Am Swiss Talent Forum 2014 von „Schweizer Jugend forscht“ in Thun denken 70 junge Erwachsene diese Woche Ideen über Ideen über die Zukunft der Arbeit nach. Neben einem speziellen Ideenprozess wird das Forum von Vorträgen von hochrangigen Referenten begleitet – wie etwa Joachim Schoss, Gründer von Scout24 oder Karin Vey vom IBM Forschungszentrum. Startwerk.ch hatte die Gelegenheit, mit den Referenten über das Thema „Grossunternehmen kaufen Startups“ zu sprechen.
Das Swiss Talent Forum ist eine jährliche Veranstaltung von der Privatstiftung „Schweizer Jugend forscht“. Jugendliche und junge Erwachsene aus ganz Europa entwickeln dabei Ideen und Konzepte für die Welt von morgen. Die Teilnehmer zwischen 17 und 22 Jahren sind „Talente“, die nach einem bestimmten Prozess ausgewählt werden. Das Swiss Talent Forum findet in diesen Tagen unter dem Leitthema „Brave New Work – The Future of Work“ in Thun statt. Die Sprache am Forum ist Englisch. In einem speziellen Ideenprozess, entwickelt von Innovationsexpertin und Forums-Moderatorin Nadja Schnetzler, und unter der Eventleitung der Zürcher Agentur Standing Ovation, entwickeln die Teilnehmer konkrete Ideen und Visionen für eine Arbeitswelt 2024. Neben dem Ideenfindungsprozess wird das Panel auch von Speeches von hochrangigen Referenten aus den Bereichen Innovation und Arbeit begleitet – eine spannende Gelegenheit für die jungen Erwachsenen, einen Input von Vertretern aus der Arbeitswelt zu erhalten. Startwerk.ch hatte Gelegenheit, am Rande der Veranstaltung mit den fünf Referenten über eine spannende Frage rund um Startups zu sprechen: Grossunternehmen kaufen Startups auf, um durch sie mehr Innovation zu erwerben. Wie sinnvoll ist diese Entwicklung?
Birgit Gebhardt, Trendexpertin aus Hamburg
„Grossunternehmen können von Startups profitieren – wie bleiben wir agil, wie können wir Innovation fördern? Als grosser Tanker ist man oft nicht wirklich agil. Aus den IT-Unternehmen kommen zurzeit Entwicklungen wie Running Teams oder neue Designprozesse. Grossunternehmen versuchen diese Methoden aus Jungunternehmen abzuleiten und in ihre eigenen Innovationsabteilungen zu integrieren. Das beginnt schon damit, dass Startups sehr viel passionierter mit Ideen umgehen und diese dann einfach MACHEN. Solche Vorgehen sind in einem Grosskonzern oftmals nicht möglich – deshalb kauft man diese Innovationsförderer dazu. Wünschenswert wäre aber eine gegenseitig Befruchtung: Die Methoden von Startups sollten in einzelnen Abteilungen von Grosskonzernen umgesetzt werden. Bei der Integration eines Startups, bei dem der Anteil des Grosskonzerns bei über 50 Prozent liegt, besteht die Gefahr, diese gesuchten Innovationsprozesse zu hemmen. Die Amerikaner kaufen am Anfang oft weniger Anteile und lassen die Startups dann innerhalb des Konzerns einfach machen – und evaluieren am Ende des Jahres wie es weitergehen soll. Startups können wiederum in Sachen Skalierung und Wirtschaftlichkeit von Grossunternehmen profitieren.“
Joachim Schoss, Gründer von Scout24 und MyHandicap
„Es gibt eine Gesetzmässigkeit über die Verteilung von Innovation. Etablierte Unternehmen sind gut in der inkrementellen Innovation, also in der Verbesserung von Bestehendem, während bahnbrechende Innovationen meist nur von Startups kommen können. Am Beispiel einer Zeitung: Sie muss täglich mehrere Hunderttausend Leser befriedigen. In diesem Prozess bleibt wenig Platz für Innovation, Spielraum für Neues, Out-of-the-Box-Denken. Das Startup hingegen bezieht seine Existenzberechtigung daraus, eine möglichst grosse Innovation zu bringen. Wenn ich zu einem Venture Capitalist gehe und nach Geld für eine Idee frage, die wenig von Bestehendem abweicht, bekomme ich das kaum. Damit sollte ich zu einem Unternehmen gehen, dass bereits bestehende Strukturen aufweist. Die Daseinsberechtigung für Startups sind Innovationen. Deshalb ist es logisch, wenn ein Startup eine gewisse Grösse erreicht hat, selber über einen grösseren Kundenstamm verfügt – und der Fokus weg von der Revolution hin zur täglichen Bedienung von Kunden geht, braucht auch ein Startup Controlling und Organisation. Zu diesem Zeitpunkt ist ein Grossunternehmen dann wohl der bessere Eigentümer. Die Revoluzzer, die das Startup gegründet haben, widmen sich dann meist einem neuen Projekt.
