PrognosiX hat bei Venture Kick die erste Stage erfolgreich gemeistert. Das Startup entwickelt eine neue Art von Absatzprognosen für den Handel. Mit ausgereiften Algorithmen kann die Technologie Informationen liefern, wie viel Stück eines Artikels ein Lebensmittelhändler bestellen soll, erklärt Gründer Peter Kauf im Interview mit Startwerk.
ProngosiX AG entwickelt zusammen mit dem IAS Institut für Angewandte Simulation der ZHAW eine neuartige Business Intelligence Lösung für Absatzprognosen im Lebensmittelhandel. Durch eine nachhaltige, signifikante Verbesserung von Absatzprognosen sollen Planungsprozesse optimiert werden. Lebensmittelhändler können dadurch Lebensmittelabfälle reduzieren, die Verfügbarkeit der nachgefragten Produktpalette steigern (weniger Stock-Out), Produktionsprozesse planbarer machen, Lagerkosten reduzieren, Transportlogistik optimieren und Kundenbindungen nachhaltig festigen.
Peter Kauf, gratuliere zur Teilnahme an Venture Kick. Wie viel bedeutet dir die Teilnahme an diesem Wettbewerb?
Es hat mich sehr gefreut, weil es eine Bestätigung für mich als Unternehmer ist und ich mich durch Venture Kick nun in einem spannenden Netzwerk befinde. Dieser unternehmerische Geist ist wichtig für mich, da ich von Hause aus eigentlich Wissenschaftler bin.
Was ist dein Background?
Ich habe an der ETH Mathematik studiert, habe in Angewandter Mathematik doktoriert und arbeite nun seit drei Jahren an der ZHAW. Dort forsche ich im Bereich Prognosen. Ich glaube auch, dass an der ZHAW viel Potenzial brach liegt. Unsere Forschung ist sehr praxisorientiert und eine Anwendung der entwickelten Konzepte und Produkte in der Industrie gehört zum Alltag.
Dein Startup PrognosiX möchte die Absatzprognosen im Handel revolutionieren. Weshalb braucht es diese Technologie?
Mit unserer Softwarelösung kann man die Lebensmitteleinkäufe besser planen. Das führt zu weniger Abfall bei Nahrungsmitteln und zu einer Reduktion der Lagerbestände bei gleichzeitig besserer Verfügbarkeit der Produkte. Die Themen Forecasting und Prognosen sind im Handel sehr wichtig und führen zu mehr Stabilität in der gesamten Supply Chain. Nehmen wir z.B. ein Lebensmittelgeschäft am Hauptbahnhof: an einem schönen Tag wird mehr Glace verkauft als bei Regenwetter. Gleichzeitig ist vielleicht noch ein Fussballspiel im Letzigrund. Die Disposition muss all dies in ihrer Planung berücksichtigen, und nicht nur für Glacé, sondern für alle Artikel im Sortiment. Ein Mensch mit viel Erfahrung kann eine solche Disposition sehr gut machen, unsere Algorithmen sollen diese Menschen nicht ersetzen, sondern sie gezielt mit zuverlässigen Prognosen unterstützen.
Das bedeutet, dass künftig kein einziger Ice Tea mehr weggeworfen werden muss…
Vorhersagen basieren auf systematischen Effekten, beispielsweise wenn es schönes Wetter ist verkauft man mehr Ice Tea. Aber es hängt auch von Zufällen ab: Ob jetzt die Familie Müller an diesem Tag in diesem bestimmten Laden einkauft, können wir nicht vorhersagen. Eine punktgenaue Berechnung ist deshalb kaum möglich. Aber mit den systematischen Effekten können wir bereits viel rausholen.
Welche Faktoren beeinflussen den Einkauf von Lebensmitteln?
