Die Methode «Lean Startup» prägt die Strategie von immer mehr Startups. Was haltet ihr von Eric Ries‘ Konzept?
Wenn ein Startup die ersten drei Jahre nicht überlebt, liegt dies oft daran, dass an den Kunden und ihrem Bedarf vorbei entwickelt wird.
In unseren Breiten sind Startups oft zurückhaltend mit Vorabinfos zu ihrem Produkt: «Wir launchen bald. Aber was genau, das möchte ich noch nicht verraten», ist so eine typische Aussage. Der Nachteil? Es ist gut möglich, dass Du an Deinem Produkt arbeitest, viel Geld in die Entwicklung steckst, das Produkt vollendest und herausbringst – und niemand will es wissen. Denn niemand braucht es.
Lean Startup: am Kunden orientieren
Lean Startup ist ein Innovationsprozess, der helfen will, dieses Problem zu vermeiden. Von Anfang geht es darum, alle riskanten Annahmen im Geschäftsmodell zu erkennen und zu überprüfen. Dazu zählen Annahmen über Deine Kunden, ihr Problem und die Lösung dafür. Denn genau das ist es, was schief geht, wenn Du nicht über Dein neues Produkt sprechen willst – Du kannst nicht herausfinden, ob Deine angedachte Zielgruppe das Problem überhaupt hat (und wahrnimmt) und ob Dein Produkt als Lösung in Frage kommt.
Deshalb geht es am Anfang des Lean Startup-Prozesses erstmal darum, Deine Zielgruppe zu identifizieren und richtig zu segmentieren, mit ihr in Kontakt zu treten und sicherzustellen, wie ihr Problem aussieht. Wenn das geklärt ist, machst Du weiter und löst dieses Problem.
Bauen – Messen – Lernen
Mit dieser Lösung in der Hand schaust Du nun, wie Du daraus ein minimal akzeptables Produkt (minimum viable product) bauen kannst. Dieses bietest Du Deinen Kunden an und schaust, wie sie darauf reagieren. An jedem Schritt misst Du Deinen Erfolg – und lernst aus den gemessen Daten. Bauen – Messen – Lernen ist dann auch der Ablauf von Lean Startup.
Irgendwann hast Du genug gelernt und bist Dir aufgrund Deiner Messungen sicher, dass Deine Zielgruppe Dein Produkt als Lösung ihres Problems sieht und kaufen will. Du hast den Produkt/Markt-Fit erreicht. Von jetzt ab kann skaliert werden.
Lean Startup: Das Buch von Eric Ries kommt
Das ist in Kürze der Prozess bei Lean Startup, beschrieben in Eric Ries‘ gleichnamigem Buch (Affiliate-Link). Es ist soeben auch auf Deutsch erschienen und wir wollen bei dieser Gelegenheit den Autor und Erfinder des Konzepts zu seiner Methode aushorchen. Für unser Interview suchen wir eure Fragen. Sagt uns in den Kommentaren, welche Fragen wir Eric Ries stellen sollen:
- Seht ihr irgendwelche Probleme?
- Was wolltet ihr schon immer von Eric Ries wissen?
- Welchen Teil von Lean Startup versteht ihr nicht?
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass viele Gründer, ein frühes Feedback scheuen, weil sie Angst davor haben, dass ihr Produkt nicht ankommt anstatt dass sie das Feedback als Kurskorrektur ansehen.
Ein weiteres „Problem“ ist, dass viele lieber E-Mails schreiben als zum Hörer zu greifen oder persönlich Feedback einzuholen. Kann Eric da Tipps geben, wie „kontaktscheue“ Mitmenschen trotzdem zu Feedback kommen können?
Danke, Ute. Diese Probleme sehe ich auch. An einem Artikel oder gleich einer Serie von Artikeln zum Thema Cold Call Jitters arbeite ich bereits.
Feedback ist ganz wichtig für uns beim Lernen. Als Startup hat man logischerweise sehr, sehr viel zu lernen. Von daher ist Feedback etwas, dem sich jede(r) Gründer(in) stellen muss.
Das Ziel von Lean Startup ist ja, schnell auf die Schnauze zu fallen, aber auch schnell wieder hochzukommen.
Aber genau vor diesem Feedback fürchten sich halt die meisten. Gute Idee mit der Reihe Cold Call Jitters. Über die Gründe, die die Leute anführen, den Hörer in die Hand zu nehmen, um etwa bei Angeboten nachzuhaken, könnte ich Bände schreiben. ;-)
Eine interessante Frage wäre sicherlich noch die nach den Tools, die er so einsetzt.
Der ein oder andere Gründer hat ja dann auch noch die Angst, seine Idee könnte ihm „geklaut“ werden, bevor er überhaupt live gegangen ist. Ich persönlich glaube nicht daran, aber auch das läuft glaube ich letztenendes auf den selben Punkt hinaus wie die die Angst vor dem Feedback. Mangelndes Selbstvertrauen. Schade, eigentlich.
Man soll Kundenfeedback früh einholen, aber m.E. nicht das ganze Konzept daran aufhängen.
Oft muss man die User erst erziehen („User education“), damit sie sich an die neue Idee gewöhnen, lernen damit umzugehen und den Mehrwert erkennen.
Wer eine gute Idee hat, sollte trotz negativem Feedback weiter daran glauben. Feedback nur zur als Input zur Optimierung.
Gutes Beispiel dafür ist die Dyson Story: Während 5 jähriger Investorensuche bekam James Dyson immer das Feedback, kein Mensch würde 500$ für einen Staubsauger ausgeben, wen er einen für 150$ haben kann. Bis irgendwann Apax an die Idee geglaubt hat. Zum Glück hat James Dyson an seine Idee geglaubt, der Erfolg hat ihm recht gegeben.
Stimmt. Guter Punkt. Bei Edison und den Glühlammpen hat es glaub ich auch fünf Jahre gedauert, bis das angenommen wurde. Er hat damit einen komplett neuen Markt geschaffen.
Eigentlich alter Wein in neuen Schläuchen, denn ich habe das schon 2003 in meinem Buch gefordert, damit es weniger Produkteflops gibt. Aber es stimmt in der Tat auch, dass man vorsichtig sein muss (Stichwort aus einem vorherigen Kommentar: Nutzer erziehen). Auch Steve Jobs vertrat die Auffassung, die Kunden wüssten bei einem wirklich innovativen Produkt gar nicht, dass sie es wollen, bis sie es haben. Auch das stimmt. Entscheidend ist deshalb, dass man sich zuerst darüber im Klaren ist, wofür man eigentlich Feedback will, und wie man es dann auswertet. Vielleicht geht es ja gar nicht darum, etwas am Produkt zu ändern, aber an der Verpackung oder der Kommunikation. Oder man will herausfinden, wie man das Produkt gestalten muss, damit der Nutzen sofort und intuitiv erfassbar wird. Wie immer muss man also zuerst einmal die Ziele festlegen, bevor man an die Umsetzung geht, und sich ein klares Konzept erarbeiten, wie man vorgeht. Das erzähle ich auch immer, wenn ich bei Venturelab unterrichte (und ebenfalls zum Telefonhörer rate). Ich hoffe, das Lean Startup Konzept berücksichtigt diese Empfehlungen.