Fredi Schmidli rief an der Startupfair zur Umsetzung von Lean Startup statt dicker Businesspläne auf: Nachhaltige Geschäftskonzepte brauchten Dynamik, nicht Durchhaltewillen.
Mut, Transparenz, Experimentierfreude und der Wille, Dinge rasch abzuschiessen oder anzupassen, das sind die neuen Eigenschaften, die ein Unternehmer braucht, wenn er ein Startup aufbauen will. Fredi Schmidli von Pragmatic Solutions liess in seinem Referat an der Startupfair in Zürich kaum ein gutes Haar an just dem, was viele Schweizer für ihre Tugend halten: Ausdauer, Hartnäckigkeit, Geduld und Analyse.
Der Konventionelle Gründungsansatz basiere auf Planung und Vorsicht, darauf, das beste Produkt herstellen zu wollen, statt rasch herauszufinden, wo der Markt ist und wie man ihn bedient: „Ich erlebe das vor allem mit Leuten von der ETH.“
Lähmung durch Analyse
„Die haben eine grossartige Erfindung und wollen das beste Produkt daraus machen – ohne sich zu fragen, ob man darauf ein Geschäft aufbauen kann.“ Oder Software-Ingenieure, die eine App mit vielen Features programmierten und während Monaten nicht einmal jemanden fragten, ob er sowas überhaupt haben wolle. „Sie begründen das dann damit, dass sie ihre Freizeit geopfert und nicht direkt in das Produkt investiert hätten – als ob private Zeit keine Ressource sei, mit der man ebenso sparsam umgehen könnte.“
Der „Mythos des Durchbeissens“, wonach man Erfolg hat, wenn man nur lange genug an seiner Idee dranbleibt, sei überholt; grade in der Schweiz werde aber in einer Firmengründung noch viel zu viel konventionelles Wissen umgesetzt.
Schmidli sieht sich als Missionar in Sachen Lean Startup. Die Frage in einer Firma müsse nicht die sein, ob man ein bestimmtes Produkt herstellen könne, sondern die, ob sich darauf ein nachhaltiges Geschäft aufbauen lasse. heute gehe es darum, unnötigen Ressourceneinsatz zu vermeiden.
„Der Testfall für das Online-Schuhgeschäft von Zappos basierte darauf, dass der Gründer Fotos von Schuhen aus Schuhläden ins Internet stellte. Wenn jemand bei ihm online bestellte, marschierte er persönlich in den Laden, kaufte die Schuhe gegen bar und versandte sie.“ Mit andern Worten: Um das Businessmodell zu testen, muss man keinen Schuh-Shop programmieren.
Schmidli liess keinen Zweifel daran, dass die Schweiz sich noch etwas weiter weg ist von der neuen Philosophie, als er sich wünschen würde: „Wir sind das Land mit der höchsten Pro-Kopf-Versicherungsrate“, sagt er, und unterliegen ebenso dem Mythos des „Durchbeissens“ als auch der vermeintlichen Tugend, alles sehr genau zu planen: „Paralysis by Analysis“ sei das, Lähmung durch Planung.
Er rief die Besucher der Startup-Messe dazu auf, als Gründer schneller zu entscheiden statt alles perfektionieren zu wollen, dynamischer zu agieren; statt eines Business-Plans den Business Plan Canvas zu verwenden und fast täglich anzupassen, sich auf ein nachhaltiges Geschäft statt eines perfekten Produkts zu konzentrieren und statt viele tolle Features zu entwickeln in schnellen Feedback-Loops die wenigen sofort auszuprobieren, auf die es ankommen dürfte.
In vielen Investoren-Entscheiden, sagte Schmidli, würden Businesspläne keines Blickes mehr gewürdigt: „Factsheets reichen völlig aus“; beurteilt würden heute eher Dynamik, Mut und Transparenz als Hunderte Seiten Papier und aufwändiger Marketingpläne. Ressourcenknappheit sei ein Asset, meinte Schmidli, und ausgerechnet die Schweizer müssten eigentlich zu denen gehören, die das wüssten: „Immerhin haben wir mangels grosser Rohstoffvorkommen eine grosse Industrie aus kleinen, komplexen Produkten geschaffen“ – sprach’s und schwenkte zum Ende des Referats seine Armbanduhr.