An den Venture Challenges lernen Jungunternehmer aus dem universitären Umfeld, worauf es bei der Startupgründung ankommt. Wir haben für Euch eine Sitzung an der Universität Zürich besucht.
Venture Challenges sind 13-wöchige Kurse des Venturelab, dem Startup-Training des KTI, die jedes Semester an diversen Schweizer Universitäten für Studierende mit Startup-Affinität durchgeführt werden. Wir waren beim Modul «New Product Development & Industrialization» an der Universität Zürich mit dabei.
5 Teams, 5 Ideen
In dem Kurs, den ich besuchte, wurden 25 Studierende in fünf Teams aufgeteilt, wobei jedes Team eine Geschäftsidee verfolgt. Ohne zu viel zu verraten: Die Ideen decken ein breites Spektrum ab, vom neuen Restaurantkonzept bis zu einer verbesserten Vakuum-Technologie. Genau von dieser Vielfalt lebt der Kurs, ebenso von der grossen Dynamik: Der rege Austausch unter den Teilnehmern und Coaches, das stete Hinterfragen der eigenen Ideen führt dazu, dass manche Idee innerhalb einer Woche völlig neu aufgegleist wird.
An dem Abend behandelte Pierre Comte, CEO Sigma Professional und aktiver Coach des CTI Startup, folgende Themen: Innovationsarten, Geistiges Eigentum, Bruttomarge und Wertgenerierung für die Kunden. Als Roter Faden für diese Session diente das Geschäftsmodell von Alex Osterwalder (Business Model Generation, 2010).
Es muss nicht unbedingt revolutionär sein
Am Anfang stand die Gretchenfrage im Zentrum, die sich jedem Gründer stellt: «Wie hast Du’s mit der Innovation?» Ist sie inkrementeller, substantieller oder gar revolutionärer Natur? Oder handelt es sich doch eher um eine «Me too»-Idee nach Art der Samwers?
Innerhalb einer halben Minute mussten die Teams diese Fragen vor den anderen Teilnehmern beantworten. Dabei zeigte sich, dass alle vorgestellten Projekte im Bereich zwischen inkrementeller und substantieller Innovation anzusiedeln sind. Die grosse Revolution bliebt an diesem Abend aus – was nicht schlecht sein muss.
Comte führte aus, dass inkrementelle bis substantielle Innovation meist die ideale Innovationsart für Startups sei. Nicht nur die Kosten seien relativ gesehen tiefer, sondern auch die Risiken. Revolutionäre Innovationen dagegen benötigten viel Zeit und starke Partner, manchmal sei gar staatliche Unterstützung nötig, um einer solchen Idee zum Durchbruch zu verhelfen.
Wer über Innovation spricht, muss auch über geistiges Eigentum sprechen. Für Comte ist in diesem Zusammenhang die Welt in Ordnung, solange die Umsetzung der Idee gut geschützt ist. Und so schien ihn denn die Frage eines Studenten leicht zu verwirren, ob Patente den Erfolg eines Startups nicht auch behindern könnten. Ein Professor habe dargelegt, dass Patente eine Neugründung auch behindern könnten.
Für Comte ist der Fall klar: Geistiges Eigentum muss geschützt werden, denn bei der Bewertung eines Startups durch Investoren stehe eine Frage stets im Zentrum: Inwieweit ist die Idee vor potentiellen Copy Cats geschützt?
Geistiges Eigentum – kooperiere mit Deiner Universität
Nach einer kurzen Erklärung zu den Unterschieden zwischen Patenten und Urheberrechten kam Comte auf ein praktisches Problem zu sprechen: Patentkosten. Zwar sind diese hoch, doch können Gründer aus dem universitären Umfeld auf die Unterstützung ihrer Alma Mater setzen.
Wie das funktioniert, legte Comte anhand von Googles PageRank-Algorithmus dar. Diesen liess die Universität Stanford 1996 patentieren und gewährte Google die Nutzungsrechte. Das Startup profitierte vom Knowhow der Universität und Stanford vom späteren Erfolg des Suchmaschinengiganten.
