Startups scheuen normalerweise die Nähe zu Grossen Firmen oder Konzernen – es sei denn, sie sehen eine Möglichkeit für den Exit. Dabeikönnen beide in einer Partnerschaft von Vorteilen des andern und den Unterschieen der Firmenkultur profitieren.
Von Manuel Gerres
Wenn sich Startups und Konzerne annähern sollen, treffen zwei Unternehmensarten aufeinander, die gänzlich anders funktionieren. Startups mit verhältnismässig kleinen Teams, grosser operativer Beweglichkeit und dem notwendigen Mut, schnell Fehler zu machen, diese umgehend korrigieren zu können oder sogar Geschäftsmodelle zu wechseln, wenn der Markt dies verlangt.
Konzerne bilden auf Grund ihrer Grösse behäbigere Prozesstrukturen, die zum Grossteil auch nötig sind, um die Vielzahl an Einheiten, Gremien und Mitarbeitern zu organisieren.
Dies sind natürlich keine idealen Vorraussetzungen um schnell, beweglich und risikofreudig zu sein. Die schon deshalb, weil bei jeder Entscheidung eines Konzerns eine Vielzahl von Kunden oder bestehenden Geschäftsbeziehungen betroffen sein können.
So unterschiedlich die Charakteristik jedoch daher kommt, so sinnvoll kann dennoch eine Zusammenarbeit sein. Wichtig ist aber konkrete Win-Win-Situationen zu finden. Das sind Konstellationen, in denen ein Startup und dessen Produkt/Geschäftsmodell einem Konzern nützlich werden und der Konzern mit seiner Reichweite, seinem Brand und seinen Mitteln dem Startup einen zusätzlichen „Nährboden“ liefern kann.
Möglichkeiten dafür sind durchaus vorhanden. Von dem oft gezeichneten Bild des „David gegen Goliath“ halte ich von daher nicht viel. Ich sehe viel mehr die Gelegenheiten für eine Partnerschaft, in welcher beide Seiten die Vorteile des andern nutzen und seine Nachteile abzubauen helfen können.
Klare Bedingungen schaffen
Ein Startup muss sich allerdings ganz genau anschauen, welche Partnerschaften es zu welchem „Preis“ einzugehen gewillt und in der Lage ist. Bietet ein Konzern die passende Zielgruppe, Reichweitetools und die Möglichkeit, sich zusammen weiterzuentwickeln, dann sollte eine Kooperation ins Auge gefasst werden.
Voraussetzung für die Partnerschaft ist ein Setup, das für beide Seiten klare Bedingungen und Verhältnisse schafft. Die Herausforderung wird hier sein, dieses zu definieren und jeweilige Interessen an der Partnerschaft klar zu formulieren.
Bei den SBB haben wir zum Beispiel ein Projekt mit dem Startup „JustBook“ umgesetzt. Der Win für uns ist, dass wir neue Modelle der Media-Vermarktung testen können, der Win für JustBook besteht darin, dass wir ein idealer Reichweitenpartner für sie sind und ihnen helfen können, in der Schweiz einen passenden Markteintritt zu absolvieren.
Die Kontaktaufnahme
Aus Sicht eines Startup würde ich immer empfehlen, sich einen intensiven Überblick über den Konzern zu verschaffen, bevor es den Kontakt sucht. Je mehr Informationen man hat, desto schneller wird man den richtigen Ansprechpartner finden. In vielen Konzernen bestehen bereits Einheiten, die sich mit Innovation und Business Development beschäftigen.
ist Head of Start-Up Relations bei den SBB. Er ist verantwortlich für das Startup-Programm der SBB und der damit verbundenen Aufgabe, mittels externer Technologie-Innovation neue Geschäftsfelder und Produkte für die SBB zu erschliessen.
Gerres war zuvor Partner des Unternehmens Seedlab mit Sitz in Berlin. Seedlab ist spezialisiert auf die Entwicklung neuer digitaler Geschäftsfelder und den Aufbau von Start-Up Programmen für Corporate-Unternehmen zur Förderung externer Innovation.
Sind diese identifiziert, sollte man den Fokus im Pre-Screening des Konzerns darauf legen, welche Innovation und neuen Geschäfszweige gesucht werden. Mit diesem Wissen wird es einfacher, Interesse zu wecken und gezielt auf den partner zuzugehen. Am besten tut man dies bereits mit ein bis zwei ausformulierten Ideen, wie das Startup-Produkt einen konkreten Need des Konzerns lösen kann. Persönliche Kontakte lassen sich dann via LinkedIn, Xing und Mail aufbauen.