Die Planer, die Lebensmittel einkaufen, stützen sich auf Wetterprognosen, Erfahrungswerte, Wochentage etc. Zahlreiche externe Faktoren wirken aber ebenfalls auf den Einkauf ein. Unsere Lösung hat einerseits eine Anbindung an die Datenbank unseres Kunden, aber anderseits auch an Daten, die online verfügbar sind. Das bedeutet, Daten aus Wetterprognosen oder Feiertage fliessen direkt in die Prognose ein. Unser Tool sammelt diese Parameter und fügt sie passgenau ins Gesamtbild ein.
Wie arbeitet ihr mit den Händlern zusammen?
Die grossen Detailhändler in der Schweiz verfügen bereits über Warenwirtschaftssysteme, deren Prognosefunktionalität allerdings noch viel Potential offen lässt. Mit dem Warenwirtschaftssystem haben wir einen Teil der Datengrundlage, die wir für unsere Prognosen brauchen. Den anderen Teil mit Informationen z.B. zum Wetter beziehen wir extern. Ziel ist dabei, dass der Handelsdisponent in seinem Arbeitsablauf nur marginal Änderungen umsetzen muss und alle Informationen von PrognosiX über sein gewohntes Dispo-Programm abrufen kann. Mit der Softwarelösung von PrognosiX kann der Händler Geld sparen, die Umwelt schonen und die Lieferkette stabiler machen. Den grössten Impact erwarten wir im Bereich von „ultra fresh food“. Damit sind u.a. Gemüse und Früchte gemeint, die leider viel zu oft im Abfall landen. Der finanzielle Aspekt davon ist für unsere Kunden wichtig, sehr zentral ist aber auch der Nachhaltigkeitsgedanke und die Sensibilität in der Bevölkerung gegenüber Food Waste. Unser Produkt entwickeln wir zurzeit in Zusammenarbeit mit einem Bereich eines grossen Schweizer Detailhändlers.
Was sind deine Pläne für die Zukunft? Was sind die nächsten Schritte?
Wir sind in der Phase der Produktentwicklung, die konkrete Implementierung der Software ist im Rahmen eines Projektes mit der ZHAW aufgegleist. Wir verfügen über langjährige Forschungs- und Entwicklungserfahrung mit den Algorithmen, die wir für die Vorhersagen einsetzen werden. Ich bin sehr zuversichtlich, dass dies gelingt, weil wir ein eingespieltes Team haben und mit der ZHAW zusammenarbeiten.
Wer sind eure Competitors?
Es gibt verschiedene Gruppen von Konkurrenten: Einerseits sind die heute gängigen Warenwirtschaftssysteme bereits mit Forecasting-Tools ausgerüstet. Wobei diese aber nicht so breit abgestützt sind und aus verschiedenen Quellen schöpfen können wie unsere Software das können wird. Ein grosser Hersteller eines solchen Systems arbeitet mit PrognosiX zusammen. Dann gibt es die Konkurrenten aus dem Bereich Big Data. Dort verfolgen wir die Entwicklungen aufmerksam, grenzen uns aber klar durch die Fokussierung auf die sehr spezielle Datenlage des Lebensmittelhandels ab.
Kann man die Technologie auch in anderen Märkten ausserhalb von Lebensmittelhandel anwenden?
Das Potenzial ist gross, etwa in der Gastronomie. Dort fällt noch mehr Food Waste an als bei Detailhändlern Es gibt aber noch ganz andere Bereiche, wo Vorhersagen mit externen Faktoren eine gewichtige Rolle spielen, etwa bei der Personalplanung für eine Notaufnahme eines grossen Spitals. Die Abläufe in diesem Bereich unterscheiden sich auf den ersten Blick zwar markant vom Lebensmittelhandel, aber die Vorhersageproblematik lässt sich sehr direkt übertragen. Grundsätzlich ist die Technologie in verschiedenen Branchen einsetzbar, in denen präzisere Prognosen einen hohen Stellenwert haben und dadurch auch eine entsprechende Wertschöpfung ermöglichen.