Eine solche Kooperation lohnt sich freilich auch in weniger spektakulären Fällen für beide Seiten. Wer vor der Frage steht, wie er sein Geistiges Eigentum schützen kann, findet sicher Unterstützung: Für die Universitäten Bern, Basel und Zürich ist die Unitectra für die Abwicklung von IP-Rechten zuständig und an der ETH Zürich der ETH Transfer.
Bevor ein Patent angemeldet wird, sollte freilich sorgfältig recherchiert werden, um sicherzustellen, dass die Erfindung oder Teile davon nicht bereits in der Fachliteratur bekannt und patentiert sind. Comte empfiehlt folgende Dienste: Google Scholar, Nerac und SciVerse Scopus. Natürlich können solche Internetdienste keinen Rechtsberater ersetzen.
Bruttomarge – die einfache, aber wichtige Kennzahl
Neben rechtlichen kamen auch betriebswirtschaftliche Aspekte zur Sprache. Zwar sind Finanzplanung und Investitionsrechnung erst Thema an einem Kursabend im April, dennoch präsentierte Comte bereits an diesem Anlass eine wichtige Finanzkennzahl: die Bruttomarge.
Als praktische Übung sollten die einzelnen Gruppen nicht nur die typischen Bruttomargen in ihren Branchen ermitteln, sondern auch das durchschnittliche Niveau der Forschungs- und Entwicklungs-Budgets. Der Grund: Nur eine hohe Bruttomarge kann hohe Forschungs- und Entwicklungskosten decken.
Die Unterschiede zwischen den Branchen sind teilweise beträchtlich. Als Beispiel zeigen wir Euch, wie es in der Computersoftwarebranche aussieht: Dort beträgt die Bruttomarge durchschnittlich 95% des Umsatzes. Als kleine Faustregel gilt, so Comte, dass die Bruttomarge nicht weniger als 50% des Umsatzes betragen sollte. Bei einem Umsatz von 1’000 CHF sollten also die Umsatzaufwendungen nicht mehr als 500 CHF betragen.
Jahresberichte von Unternehmen dienen nicht nur als Informationsquelle für Shareholder, sondern auch vor allem für die Konkurrenz. Deshalb empfiehlt Comte, die Jahresberichte der Wettbewerber – und damit ihre Bruttomargen – stets im Auge zu behalten.
Kunden kaufen nicht Produkte, sondern Leistungen
Idee: check; Innovation: check; Patent: check; Kunden: well… Quasi als Abrundung wurde der wichtigste Erfolgsfaktor behandelt: Die Wertgenerierung für die Kunden. Denn die abgefahrenste technologische Entwicklung hilft nichts, wenn keiner sie nutzen will. Die Kaufentscheidung von Kunden hängt von zwei einfachen Variablen ab. Einerseits wird der wahrgenommene Nutzen des Produkts oder der Dienstleistung in die Waagschale gelegt und andererseits die Kosten für den Kunden. Nur wenn das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt, hat man reale Chancen auf Erfolg. Dabei zählen weniger die materiellen Eigenschaften des Produkts, sondern vielmehr die Leistungen oder der Nutzen. Marketingexperten wissen das: So wurde zum Beispiel der iPod im Jahr 2001 nicht mit technischen Eigenschaften (5 Gigabyte Speicher) beworben, sondern mit dem verständlichen Slogan «1000 songs in your pocket».
Viel gelernt – nächste Woche geht es weiter
Im vierstündigen Kurs, welcher jeden Donnerstagabend an der Universität Zürich stattfindet, lernen die Teilnehmenden viel – mehr als hier in diesem Artikel Platz hätte. Neben den vielen unterschiedlichen Konzepten ist die kritische Auseinandersetzung mit dem eigenen Projekt während des Kurses zentral. Schon kommenden Donnerstag geht es wieder weiter: Coach Christian Schaub wird das Modul Marketing leiten.
Weitere Informationen gibt’s auf der Website des Venturelab.