Bei Doodle ziehen sich die beiden Gründer Myke Näf und Paul E. Sevinç schrittweise zurück (Startwerk.ch berichtete). Im Interview mit Startwerk.ch erzählen sie von ihren Herausforderungen als Unternehmer, von der Mehrheitsbeteiligung des Medienkonzerns Tamedia und Pläne für die Zeit nach Doodle, das mittlerweile über 15 Millionen User weltweit hat.

Geben die Führung von Doodle ab: Michael Näf (r.) und Paul Sevinc

Geben die Führung von Doodle ab: Michael Näf (r.) und Paul Sevinc

Myke Näf (40) und Paul E. Sevinç (38), ihr zieht euch von eurem Unternehmen Doodle zurück. Was ist euer Fazit nach sieben Jahren Doodle?
Myke Näf: Das Fazit ist sehr erfreulich. Doodle ist erfolgreich unterwegs und wir übergeben eine Firma in gutem Zustand.

Paul E. Sevinç: Die Zeit bei Doodle war auch sehr erfüllend, wir hatten grosse Freude an der Arbeit.

Warum kommt jetzt dieser Schritt? Hat es mit der Mehrheitsübernahme durch Tamedia in diesem Jahr zu tun? Oder wollt ihr euch einfach neuen Projekten zuwenden?
Myke Näf: Es sind verschiedene Aspekte – einer ist sicher banal: Alle Projekte enden irgendwann. Der jetzige Zeitpunkt passt. Die Firma steht gut da, die Aufbauarbeit ist getan. Bei uns ist die Lust da, etwas Neues zu machen.

Paul E. Sevinç: Bei mir ist der Fächer breit, was ich nach meiner Zeit bei Doodle machen möchte. Jetzt, wo der Alltag dann etwas ruhiger wird, habe ich auch Zeit, intensiv zu überlegen, was ich mittelfristig machen möchte. Es gibt keinen Zwang, wieder ein Projekt mit Myke zu machen, reizvoll wäre es jedoch wieder. Bei mir liegt die Zukunft auf jeden Fall nach wie vor in der Informatik, insbesondere im Web. Vielleicht entwickle ich einen neuen Dienst, aber kann mir genauso gut eine Festanstellung bei einem spannenden Unternehmen vorstellen. Ich habe immer noch grosse Freude, selbst Software zu entwickeln. 

Kann man denn nach so langer Zeit wieder festangestellt sein?
Paul E. Sevinç: Wir waren ja selbst auch Angestellte – zufälligerweise aber bei der Firma, wo wir auch Aktionäre waren. Ich habe kein Problem damit, angestellt zu sein. Es ist ein Trugschluss zu glauben, Selbständigkeit sei die totale Freiheit und als Angestellter mache man nur langweilige Sachen. Im Gegenteil – man kann in einem Angestelltenverhältnis den Fokus vielleicht noch vertiefen.

Schauen wir noch etwas auf die Geschichte von Doodle: Warum habt ihr 2011 die Firma an Tamedia verkauft und nicht an ein ausländisches Unternehmen?
Myke Näf: Bei der Gründung war unser Ziel klar: Wir möchten eine funktionierende, selbständige und erfolgreiche Firma aufbauen. Spätestens als Risikokapitalgeber eingestiegen sind, war ausserdem die Absicht, die Firma früher oder später zu verkaufen. Es gab verschiedene Kandidaten und Gespräche. Es gab auch Gespräche mit internationalen Unternehmen, doch das Angebot von Tamedia war einfach das beste Angebot, weil die Marke, das Produkt und das Team so bestehen blieben. Die Zusammenarbeit mit Tamedia ist ein schönes Ergebnis – auch aus dem Aspekt, dass der Schweizer Terminpionier in Schweizer Hand bleibt.

Habt ihr euch nie überlegt, die Firma ins Ausland überzusiedeln?
Myke Näf: Wir haben mittlerweile über 15 Millionen User, und diese sind natürlich nicht hauptsächlich in der Schweiz. Aber bezüglich Durchdringung des Marktes ist die Schweiz einmalige Spitze. Deshalb ist das Land wirtschaftlich interessant. Es hat sich bewährt, dass wir international von Zürich aus agieren können.

Paul E. Sevinç: Das Web hat keine Grenzen und viele User wissen nicht, dass Doodle aus der Schweiz kommt. Sie möchten einen guten Service und es ist ihnen egal, ob dieser aus Berlin, London oder Zürich kommt.

