Unternehmer sein und nebenbei gemeinnützige Arbeit leisten? Unser Gastautor erzählt, warum er Startupgründern ein soziales Engagement empfiehlt.
Gastbeitrag von Garry Spanz, Mitgründer Linksert
Dass Startupper für zwei Wochen eine Abwesenheitsmeldung aktivieren und ihr Tagesgeschäft delegieren, kommt nicht häufig vor. Dass sie diese Zeit dann aber noch damit verbringen, in einer wenig entwickelten Region der Welt von Hand Wasserfilter zu bauen, ist eher eine Ausnahme. Ich habe es vor zwei Monaten getan und habe dabei viel für mein Startup gelernt.
Zugegebenermassen hat dieses Unterfangen nicht ganz freiwillig für mich begonnen. Ich studiere nebenher an der Universität St. Gallen Strategy and International Management. Im Ausland ein soziales Projekt zu planen und umzusetzen gehört fest zum Curriculum. Aber als Team und Ziel standen und der Stein ins Rollen kam, entwickelte sich bei allen Beteiligten ein grosses Engagement und das Projekt gewann eine starke Eigendynamik.
Sauberes Wasser für Indonesien
Mit dem Ziel, für ein Pilotprojekt 100 Familien in einem bedürftigen Gebiet mit sauberem Wasser zu versorgen, begannen wir im Oktober 2012 auf einem leeren Blatt Papier. Wir tauschten uns mit NGOs über Technologien, Best Practices und Erfahrungswerte aus. Schliesslich fanden wir, wonach wir suchten: Biosand-Wasserfilter (BSF). Ein Filter kostet zwischen 30 und 50 Dollar und liefert zehn bis 20 Jahre lang sauberes Trinkwasser für einen Haushalt. Der Vorteil an BSF ist, dass sie erprobt sind und aus lokalen Materialien vor Ort gebaut werden können, was die Akzeptanz zu der Technologie signifikant steigert. Zudem erfordern sie so gut wie keinen Wartungsaufwand.
Zu Beginn waren weder Finanzierung noch Organisationsstruktur vorhanden. Innerhalb eines halben Jahres wurde in Randstunden und an langen Wochenenden aus der Idee der Verein PureDrops.
Überzeugungsarbeit als Training
Während vier Monaten sammelten wir Geld durch T-Shirt- und Kuchenverkäufe am Wochenmarkt in St. Gallen, durch Partys, durch Crowdfunding über Social Media und durch persönliche Gespräche. Aus einer Unternehmerperspektive besonders lehrreich war, dass wir kontinuierlich Überzeugungsarbeit bei wildfremden Menschen leisten mussten. Ein Business Angel ist gewohnt, mit Unternehmern über Finanzierung zu sprechen. Die einkaufende Hausfrau hingegen muss von Grund auf überzeugt und für das eigene Anliegen gewonnen werden – eine Herausforderung, die Verhandlungsgeschick und Argumentation auf für mich bisher ungekannte Art und Weise trainierte.
Die Aufgabe jedes Unternehmers
Was ich als Unternehmer allerdings am Wichtigsten fand, war die Auseinandersetzung mit den Grundbedürfnissen der «Kunden» unseres Projekts. Die Rückbesinnung auf die Verbesserung der Lebensbedingungen von Menschen hat mir die Augen geöffnet für ein Ziel, das für jedes Startup im Zentrum stehen sollte: Zu selten versucht man, grundlegend den Alltag seiner Kunden zu beeinflussen und zu verbessern. Zu oft verliert man sich in der Suche nach Marktlücken und Zielgruppenanalysen, oder versteift sich auf Features, in die man sich verliebt hat. Ein soziales Engagement ermöglicht Unternehmern, das Bewusstsein für wahre Innovation zu schärfen.
Das zeigt auch die Arbeit vor Ort. Im April reisten wir für zwei Wochen auf die Insel Madura in Ostjava. Dort bauten wir Wasserfilter, zusammen mit den Einwohnern eines Flüchtlingslagers, das sein meistes Wasser von einem naheliegenden, mit Colibakterien verschmutzten Damm bezieht. Bei 37 Grad Hitze Beton zu mischen ist harte körperliche Arbeit. Das Bewusstsein dafür ist den meisten westlichen Unternehmern abhanden gekommen; in der heutigen Warenwelt tauchen Güter nach einem Mausklick wie von Zauberhand nach kurzer Zeit im gewünschte Lager auf. Die dazu nötige Arbeit vergessen wir allzu schnell.
Lernen und Sinnvolles tun
Am meisten beeindruckt hat mich die Leichtigkeit, mit der die Einwohner des Flüchtlingslager ihre Lebenssituation zu meistern wussten und akzeptierten. Was neben all den Erfahrungen bleibt, sind vor allem 100 Familien, die zum ersten Mal seit sie aus ihrer früheren Heimat geflohen sind, das Wasser in unmittelbarer Nähe ihres Dorfes trinken und zum Kochen verwenden können. Für uns heisst das, dass wir die Lebensbedingungen anderer Menschen unmittelbar und nachhaltig verbessert haben – was mit einem unternehmerischen Fokus auf entwickelte Länder viel schwerer zu schaffen ist.
Man kann natürlich argumentieren, dass ein Gründer fokussiert sein sollte und seine Zeit nicht mit sozialen Projekten zu «verschwenden» hat. Schon gar nicht sollte er für zwei Wochen abtauchen. Das greift aber zu kurz. Ein solches Projekt zwingt dazu, seine Komfortzone zu verlassen, motiviert zum Nachdenken und dazu, seine unternehmerischen Ambitionen auf einem neuen, gemeinnützigen Gebiet einzusetzen. Man kann es auch als Spielplatz betrachten, auf dem man Verhandlungstaktiken oder Fundraisingmethoden ausprobiert und gleichzeitig etwas Gutes tut.
Am wichtigsten für mich war jedoch die Auseinandersetzung mit grundlegenden Problemen und den Menschen, die sie haben, da dies das Bewusstsein für das Wesentliche – auch im europäischen Alltag – schärft.
HSG-Student Gerry Spanz: Über Unternehmertum und soziales Engagement | HSG Entrepreneurship Campus