Startups lassen sich auch mit wenig Kapital gründen. Wir haben den Autor des Buchs «The 100-Dollar-Startup» gefragt, worauf es dabei ankommt.

das Interview führte Ute Mündlein

Chris Guillebeau{zvg;http://www.flickr.com/photos/chrisguillebeau/sets/72157623060686146/;http://creativecommons.org/licenses/by-nc/2.0/deed.de}Im Buch The 100-Dollar-Startup (Affiliate-Link) geht es nicht um die Gründung des «Next Big Thing» mit viel Geld. Chris Guillebeau stellt stattdessen Menschen vor, die sich mit geringem Startkapital (weniger als 100 Dollar) erfolgreich selbständig gemacht haben.

Ist das, so die zentrale Frage des Buches, reproduzierbar? Gibt es Erfolgsrezepte, denen man folgen kann? Dazu hat der Autor Daten von 1’500 Unternehmen mit mindestens 50’000 Dollar Umsatz ausgewertet.

Wir haben mit Chris über Produktfindung, Erfolgskriterien und Ängste gesprochen.

Für viele Gründer ist die wichtigste Frage: Welche Produkte oder Dienstleistungen soll ich anbieten?

Fast jeder findet wohl etwas, dass Spass macht und gleichzeitig für andere einen Mehrwert darstellt. Daher einfach alles aufschreiben, was man gerne macht. Dazu auch alle Fähigkeiten auflisten, die man besitzt, nicht nur die offensichtlichen. Anschliessend überlegt man, wie man anderen damit helfen kann.

Beim $100-Startup-Modell geht es um einfache Konzepte und darum, die Leser zu ermutigen, schnell zu handeln und nicht ewig zu warten. Wenn man in der glücklichen Lage ist, viele Ideen zu haben, dann gibt es eine einfache Antwort: Man entscheidet sich für eine. Wenn die erste Idee sich als nicht gut herausstellt, nimmt man einfach die nächste.

Was sind die drei wichtigsten Erfolgskritierien für jemanden, der ein Unternehmen gründen will?

1. Neugier: die Eigenschaft, ständig zu fragen, wie Dinge funktionieren. 2. Die Bereitschaft anzufangen und die Hürde des Ewig-Vor-Sich-Herschiebens zu überwinden. 3. Anpassungsfähigkeit – sich an veränderte Bedingungen anpassen und kontinuierlich Produkte oder Dienstleistungen verbessern.

Von erfolgreichen Menschen weltweit habe ich gelernt, dass sie ein Geschäftsmodell aus etwas gemacht haben, das ihnen Spass macht. Viele hatten keine Erfahrung und keinen Business-Background bevor sie angefangen haben, und ihre Geschichten fand ich sehr inspirierend.

Du hast in deinem Buch ein paar Seiten dem Thema Angst gewidmet, d. h. wie man damit umgeht und sie überwindet.

Die meisten Leute denken vor allem an die Angst vor dem Scheitern, aber ich denke, die meisten haben viel mehr Angst vor dem Erfolg. Mit dem Erfolg kommen Veränderungen und viele fühlen sich unwohl bei dem Gedanken.
Andere haben einfach Angst, weil sie nicht wissen, welche Schritte sie unternehmen müssen.

In deinem Buch schreibst über einen etwas anderen Marketingansatz. Für dich geht es nicht mehr länger darum, Leute zu überzeugen, sondern sie einzuladen zu kaufen. Kannst du ein paar Beispiele geben, wie das funktioniert? 

Beim traditionellen Marketing dreht sich alles um Überredung bzw. Bekehrung (Evangelism). Der neue Ansatz heisst Anwerbung, Leute zum teilzunehmen einladen, nicht sie von etwas überzeugen. Ich habe mein Geschäftsmodell primär darauf ausgerichtet, dass ich mit dem Schreiben kein Geld verdiene. 95 Prozent meiner Blog-Leser bezahlen kein Geld und das ist völlig okay für mich. Fünf Prozent kaufen jedoch ein oder mehrere Produkte und mit dieser Verteilung kann ich gut leben. Es geht mir nicht unbedingt darum, diesen Prozentsatz zu erhöhen. Ziel ist eher, die Zahl der Leser zu erhöhen und sicherzustellen, dass ich gute Arbeit für diejenigen leiste, die mir ihre Aufmerksamkeit schenken.

Du benutzt in deinem Buch häufig den Begriff «Strategic giving». Heisst das für dich, strategisch Dinge zu verschenken?

Das bedeutet nicht zwangsläufig Dinge kostenlos herzugeben. Es geht vielmehr darum, lange und intensiv über die Kunden nachzudenken und ihre Bedürfnisse wirklich zu verstehen. Anschliessend überlegt man, welche Möglichkeiten es gibt, diese Kundenwünsche zu befriedigen. Sehr wahrscheinlich wird es sich bei einigen Ideen um Produkte oder Dienstleistungen handeln, für die man Geld verlangt, es könnten aber auch Dinge sein, die man kostenlos anbietet.

Preisgestaltung ist für die meisten Unternehmen, vor allem aber für Gründer, ein grosses Thema. Was sind deine Erfahrungen?  

Viele Unternehmen, die wir untersucht haben, bepreisen ihre Dienstleistungen nach dem Wert, den sie bieten, nicht nach dem Aufwand, den es kostet, d. h. Geld oder Zeit. Ausserdem haben viele einen Umsatzanstieg festgestellt, als sie ihre Preise erhöhten. Bei einer Gelegenheit hat mir jemand erzählt, dass er nur eine Veränderung in seinem Verkaufsprozess vorgenommen hat: eine Preisanpassung, mehr nicht. Dies allein führte zu mehr als 35’000 Dollar Einnahmen, netto. Er meinte zum Schluss: «Ich habe beschlossen, ein paar mehr Sachen auszuprobieren.»

Du hast auch Unternehmer interviewt, die von überall in der Welt aus operieren und arbeitest selbst so. Welchen Rat kannst du unseren Lesern geben, wenn sie so ein ortsunabhängiges Unternehmen aufbauen wollen?

Basierend auf langjähriger Erfahrung kann ich sagen, dass es relativ einfach ist, ein Geschäft von unterwegs zu betreiben. Es ist aber viel schwieriger ein Unternehmen zu gründen, wenn man ständig reist. Daher ist mein Rat, lieber erst einmal Zuhause etwas aufzubauen, das man dann von unterwegs betreiben kann, bevor man Vollzeit die Welt bereist.

Der zweite Fallstrick ist, dass man Arbeit als ernsthaftes Projekt ansehen sollte, selbst wenn es eines unter vielen ist. Egal, wohin ich reise, ich lege Zeitblöcke fest, in denen ich an meinem Geschäft arbeite. Von nichts kommt nichts.

Über den Autor:

Chris Guillebeau ist Lifestyle-Entrepreneur, Blogger und Autor von Die Kunst, anders zu leben (Affiliate-Link). Er hat sich zum Ziel gesetzt, bis zu seinem 35. Geburtstag alle Länder zu besuchen, in die man reisen kann (193) – es sind nicht mehr viele übrig.