Was bringt ein Schweizer Startup nach Asien? Wir fragen Mila-Gründer Manuel Grenacher, der gerade aus Shanghai zurückkommt.

CeBIT 2013An diesem Geschäftsmodell beissen sich europäische Startups bislangs die Zähne aus. Dienstleistungsmarktplätze à la Taskrabbit sind ein schwieriges Feld, im deutschsprachigen Raum fehlen bisher die Erfolgsbeispiele. Das im März gestartete Zürcher Jungunternehmen Mila will das nicht nur hierzulande etablieren, sondern hat sich auch entschlossen, es parallel in China zur versuchen. Wir fragen nach, warum.

Mila ist gerade in China gestartet. Warum ist das ein attraktiver Markt?
Wir versuchen mit Mila das Leben zu vereinfachen, indem man einfache Aufgaben outsourcen und Mikro-Services finden kann. In grossen Städten wie Shanghai gibt es hunderttausende Menschen, die in einer höheren Position arbeiten und sehr beschäftigt sind. Da existiert eine grosse Nachfrage. Zweitens sind hier Dienstleistungen schwieriger zu finden als auf dem Land oder in kleineren Städten. Ein Telefonbuch aufzuschlagen hilft Ihnen nicht weiter. Sie brauchen fast ein privates Beziehungsnetzwerk, um an die Leute heranzukommen. Und ich behaupte, in diesen Städten sind die Menschen viel Smartphone-affiner. Man ist offener gegenüber mobilen Marktplätzen als die Europäer.

Und die Motivation?
Die Motivation neben dem Markt ist, etwas Neues zu machen. E-Commerce ist ausgelutscht. Dienstleistungen online zu buchen, ist dagegen erst im Kommen. Weltweit.

Es gibt bereits einige Versuche, diese Modell umzusetzen. In den USA sind Taskrabbit und Fiverr halbwegs erfolgreich. In Europa gelang noch niemand die Umsetzung.
Es eines der schwierigeren Geschäftsmodelle. Schlüssel ist die kritische Masse. So etwas funktioniert nicht in der Schweiz oder in Berlin allein, Sie müssen eine internationale Marke aufbauen. Und es ist wichtig, dass Anbieter Vertrauen zu ihren Kunden aufbauen. Das mussten wir in den letzten Monaten lernen.

Was wollen Sie anders machen?
Unsere Nutzer werden sich und ihre Angebote wie auf einem Blog oder einer eigenen Website präsentieren können. Auf Mila kann man Dinge entdecken. Die Plattform darf nicht nur eine Art neues Telefonbuch werden. Ein wichtiger Ansatzpunkt sind Storys, Leute sollen Anregungen bekommen, wie sie ihr Leben vereinfachen.

Was für Ressourcen haben Sie, wie viele Leute arbeiten jetzt an Mila?
Total sind wir rund 40 Mitarbeiter an vier Standorten. Zürich ist der Firmensitz. In Rumänien und in Shanghai ist die Entwicklung. Sales und Marketing haben wir in Zürich, in Berlin und in Shanghai.

Was ist wichtig, wenn man als Unternehmen nach Asien will?
Wenn sie in Asien sein wollen, müssen sie auch dort produzieren, man kann nicht einfach nach Asien exportieren. Bei Software hat das noch niemand geschafft, sie brauchen ein «made in China».

Gibt es kulturelle Faktoren, die man beachten sollte?
Ja, zum Bespiel in der Kommunikation: Zwar können alle englisch, aber nicht gut genug, um offen über ein Problem zu sprechen. Und Sie kennen die Gesprächskultur zu wenig, um sich in Verhandlungen auf Ihr Bauchgefühl zu verlassen. Ich habe Chinesen in den Führungspositionen. Das gebe ich auch als Tipp. Ich habe das von Anfang an gemacht.

In Shanghai gibt es eine lebendige Tech-Szene, die in grossem Tempo Webdienste aus dem Boden stampft. Sie treffen sicher viele Taskrabbit-Klone.
Interessanterweise gibt es viele Copycats, aber wenig in der Richtung von Taskrabbit. Öfter kopiert wird Craigslist, ein Online-Kleinanzeigenportal aus den USA. Da gehen wir mit Mila weiter mit unseren Bookingfunktionen und sind sicher einer der Firstmover in Shanghai.

Was für Webstartups beobachten Sie sonst?
Die meisten sind dabei, Copycats von amerikanischen Diensten im Bereich Social Media zu machen, zum Beispiel Instagram, Twitter. Man holt nach, was in den USA schon lief. Wir fokussieren auf die Nische Service, was ich als Chance sehe. Im Bereich Effiziensteigerung und Mehrwert sind die Chinesen weniger stark.