Wenn wir heute schauen, was Internet-Startup-mässig geschieht, seid ihr ja schon fast Pioniere. Seid ihr das erste internationale Web-Startup der Schweiz?
Myke Näf: Wir waren – zum Glück für die Schweizer Startup-Szene –  nicht Pioniere mit der Gründung im Jahre 2007. Es gibt Urgesteine wie search.ch, Media Streams, Comparis, Endoxon oder Tilllate. Aber durch die vielen internationalen User haben wir vielleicht einen speziellen Stand in der Schweiz. Wir haben früh mit Doodle angefangen und den Dienst von Anfang an international ausgerichtet – mit der Sprache, Währungen, Zeitformaten usw. Manche dieser  Themen beschäftigen uns bis heute, beispielsweise der Umgang mit Zeitzonen.

Paul E. Sevinç: Wir wollten nie auf die Schweiz limitieren, sondern offen sein für die Welt. Wir haben uns keine Schranken gesetzt, aber auch nicht gesagt, wir müssen unbedingt in den USA gross werden. Das hat sich – zu Beginn zumindest – selbst so entwickelt.

Habt ihr ein Angebot von einem grossen ausländischen Internetkonzern erhalten?
Myke Näf: Wir hätten unseren Job als Mehrheitsaktionär von Doodle falsch gemacht, wenn es nicht solche Gespräche gegeben hätte. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Aber wir haben uns für Tamedia entschieden.

Ist eine Übernahme durch Silicon-Valley-Unternehmen nicht verlockender?
Myke Näf: Das ist natürlich auch verlockend aber nicht alleine glückselig machend. Für uns hat das Übereinkommen mit Tamedia am besten gestimmt. Bei uns war auf der qualitativen Seite bei dem Deal wichtig, dass Doodle als Firma bestehen bleibt. Wenn die grossen Tech-Firmen ein Unternehmen kaufen, dann werden oft nur die Ingenieure behalten; Produkt und Marke werden aufgelöst. Für uns war wichtig, dass Doodle so bleibt, wie es ist.

Ihr zieht euch jetzt aber definitiv aus der Firma zurück und bleibt auch nicht als Berater oder Beirat da?
Paul E. Sevinç: Ab Februar kommt der neue CEO und wir starten den Know-how-Transfer. Wenn dieser Prozess abgeschlossen ist, wird Myke ausscheiden. Bei mir ist das Engineering, das ich de facto schon übergeben habe, sowie einige administrative Aufgaben, die noch ich sauber übergeben möchte. Dann lösen wir uns raus und die neue Crew wird künftig völlig selbständig entscheiden.

In Deutschland oder den USA arbeiten Medienunternehmen intensiv mit Web-Startups zusammen oder kaufen sie auf. Wie ist die Situation in der Schweiz und ist Doodle da auch einer der Pioniere in dieser Art von Investition?
Myke: Tamedia hat ein bemerkenswertes Digital-Portfolio. Was uns wohl unterscheidet ist die internationale Ausrichtung von Doodle. Diese Erfahrung konnten und können wir auch an Tamedia weitergeben.

Tun Medienhäuser gut daran, mit Startups zusammenzuarbeiten?
Myke Näf: Meiner Meinung nach ist es gut, wenn Medienhäuser in digitale Assets investieren. Es geht dabei nicht nur um den finanziellen Aspekt der Investition, sondern auch um den Wissensaustausch. Gute Unternehmen mit guten Leuten befruchten jede Firma.

Paul E. Sevinç: Was die richtige Strategie für ein Medienhaus ist, kann ich nicht beurteilen. Ich finds gut, dass sich die verschiedenen Medienhäuser in der Schweiz unterschiedlich ausrichten. Nicht jedes Medienhaus sollte die gleiche Strategie fahren, da noch niemand das Patentrezept gefunden hat und es auch Raum für verschiedene Ansätze geben dürfte.

Was ratet ihr Jungunternehmern?
Myke Näf: Ich sage immer die gleichen drei Punkte: 1) Etwas riskieren, den Schritt wagen und anfangen.  2) Etwas lernen – also sich als Firma so aufzustellen, dass man Erkenntnisse gewinnt und sich ständig verbessert. 3) Nicht aufgeben – oft ist es der Wille, der entscheidet und nicht nur die Idee und die Kompetenzen.

Paul E. Sevinç: Ich finde es empfehlenswert, im Team zu gründen. Man passiert einen ersten wichtigen Filter, wenn man ein Gspänli überzeugen kann, dass die Idee funktioniert und es mit ins Boot steigt. Denn auch hier gilt: geteiltes Leid ist halbes Leid, geteilte Freude ist doppelte Freude.