Das personalisierte Musikfernsehen Rayneer gehörte zu den Highflyers der Schweizer Startup-Szene – vor rund einem Jahr erhielt das Zürcher Unternehmen in einer Finanzierungsrunde zwei Millionen Franken, unter den Investoren die ZKB und Wilmaa. Diverse Medien berichteten damals über das Konzept von Rayneer. Nun muss das Unternehmen Konkurs anmelden. CEO und Gründer Oliver Flückiger erklärt die Gründe im Interview.
Lieber Oliver, du hast uns kontaktiert, weil du uns News über Ryaneer mitteilen wolltest. Was sind die News?
Ryaneer ist Konkurs. Es geht leider nicht weiter mit unserem Unternehmen.
Rayneer war eines der finanziell am stärksten unterstützten Startups der letzten Jahre in der Schweiz. Nun muss euer Startup Konkurs anmelden. Weshalb die überraschenden News?
Wir haben Ende August ein Darlehen von einem unserer Investoren nicht erhalten, mit dem wir fest gerechnet haben. Dadurch war die Liquidität des Unternehmens nicht mehr gesichert, wir konnten unseren Mitarbeitern kurzfristig keine Löhne mehr bezahlen.
Die Finanzierungsrunde von zwei Millionen Franken war vor einem Jahr. Habt ihr in diesem Jahr alles Geld ausgegeben?
Wir haben viel Geld in die Entwicklung investiert und mehrere grosse Werbekampagne auf allen Privatsendern lanciert. Zudem hatten wir teure Lizenzverträge mit den Musiklabels, um unseren Content zu bespielen. Dazu kommen die Lohnkosten für acht Angestellte. Wir haben aber nie unnötig Geld verbrannt, sondern im Gegenteil unsere Cash Burn Rate so tief wie möglich gehalten. Es zeigt in erster Linie auf, dass auch eine für die Schweiz relativ grosse Finanzierungsrunde von zwei Millionen Franken sowie namhafte Investoren leider nicht vor dem Scheitern schützen können.
Sind eure Investoren abgesprungen?
Nein. Das besagte Darlehen ist Fremdkapital, also kein Investment. Wir waren in der Vorbereitung einer neuen Finanzierungsrunde – aber wenn die nicht mehr gesichert ist, stellt das eine Firma vor ganz andere, akute Probleme: Man kann den Betrieb nicht mehr aufrecht erhalten, weil das Geld fehlt, und schafft es nicht mehr zur nächsten Finanzierungsrunde An dieser Stelle möchte ich aber sagen, dass wir von der Zürcher Kantonalbank und den Business Angels zu jeder Zeit tollen Support erhalten haben.
Inwieweit hat die Entwicklung von Rayneer eine Rolle gespielt?
Wir waren mit über 100 000 Unique Usern pro Monat auf Kurs, das lief sehr gut. Bei der Monetarisierung waren wir im Rückstand. Das ist aber wohl bei jedem Startup so. Wir hatten hohe Kosten für die Lizenzrechte, also die Bezahlung der Musikvideos. Diese Kosten waren – im Nahhinein betrachtet – definitiv zu hoch. Gleichzeitig sind wir aber mit unserer Technologie weit voran geschritten und haben einen Prototyp für Serien und Filme entwickelt, also massgeschneidertes Fernsehen mit Dokus, Serien und Spielfilmen. Das war auch so im Businessplan vorgesehen.
Wann war es klar, dass Rayneer Konkurs geht? Kam es überraschend für dich?
Ende August war klar, dass dieses Darlehen nicht kommt. Das anschliessende Meeting mit den Mitarbeitern war der schlimmste Moment in meinem bisherigen Leben: Ich musste vor die Mitarbeiter stehen und ihnen sagen, dass es nicht weiter geht. Für unsere Angestellten war Rayneer nicht einfach ein Job, sie haben viel Herzblut in diese Sache gesteckt. Aus Überzeugung. Unsere Mitarbeiter haben Rayneer genauso gelebt wie wir als Gründer. Es war besonders hart, weil es so überraschend kam. Als Startup muss man immer damit rechnen, dass etwas schiefgeht, beispielsweise eine Finanzierungsrunde nicht zustande kommt. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass man scheitert. Aber die meisten können sich wenigstens darauf vorbereiten und den Betrieb geordnet herunterfahren.
