Im Internet kann man mittlerweile fast alles auf unzähligen Online-Plattformen kaufen – doch ein Markt ist online bis jetzt kaum vertreten: Der Brillenmarkt. Obwohl es um Milliarden geht – ähnlich wie in der Parfümerie- und Kosmetikbranche. Das hat auch das junge Brillenlabel Viu aus Zürich erkannt verkauft seine Brillen ohne Zwischenhandel direkt an die Kunden. Dieses Konzept scheint zu funktionieren – drei Monate nach Start ist Viu ziemlich erfolgreich unterwegs.
Konsumgüter wie Kleider, Bücher oder Möbel lassen sich heute in grosser Auswahl online shoppen. Für die meisten Produkte muss man als Kunde nicht mehr in einen Laden, sondern die nächste Anschaffung ist nur einige Mausklicks weit entfernt. Ein Markt hinkt diesem Trend jedoch deutlich hinterher – der Brillenmarkt. „Brillen sind im Onlinehandel noch nicht wirklich angekommen und werden primär im optischen Fachhandel gekauft. Das geschieht, weil der Kunde kaum Erfahrung mit dem Produkt Korrekturbrille hat und lieber keine Risiken eingehen will. „Die Zeche bezahlt am Ende der Kunde, da er die hohen Kosten der Optikerdistribution trägt, ohne dass der Preis unbedingt die Qualität des Produkts widerspiegelt“, sagt Kilian Wagner vom jungen Brillenlabel Viu aus Zürich. Aufgrund der hohen Distributionskosten über den Fachhandel sind die Preise für den Endkunden mit CHF 600 dementsprechend hoch.
Das Viu Team, bestehend auf zwei Zürcher Designern, zwei ehemaligen HSG-Absolventen und einem Optiker möchte nun frischen Wind in den Brillenmarkt bringen. Das Rezept: Den Zwischenhandel ausschalten, eigene Designs, enge Zusammenarbeit mit einer italienischen Manufaktur und direkter Vertrieb an den Endkunde. Anstatt durchschnittlich 600 Franken für eine Korrekturbrille zahlt der Kunde dann noch einen Drittel, nämlich CHF 195 mit den Korrekturgläser. Für diesen Preis kriegen Brillenträger bei Viu ein frisches und modernes Design, sowie handgefertigte Brillenfassungen. Fielmann habe vor 40 Jahren den Markt mit einem neuen Vertriebssystem revolutioniert, sagt Kilian. „Aber seitdem hat sich die Branche kaum verändert, und ist noch lange nicht im digitalen Zeitalter angekommen „.
Dabei unterstreicht Kilian, dass Viu kein reiner Onlineshop für Brillen sei, sondern eine Verbindung aus „online und offline Erlebnis“. Denn reine Online-Angebote gibt es bereits – wie beispielsweise Mister Spex oder Smartbuyglasses, wo man Markenbrillen zu relativ günstigen Preisen kaufen kann. „Wir sind eine eigenständige Brillenmarke, designen unsere Modelle selbst und lassen sie in einer kleinen Manufaktur in den italienischen Dolomiten in 80 Schritten herstellen“, sagt Wagner. „Beim Vertrieb brechen wir mit bestehenden Strukturen und verkaufen direkt an den Endkunden. Unsere Brillen gibt es nicht beim Optiker, sondern online und in ausgewählten Fashionboutiquen“. Das Designerteam Christian Kägi und Fabrice Aeberhard, die auch schon erfolgreich die Taschenmarke Qwstion etabliert haben, entwarf für die erste Kollektion 14 Modelle
Viu hat in der Schweiz laut Kilian einen erfolgreichen Start hingelegt. „Seit dem Launch vor rund drei Monaten wurden wir von der starken Nachfrage so überrascht, dass innerhalb der ersten Wochen mehrere Modelle bereits ausverkauft waren“. Im April eröffnet Viu seinen ersten Flagshipstore an der Grüngasse in Zürich. Dort kann der Kunde die gesamte Kollektion lokal anprobieren und auch die passenden Gläser dazu bestellen. Das Design und der Preis der Brillen scheint die Kunden überzeugen. Zudem stimmen auch die Komponenten rund um das Produkt: Mit dem Slogan „Framing characters“ haben die jungen Brillenmacher für ihr erstes Katalog-Shooting keine professionellen Modells eingesetzt, sondern Persönlichkeiten wie Anna Meier aus der Zürcher Szene gewinnen können.