Stefan Camenzind, Partner bei Camenzind Evolution (Google Office Zürich)
„Die Firmen, die Jungunternehmen dazukaufen, sind sich bereits bewusst, dass sie träge geworden sind. Das ist oftmals das Problem einer wachsenden Firma, die eine bestimmte Grösse erreicht hat. Einige kaufen sich Jungunternehmen dazu, die agiler sind. Die Frage ist nun, wie gehen sie mit dieser Agilität um. Es ist aber ein erster Schritt, um zu verhindern, durch fehlende Innovation abzusteigen.“
Stephan Feldhaus, Head of Group Communication F.Hoffmann-La Roche
„Bei Roche haben wir eine Unternehmensstrategie, die sich in einem Wort zusammen fassen lässt: Innovation. Diese Innovation ist nicht nur durch grosse Forschung/Entwicklung- Ausgaben – rund neun Milliarden Euro pro Jahr – getrieben, sondern auch durch Freiräume bei Forschern. Nur dann entsteht Innovation. Wir betreiben so genannte Innovation Hubs, die fast kompetativ sind zueinander und die unabhängig agieren. Bei Roche haben wir keinen globalen Forschungsleiter, der alle über einen Kamm schert und ausrichtet. Unser Vorgehen wird auch institutionell geschützt. Mit dieser Überzeugung und Flexibilität werden über 90 Prozent der Innovationen im Bereichen „Medical Need“ ausserhalb des Unternehmens entwickelt. Wir wissen, dass Innovationen nicht von uns inhouse stammen. Wir haben hunderte von Partnerschaften mit wissenschaftlichen Institutionen, Lehrstühlen, Forschern, Laboren und Einzelpersonen auf der ganzen Welt. Wir bieten Ihnen vor allem eins: Wir unterstützen sie, wenn ihre Forschung an einen Punkt kommt, wo sie allenfalls mehr Geld für die Forschung benötigen. Trotzdem lassen wir ihnen den Freiraum. Selbst bei grösseren Akquisitionen, selbst bei über 50 Prozent der Anteile, sind diese erworbenen Unternehmen institutionell geschützt und wir schalten sie nicht gleich. Das geht soweit, dass wir auch den Brandname dieser Unternehmen bestehen lassen. Wir sind überzeugt, dass Innovation nur entstehen kann, wenn der Forscher frei und flexibel sind. Wenn man ihnen sagt, was sie erfinden müssen, kommt dabei nur das raus, was wir selber schon haben.“
Karin Vey, Executive Briefing Manager IBM Forschungszentrum:
„Wir leben in einer hochkomplexen Welt und die Herausforderungen im Bereich der Innovation sind sehr vielfältig und schwierig geworden. Selbst ein Grossunternehmen kann diese nicht alleine in den Griff bekommen. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass Innovation bei weitem nicht aus den Unternehmen selbst kommen. Sie stammen nicht nur aus der R&D-Abteilung, sondern auch den Mitarbeitern, von Partnern oder Universitäten. Startups sind in diesem Bild als ein Impulsgeber zu sehen. Sie machen den Spannungszustand zwischen dem Startup und dem Unternehmen aus – und fördern die Kreativität. Und dieser Spannungsbogen darf auf keinen Fall beseitigt werden. Startups dürfen nicht integriert werden und dann gleich gemacht werden wie das Grossunternehmen beziehungsweise der Käufer. Freiräume müssen bestehen bleiben, ansonsten sind sie nicht mehr Teil dieser anderen, befruchtenden Kultur. Diese Freiräume müssen beim Verkauf mit Rahmenbedingungen festgelegt werden.“
Mehr Informationen über das Swiss Talent Forum 2014 in Thun finden Sie in Kürze auf Startwerk.ch.