Rechnungen per E-Mail erscheinen auf den ersten Blick als bequeme Alternative zu ihren Pendants auf Papier. Wie unser Gastautor erklärt, müssen Unternehmen dabei aber strenge gesetzliche Anforderungen beachten.
Gastbeitrag von Martin Steiger, Rechtsanwalt
Frage: Dürfen wir unsere Rechnungen per E-Mail versenden?
Digitale oder elektronische Rechnungen, häufig in Form direkter E-Mail oder als PDF-Dateien per E-Mail, sind beliebt. Gerade Startups schätzen den scheinbar geringen Aufwand von E-Rechnungen – schliesslich bringen herkömmliche Rechnungen auf Papier und per Briefpost zugestellt Druck- und Portokosten mit sich.
Leider ist es nicht ganz so einfach. Viele E-Rechnungen in der Schweiz entsprechen nicht den gesetzlichen Spielregeln, denn bei der Form gelten für E-Rechnungen höhere Anforderungen als für herkömmliche Rechnungen.
Unternehmen sind zur Buchführung einschliesslich der Aufbewahrung von Geschäftsbüchern, Buchungsbelegen und weiteren relevanten Dokumenten verpflichtet. Das ist nötig, wenn sie ihre Firma ins Handelsregister eintragen lassen müssen (Art. 957 OR) oder mehrwertsteuerpflichtig sind (Art. 70 MWSTG). Die Buchführungs- und Aufbewahrungspflicht sowie die damit verbundenen Anforderungen an Rechnungen betreffen damit fast alle Startups.
Inhalt von E-Rechnungen
Inhaltlich gelten für E-Rechnungen dieselben Anforderungen wie für herkömmliche Rechnungen. Massgebend ist insbesondere die Gesetzgebung zur Mehrwertsteuer (MWST). Rechnungen müssen demnach folgende Angaben enthalten (Art. 26 MWSTG):
- Name und Ort des Rechnungsstellers einschliesslich der Unternehmens-Identifikationsnummer (UID, beispielsweise CHE-123.456.789 MWST, bis Ende 2013 kann auch noch die bisherige Mehrwertsteuernummer verwendet werden)
- Name und Ort des Rechnungsempfängers, sofern es sich nicht um einen Kassenzettel für ein Entgelt von bis zu 400 Franken handelt (Art. 57 MWSTV)
- Art, Gegenstand, Zeit oder Zeitraum und Umfang der verrechneten Leistungen
- Entgelt für die verrechneten Leistungen
- Angaben zum anwendbaren Mehrwertsteuersatz und sofern das Entgelt den Mehrwertsteuerbetrag nicht einschliesst (beispielsweise «einschliesslich 8% MWST»), Angaben zum geschuldeten Mehrwertsteuerbetrag
Form von E-Rechnungen
Die anerkannten kaufmännischen Grundsätze bezüglich ordnungsgemässer Buchführung und Aufbewahrung der Bücher gelten für E-Rechnungen und herkömmliche Rechnungen gleichermassen. Bei der Form bestehen aber für E-Rechnungen höhere gesetzliche Anforderungen.
E-Rechnungen müssen die handelsrechtlichen Grundsätze der ordnungsgemässen Datenverarbeitung (Art. 2 ff. GeBÜV) sowie die mehrwertsteuerlichen Anforderungen für elektronische Daten gemäss der Verordnung über elektronische Daten und Informationen (EIDI-V) einhalten.
Was bedeutet das genau? Für rechtmässige E-Rechnungen braucht es eine so genannt fortgeschrittene digitale Signatur oder eine qualifizierte digitale Signatur wie die SuisseID. Diese ist notwendig, um rechtskonforme E-Rechnungen ausstellen und signieren zu können. Grund dafür ist die notwendige Unveränderbarkeit von E-Rechnungen, denn bei digital signierten Daten könnte eine etwaige Veränderung zu einem späteren Zeitpunkt erkannt werden.