Aber nochmals: Ihr seid in der Schweizer Startup Szene durch die Finanzierungsrunde herausgestochen, die Medien haben oft über euch berichtet, ihr habt Preise abgeräumt. Warum seid ihr trotzdem gescheitert?
Unser Beispiel zeigt, dass man viel Support haben kann – sei es von den Medien, von Investoren, von den Usern – aber es kann am Schluss trotzdem nicht klappen. Man ist von sehr vielen Faktoren abhängig. Zwei Millionen Franken sind in der Schweiz ein relativ grosses Investment, aber im internationalen Vergleich unbedeutend. In den USA geben manche Startups in zwei Monaten zwei Millionen Dollar aus. Dadurch hatten wir zu wenig Zeit, in Ruhe weiterzuentwickeln und uns auf das Produkt zu konzentrieren. Wir hatten ständig auch den Druck, dass wir unser Startup so rasch als möglich monetarisieren müssen und waren gezwungen, rasch Umsatz zu generieren, und konnten uns vielleicht zu wenig auf das Produkt selber fokussieren.
Wie geht es nun weiter?
Wir werden heute die Plattform abschalten, damit nicht noch mehr Kosten entstehen. Dann haben wir alles vorbereitet, den Konkursrichter zu informieren und unsere Bilanz zu deponieren. Und ja, wir räumen zurzeit unser Büro. Zudem versuchen wir, unsere Technologie noch irgendwie sinnvoll zu nutzen. Aber es wird kein personalisiertes Musikfernsehen mehr unter dem Namen Rayneer geben.
Was sind deine Lehren aus der Zeit bei Rayneer?
Ich habe mich vor vier Jahren zum ersten Mal mit der Idee von Rayneer beschäftigt. Damals habe ich einen Satz von einem Unternehmer gelesen, der auch mit einem Startup in der Musikbranche gescheitert ist. Er sagte: „Macht nie was im Musikbereich!“ Ich habe das natürlich nicht geglaubt (lacht). Jetzt habe ich selber gesehen, dass die Musikbranche ein hartes Pflaster ist. Wir haben bestimmt einige Fehler gemacht…Aber in den Momenten, in denen wir eine Entscheidung fällen mussten, haben wir immer nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt. Deshalb dürfen wir uns nicht zu viele Vorwürfe machen
Welche Fehler habt ihr gemacht?
Wir haben zu wenig Geld gesammelt – zwei Millionen Franken sind zu wenig, wie wir jetzt im Nachhinein wissen. Vielleicht haben zu früh teure Lizenzverträge abgeschlossen, aber ohne die hätten wir gar keinen Content gehabt. Vielleicht haben wir zu früh an der Monetarisierung gerbeitet, aber auch das ging nicht anders. Wir haben aber definitiv zu früh TV-Werbung gemacht. Wir haben sicher auch vieles richtig gemacht: Wir haben eine tolle Technologie entwickelt, 100‘000 Unique User pro Monat gewonnen, wir hatten einen professionellen Verwaltungsrat und doch auch einige Preise gewonnen. Wenn ich etwas mehr Abstand gewonnen, habe, muss die Geschehnisse aber erstmal in Ruhe analysieren,.
Im Gegensatz zu den USA wird in der Schweiz Scheitern immer noch stark verurteilt. In den USA werden Entrepreneurs, die noch nie gescheitert sind, hingegen kaum unterstützt. Wie ist das bei dir – gründest du ein neues Startup?
Ich muss nun erstmal in die Ferien gehen und mich sicher nochmals intensiv mit Rayneer beschäftigen, dann schaue ich weiter. Danach bin ich für alles offen. Ich habe sehr viel gelernt – schon nur bei der Finanzierungsrunde. Als Gründer lernst du so viele spannende Menschen kennen, kennst dich nachher besser mit juristischen Fragen aus und hast wahnsinnig viele Erfahrungen gemacht. So w ich mich kennen, werde ich bestimmt wieder ein Startup gründen. Einige unserer Business Angels haben mir gesagt, dass Wichtigste für sie sei, dass sie bei meinem nächsten Startup wieder investieren dürfen. Das ist natürlich ein kleiner Trost.