Reisebüro: Die meisten Kunden wissen doch heute bereits mehr als der Berater im Reisebüro. Bedeutet das, dass es künftig keine Verkäufer und Berater mehr braucht?
Die Beratung macht heute die Maschine. Google findet alles, auf Tripadvisor stehen Bewertungen von Gästen und Kunden. Besonders beim Reisen manifestiert sich diese Entwicklung stark. Wer bucht den noch im einem Reisebüro? Da werden ganze Berufsfelder wegradiert werden. Aber auch andere Technologien sind auf dem Vormarsch. Ich habe kürzlich gelesen, dass in England ein ganzer Aston Martin mit einem 3D-Drucker ausgedruckt und gefahren wurde. Können Sie sich vorstellen, was dies für die Automobilbranche bedeutet? Die Technologie verändert alles – besonders den Prozess im Verkauf. Das nennen wir Kunde 3.0. Er hat eine neue sehr umfassende Expertise, und das stellt den Verkauf vor ganz neue Herausforderungen.
Viele Händler haben diesen Wandel verschlafen und eröffnen noch immer neue Filialen, um den Kunden dahin zu locken. Was ist die Lösung, um den Kunden 3.0 für sich zu gewinnen?
Ich kann Ihnen die Lösung nicht sagen, weil ich die Zukunft nicht kenne. Beim Handel werden heutzutage aber vier von fünf Entscheidungen hybrid getroffen. Das bedeutet, sie gehen in einen Laden, scannen den QR-Code oder suchen das Produkt auf Amazon. Das wiederum rückt den emotionalen Teil stärker in den Vordergrund. Die Leute müssen durch Erlebnisse im Laden gehalten werden, nicht mit dem Preis und dem Angebot. Weil in diesen Bereichen hat der physische Laden keine Chance gegen den Onlinehandel. Die Verweildauer des Kunden muss erhöht werden. Ikea macht das beispielsweise mit den Restaurants.
Aber letztendlich gewinnt der Onlinehandel doch.
Internet ist nicht die alternative Endlösung! Man muss offline und online gut sein. Die Antwort lautet nicht etwas, sondern beides. Wenn man in einen Laden geht, das Hemd nicht da ist, muss die Möglichkeit bestehen, dass man es gleich vor Ort aus dem Laden heraus übers iPad bestellen kann. In den Köpfen der Leute sind Veränderungen schwierig zu meistern. Menschen verändern ihr Verhalten nur, wenn es wirklich dringend ist. Die Konzerne merken, dass sie nun an den Kosten drehen müssen. Um dem hybriden Verkaufsprozess zu begegnen, müssen die Verkäufer wirklich fit sein. Sie müssen kompetent sein bei komplexen Fragen des Kunden, Fragetechniken lernen, Up- und Crosselling, Bescheid wissen, Aufklärung des Kunden leisten – all das muss gelernt werden. Das geschieht aber nicht von heute auf morgen. Es sind lange und kostenintensive Prozesse.
Aber leider erhalten die meisten Verkäufer Mindestlohn. Woher soll denn die Motivation kommen? Muss man die Leute nicht einfach besser bezahlen?
Dort wo die guten Leute sind, wird mehr bezahlt. Wenn sich der Verkäuferberuf nicht abschaffen will, dann müssen die Leute erfolgsbasiert bezahlt werden. In den USA kriegt kaum jemand ein fester Gehalt im Verkauf, sondern Provisionen. Wenn alle gleich viel erhalten, schläft der Laden ein. Wenn der Verkauf nicht messbar ist, beispielsweise variabel bei 20 Prozent des Lohns. Gute Leute sind aber nicht geldmotiviert – aber diese zu finden, ist schwierig. Das Mittelfeld kann man mit einer intelligent gemachten Provisonsbasis fit machen. Starke Verkäufer müssen richtig eingesetzt werden. Elefanten können nicht fliegen, aber schleppen können sie gut. Man sollte die Leute da einsetzen, wo sie gut sind. Das gelingt nur, wenn man das immer wieder neu bewertet.
Ein weiterer Vorteil des Onlinehandels ist, dass er durch Algorithmen genau weiss, was der Kunde will und das Angebot massgeschneidert anbieten kann. In einem physischen Laden ist das kaum möglich. Wie begegnet der Offline-Handel dieser Tatsache?
Dem kann der physische Handel nicht begegnen. Der Onlinehandel schlägt jedes Gedächtnis eines Verkäufers. Wir können aber feststellen, dass emotionale Entscheide immer zuerst kommen, vor den rationalen. Der emotionale Teil ist immer dominierender. Deshalb gehen die Leute immer noch ins Kino anstatt alles zu Hause auf Netflix zu gucken. Die Leute brauchen Erlebnisse, sie brauchen ein gutes Gefühl. Dann können sie leichter nachhaltige Kaufentscheidungen in einer guten Atmosphäre fällen.
Startimpuls-Event morgen Dienstag, 7. Oktober bei Die Mobiliar in Bern. Mehr Informationen gibt es hier.
Das Buch „Führung im Vertrieb – 7 Schritte zur einfachen Vertriebsführung“ von Andreas Buhr gibt es online zu kaufen.