Aufbewahrung von E-Rechnungen
E-Rechnungen müssen genauso wie herkömmliche Rechnungen archiviert werden. Die Aufbewahrungspflicht dauert grundsätzlich zehn Jahre (Art. 962 OR und Art. 42 MWSTG) und beinhaltet für E-Rechnungen die oben bereits erwähnte Gewährleistung der Unveränderbarkeit, welche durch digitale Signierung erreicht werden kann.
Das Ausdrucken von E-Rechnungen zur Aufbewahrung ist zwar weit verbreitet, stellt aber einen Medienbruch dar und ist deshalb nicht empfehlenswert – weder beim Rechnungssteller noch beim Rechnungsempfänger im Geschäftsverkehr.
Mögliche Probleme bei nicht rechtskonformen E-Rechnungen
Vorsicht: Wer E-Rechnungen nicht gemäss den gesetzlichen Anforderungen erstellt und aufbewahrt, kann insbesondere mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wegen Unterlassen der Buchführung (Art. 166 StGB) sowie mit Busse wegen ordnungswidriger Führung der Geschäftsbücher (Art. 325 StGB) bestraft werden. Das Mehrwertsteuerrecht kennt unter anderem die Bestrafung mit Busse wegen der Verletzung von Verfahrenspflichten (Art. 98 MWSTG).
Weiter drohen Beweisprobleme: Zwar besteht der Grundsatz der Beweismittelfreiheit, doch nicht digital signierte E-Rechnungen sind keine eindeutigen Beweise. Das liegt daran, dass sie sich spurlos verändern lassen. Wer mit einer solchen E-Rechnung einen Beweis nicht erbringen kann, muss die daraus resultierenden Folgen der Beweislosigkeit tragen.
Ein Beispiel dafür ist der Vorsteuerabzug im Rahmen der Mehrwertsteuer, für den der Rechnungsempfänger die Beweislast trägt (Art. 28 MWSTG). Ohne eindeutige Beweise besteht die Gefahr von Rückforderungen durch die Steuerverwaltung. Es ist für Rechnungsempfänger deshalb wichtig, dass sie bei Rechnungsstellern rechtskonforme E-Rechnungen einfordern.
Empfehlungen für E-Rechnungen
Zusammenfassend: Die Verwendung von E-Rechnungen setzt voraus, dass die rechtlichen Anforderungen an herkömmliche Rechnungen sowie die erwähnten zusätzlichen Anforderungen eingehalten werden. Unternehmen, die dazu nicht in der Lage sind, verfügen neben dem Verzicht auf E-Rechnungen über zwei Möglichkeiten:
- Sie verwenden weiterhin herkömmliche Rechnungen, bieten aber ergänzend E-Rechnungen an. So können Rechnungen beispielsweise herkömmlich in Papierform erstellt, versendet und archiviert, zu Informationszwecken aber parallel dazu per E-Mail zugestellt werden.
- Sie nutzen einen Anbieter für E-Rechnungen (auch als E-Billing bezeichnet), der Signierung und Archivierung gewährleistet. Ein Beispiel dafür ist das «E-Rechnung»-Angebot von PostFinance, das unter anderem auch von der Bundesverwaltung genutzt wird. PostFinance signiert E-Rechnungen und bietet auch die Möglichkeit für ein E-Rechnungsarchiv der letzten zehn Jahre an.
Laissez-faire ist bei E-Rechnungen nicht empfehlenswert. Es drohen nicht nur Strafen, sondern auch schmerzhafte steuerliche Nachforderungen. Es lohnt sich also, auch im Bezug auf E-Rechnungen eine ordnungsgemässe Buchhaltung zu führen.
Ich danke Thomas Brändle, Run my Accounts AG, und Hartwig Thomas, Enter AG, für Ihre nützlichen Hinweise bezüglich E-Rechnungen.
Im Zweifelsfall, bei Unklarheiten und für Abklärungen im Einzelnen empfiehlt sich die Beratung durch eine Fachperson wie beispielsweise einen Rechtsanwalt.