Die Wahl des Zeitpunkts
In welchem Stadium sich ein Startup nach einer gewinnbringenden Partnerschaft mit einem Konzern umsieht, hängt von der eigenen Zielsetzung und der Intention des möglichen Partners ab.
Aktuell erleben Konzern-Accelerator-Programme einen riesen Hype. Deren Voraussetzungen für eine Zusammenarbeit ist meist klar definiert.
Wir bei den SBB fokussieren jedoch auf andere Entwicklungsstadien von Startups: Das Unternehmen muss bestehen, ein fertiges Produkt haben und bereits relevante Umsatz- und Kundenszenarien aufweisen. Ich empfehle deswegen, sich konkret bei den Konzernen zu erkundigen, was sie genau suchen und dann zu entscheiden, ob man als Startup die passenden Voraussetzungen hat oder (noch) nicht.
Kein grösseres Kopierrisiko
Das Risko, dass jemand die eigene Idee kopiert, besteht immer. Im Prinzip schon dann, wenn man dem ersten Kontakt davon erzählt. Dieses Risiko muss man als Unternehmer tragen und sich darauf fokussieren, das beste Produkt mit grösster Marktrelevanz aufzubauen.
Ideen kann man tausende haben – eine erfolgreiche Umsetzung ist eine ganz andere Geschichte. Konzerne, so meine Erfahrung, haben meist kein Interesse daran, Ideen zu kopieren. Wobei ich hier nur für den Bereich digitale Geschäftsfelder sprechen kann.
Ihr Anreiz ist es bewusst in Partnerschaften zu gehen um vor allem schnell und effizient neue Themen am Markt zu erproben. Eigentwicklungen sind meist sehr aufwendig zu strukturieren, was sich vor allem auch in der Zeitspanne der Umsetzung bemerkbar macht. Insofern setzt man dann lieber auf Zusammenarbeit mit externer Innovation und einem flexibel agierenden Startup.
Mehr als Marktpräsenz und finanzielle Mittel
Man sollte die offensichtlichsten Vorteile, die ein Konzern einem Startup bieten kann, nicht unterschätzen.Finazielle Mittel, Kundenreichweite und Brandpower sind bei Jungunternehmen meist wenig oder gar nicht vorhanden. Ein Konzern als Partner kann somit in essentiellen Bereichen einen grossen Mehrwert schaffen.
In meiner Zusammenarbeit mit verschiedenen global agierenden Konzernen war vor allem aber auch der Know-How-Transfer ein wichtiges Asset für beide Seiten. Es wird unterschätzt, wie wichtig auch das Fachwissen von Konzernmitarbeitern für Startups sein kann – nicht zuletzt in den Bereichen Sales und Internationalisierung. Vor allem, wenn das Startup Produkt nahe am Kerngeschäfts des Konzerns liegt und dieser dann somit seine bestehenden Strukturen und das Wissen darum nutzen kann.
Innovation von aussen
Für Konzerne ist dabei aus meiner Sicht – zumindest in digitalen Märkten – die Innovation von aussen von grösster Wichtigkeit. Der digitale Markt ist sehr agil, Produktzyklen werden schneller und Kundenbedürfnisse wachsen. Diesen Speed aus internen Abteilungen heraus mitzugehen ist auf Grund der grossen Strukturen kaum machbar.
Gerade Branchen wie Print und Telekommunikation haben dies in den letzten Jahren stark zu spüren bekommen. Innovation von aussen wird aus meiner Sicht an Bedeutung noch zunehmen, will man als Grossunternehmen weiterhin markrelevanten Bestand haben. Vor allem auch, weil die Digitalisierung die Kräfte neu verteilt und mittlerweile dritte Player in das eigene Kerngeschäft einsteigen können. Man beachte nur Entwicklungen wie die von Whatsapp versus Kerngeschäft „SMS“ der grossen Telekommunikationsunternehmen.
Sobald ein Start-up eine gewisse Reputation aufgebaut hat, wird es sicherlich auch von einem Konzern und dessen Mitarbeitern als ernsthafter Partner eingeschätzt. Schwierig dürfte vielmals in der Tat sein, die richtige Abteilung eines Konzerns ausfindig zu machen. Nicht jeder Konzern wird eine eigenes Team für die Beziehung zu Start-ups vorweisen können, so wie es die SBB tut.