Haben Sie auch überlegt, in den USA zu starten?
In den USA hätten wir eine starke Konkurrenzsituation: Zaarly und Taskrabbit sind sehr erfolgreich. Da müsste man mehrere zehn Millionen investieren, um kompetitiv zu sein. Dazu hätten wir nicht die Mittel. Darum zielen wir auf Europa und Asien.

Gibt es Beispiele, was Sie mit Mila in China anders machen müssen als in Europa?
Ja, zum Beispiel ist ein gut ausgefülltes Profil mit Foto in Europa und den USA Pflicht. In China ist das egal, die Nutzer achten auf Preis und Bewertungen. Oder die Social-Media-Welt: Facebook und Twitter interessieren in China niemand. Hier gibt QQ, Weibo und Wechat. Sie brauchen deshalb Leute, die diese Dienste kennen und wissen, wie man sie integriert. Dafür benötigen Sie ein lokales Team.

Warum ist das Modell hier noch nicht erfolgreich?
Einige Startups haben das Timing verfehlt. Gigalocal aus Deutschland fing vor zwei Jahren an, was für Europa zu früh war. Wir sind auch noch früh dran, aber das Timing ist trotzdem richtig. In den nächsten zwei bis drei Jahren wird das Thema aktuell. Auch, weil mittlerweile eine gute Dichte von Smartphones besteht.

Und bezüglich der Umsetzung?
Viele Anbieter haben sich lokal positioniert, statt mehrere Städte anzugehen. Internationalisierung und der Aufbau von Standorten sind für ein Jungunternehmen schwierig. Das habe ich mit Coresystems in den letzten sieben Jahren bereits gemacht. Das kostet ein Startup sonst viel Zeit und Durchhaltewillen. Ein weiterer Faktor ist die Finanzierung. Ich würde so ein Projekt nicht mit 250’000 Franken im Rucksack starten.

Was sind Ihre quantitativen Ziele mit Mila?
Der Break-even ist bei einem solchen Projekt schwierig, wir rechnen damit in den nächsten vier Jahren. Das heisst, wir haben eine lange Durststrecke. Bei den Nutzerzahlen haben wir ein Jahresziel von 250’000. Wir haben eine Kommission von acht Prozent, in Asien sogar noch weniger. Wir brauchen längerfristig also Millionen auf der Plattform, um den Break-even zu erreichen. Sie sehen, ich habe toughe Ziele.

Was müssen Sie richtig machen, damit das funktioniert?
Wir müssen Nutzern einen gesunden, guten Mehrwert bieten, damit wir eine gute Referenzierung erhalten. Auf der Nutzerseite viral zu werden, schaffen wir nur so. Die Nutzer müssen das Gefühl haben «Mila hilft mir im Leben». Das ist viel wichtiger, als Werbung zu platzieren. Wenn wir eine Plattform sind, mit der man Dinge entdeckt, dann haben wir brutale Chancen. Daran müssen wir massiv arbeiten.

Sie haben Storys erwähnt.
Ja. Das ist auch ein Erfolgsfaktor von airbnb – was sie besser machen als die Konkurrenz: sie erzählen Geschichten. Mit den «Neighborhoods» machen sie den Leuten eine Gegend schmackhaft, erst danach geht es um eine Wohnung. Sie holen die Leute mit Informationen ab und machen dann ein Angebot. Das ist originell gelöst. Für mich ist airbnb eine der inspirierendsten Firmen im Bereich «shared economy».

Sie sind jetzt auf dem Weg nach Berlin, wann geht es wieder nach Shanghai?
Im Herbst, wann genau weiss ich noch nicht. Jetzt bin ich viel in Berlin unterwegs, wo wir den Sales-Standort aufbauen. Nächstes grosses Ziel ist der Launch dort, Ende des Sommers. Von Berlin wollen wir ganz Deutschland angehen. Dann vielleicht Europa.

Mila ist ein Mikrojob-Marktplatz. Nutzer können auf der Plattform Dienstleistungen nachfragen oder anbieten, um sich etwas dazuzuverdienen. Die Idee ist, dass sich mittels dieser Kleininserate Personen aus der Umgebung finden, die direkt miteinander ins Geschäft kommen. Zum Beispiel für Jobs wie Hausreinigung, Rasenmähen oder Babysitting.

Manuel Grenacher leitet neben Mila das IT-Unternehmen Coresystems. Coresystems ist ein SAP-Dienstleister, den der Informatiker zusammen mit Mitstudenten 2002 lancierte. Heute hat das Unternehmen des 32-Jährigen über 130 Mitarbeiter und mehrere internationale Standorte.