Durchschnittlich kauft ein Brillenträger in der Schweiz alle drei Jahre eine neue Brille – und berappt für teure Designerbrillen oft mehr als 600 Franken. Notabene nur für das Gestell. Bei Fielmann & Co. finden jüngere, modebewusste Brillenträger zwar günstere Angebote, aber das Design- und Qualitätserlebnis ist oft nur Mittelmass. „Der Käufer entscheidet sich dadurch oft und auch wegen dem Preis für eine schwarze, gängige Brille, die er in allen Lebenslagen tragen kann. Das ist aber meist auch die langweiligste Variante“, sagt Kilian. Viu wolle die Brille noch mehr in ihr Umfeld stellen, wo sie als modisches Accessoires hinpasst. In ein Fashionumfeld, das aber trotzdem Qualität und Design zu einem vernünftigen Preis bietet.
Trotz dem günstigen Preis leide die Qualität nicht, versichert Kilian. „Unsere Manufaktur in den Dolomiten arbeitet seit mehr als 40 Jahren mit unabhängigen Designerlabels zusammen. Der Rahmen wird in über 80 manuellen Schritten gefertigt. Damit können sie auf unsere Qualitäts- und Designansprüche eingehen“. Die Gläser für die Brillen bezieht das Label von einem Optiker aus Zürich – Müller Optik. Weil der Zwischenhandel wegfällt, muss Viu aber auch dafür sorgen, dass der Kunde seine künftige Brille trotzdem berühren und testen kann. In der Schweiz bietet das Label deshalb nebst den Fashionboutiquen eine „Try at home“ Option an: Der Kunde bestellt online vier Brillen und erhält diese für vier Tage kostenlos nach Hause geschickt – dabei kann er sich ohne Druck die Brillen anschauen und auch direkt bestellen. Eine Woche später bekommt der Kunde die Brille dann mit den geschliffenen Gläsern zugeschickt. „Durch die Kontrolle der gesamten Wertschöpfungskette – Design, Produktion, Verkauf – kosten unsere Brille mit hochwertigen Korrekturgläser nur knapp zweihundert Franken“, sagt Kilian Wagner.
Bevor Wagner sein Label gründete, war er als Strategieberater bei McKinsey tätig – der klassische Karriereweg eines HSG-Absolventen. Er schaut gerne auf die Zeit zurück und sagt: „Ich habe bei McKinsey vieles gelernt und diese Erfahrungen haben mir bestimmt auch bei der Umsetzung des eigenen Projekts geholfen. Wenn man sich nach dem Studium noch nicht sicher ist, was und in welcher Industrie man gerne arbeiten würde, dann ist die Beratung eine sehr gute Ausbildung, auch im Hinblick auf ein eigenes Startup“. Mit dem Start seines Brillenlabels setzt Kilian allem Anschein nach auf das richtige Pferd. Denn der Brillenmarkt hat noch grosses Aufholpotenzial bevor die Brille im digitalen Zeitalter ankommt.
http://www.warbyparker.com mee-too – oder was ist der Unterschied?
Toller Beitrag. Hört sich nach einer tollen Geschäftsidee an. Ich persönlich würde es auch gerne mal austesten….
Wie wird die optische Zentrierung bestimmt? Denn an der ungenauen Zentrierung und damit an schlecht funktionierenden Brillen ist der Internethandel am meisten gescheitert.
Anhand eine Vorhandener Brillenpass oder anhand einer Kreditkarte kann der mittelpunkt des auge ausgerechnet werden.
Als langjährige Brillenträgerin stehe ich dem Online-Handel mit BrillenGLÄSERN kritisch gegenüber und rate,zumindest zur korrekten Abmessung, zum Gang in den stationären Handel.Die nötigen Geräte sind ‚live‘ vor Ort.(Und auch nicht den günstigsten Optiker).Auch da gibt es enorme Unterschiede.Ich denke,gerade bei Brillen-Neulingen besteht evtl die Gefahr des falschen Sehens durch falsch eingestellte Gläser,denn anfangs ist es sehr schwer,das gute und korrekte Sehen richtig einzuschätzen,also ‚ wie sehe ich richtig durch mein Nasenfahrrad,ohne Schädigung der Augen?‘ und es werden evtl vorschnell falsche Entscheidungen getroffen.Gut und wichtig ist das probieren der ‚Hardware‘ zu Hause.Ohne das wäre ein online Brillenkauf nicht wirklich möglich.Denkt an Euren Style,der leidet schon unter der minimalen Veränderung im Gesicht.Eine langjährige,teils geplagte Brillenträgerin :)