Absolut unnötig dieses Gesetz! Wie soll den nachvollzogen oder kontrolliert werden können aus welchem Drucker die Rechnung ausgespuckt worden ist? Bürokratie, Bürokratie… Einzig die Post profitiert davon mit den Gebühren für die Datenübermittlung je Rechnung.
Was wäre, wenn man mit den Kunden vertraglich regelt, dass sie für einem die Rechnung selber aus dem System vom Anbieter druckt und sich diese selber zustellt?
Quasi ein Print-Service als integraler Bestandteil der Vereinbarung zwischen Kunden und Anbieter.
Tragischerweise funktioniert es bei unseren Nachbarn in Deutschland problemlos mit einer einfachen Email-Übermittlung ohne signierter Rechnung.
Weitere Kommentare und Argumente gibt es unter http://www.runmyaccounts.ch/2012/09/wie-schreibe-ich-eine-korrekte-rechnung/
Genau – ist ja bereits im obigen Artikel verlinkt … :)
Interessant, das mit der Signierung wusste ich nicht.
Aber wie bereits im Kommentar oben erwähnt, eine zuverlässige Kontrolle bei normalen Papierrechnungen ist ja auch nicht gewährleistet. Mit geringem Aufwand kann sich im Nachhinein jeder eine Rechnung erstellen und ausdrucken wie sie ihm gefällt.
Ausser man nutzt Papier mit Wasserzeichen oder ähnliches – aber das ist ja glaube ich bei Rechnungen auf Papier nicht vorgeschrieben?
Martin, kennst du vielleicht etwas bekanntere Anbieter aus der Praxis die signierte E-Rechnungen verschicken?
@Benny Hertach:
Thomas Brändle, Run my Accounts AG, hat dazu einen informativen Kommentar veröffentlicht:
Gemäss meinem Kenntnisstand ist das nicht der Fall.
Es gibt mehrere 100 Rechnungssteller, die «E-Rechnung» von PostFinance oder SIX Paynet nutzen. Momentan handelt es sich vor allem um Rechnungssteller mit vielen Rechnungen, z.B. öffentliche Verwaltungen, Telekommunikationsanbieter und Versicherungen. Im Vordergrund stehen wohl (noch) Rechnungen an Konsumenten, denn bei diesen müssen die Anforderungen an E-Rechnungen nur auf Seite der Rechnungssteller erfüllt werden. So ist meine private Sunrise-Telefonrechnung beispielsweise nicht signiert, aber ich gehe davon aus, dass Sunrise selbt solche Rechnungen rechtskonform erstellt und archiviert.
Unsere Regelung ist Realitätsfremd. Der Artikel mag zwar stimmen, aber wie wollen die Behörden unterscheiden, ob eine Datei bei mir oder bei meinem Kunden ausgedruckt wurde? Und was für eine Rolle spielt das?
@Martin: Alles klar, danke für deine Antwort.
Web-basierte Rechnungen | Pick an engineer's brain
@Peter Stevens: jeder marktübliche Drucker druckt ein kleiner für Menschen unsichtbarer Code am Rand des Dokuments mit… da ist Netzwerk-Adresse drin und Gerätenummer. Mit Netzwerk-Adresse kann die Position des Gerätes bestimmt werden. Mit der Gerätenummer kann geprüft werden, wo das Gerät über den Ladentisch gegangen ist. Hast du beim Kauf mit Karte bezahlt, können die Behörden zumindest zurückverfolgen wer den Drucker gekauft hat mit dem das Dokument ausgedruckt wurde.
Goed artikel. Bedankt voor het delen. gelieve te houden posten van zulke mooie artikelen.
Wie sieht das mit einem Verein von über 200 Mitgliedern aus?
Gelten hierfür die gesetzliche Bestimmungen auch hierfür? Muss man den Empfänger expl. erwähnen? oder kann man eine Rechnung erstellen und an alle Mitglieder versenden? MIt dem Vermerk, dass als Referenz der Name eingetragen muss um nachher zuzuordnen wer bezahlt hat?
Herzlichen Dank für die Antwort
Herzlichen Dank für die Mithilfe