Kunden, die nicht zahlen, sind der Albtraum jedes Unternehmens. Unser Gastautor verrät, wie Startups sich schützen können.

von Rechtsanwalt Martin Steiger

Martin SteigerLiquiditätsplanung ist für Startup-Unternehmen überlebenswichtig. Sie nützt aber nichts, wenn die Vertragspartner – buchhalterisch als Debitoren bezeichnet – nicht fähig oder willig sind, ihre Rechnungen fristgerecht bezahlen. Nachfolgend deshalb die wichtigsten Tipps, wie Startups in der Schweiz vermeiden können, Debitorenverluste oder zumindest Abschreibungen auf Debitoren verbuchen zu müssen.

1. Vorauszahlungen und Sicherheiten

Startups als Gläubiger scheuen sich häufig, eine Vorauszahlung zu verlangen oder sich andere Sicherheiten einräumen zu lassen. Sie spielen in der Folge «Bank» für ihre Vertragspartner und gehen übermässige Risiken ein.

Wo eine Vorauszahlung nicht möglich ist, sollte zumindest eine angemessene Anzahlung («Akonto») verlangt werden. Vertragspartner, die nicht bereit sind, eine solche Anzahlung zu leisten, werden später ihre Rechnung vermutlich auch nicht bezahlen. In Frage kommen ausserdem Zwischenrechnungen in Abhängigkeit vom Fortschritt in der Vertragsabwicklung. Bei grösseren Beträgen kann es sinnvoll sein, sich ein Pfandrecht einräumen zu lassen oder auf kreditwürdige Personen zu bestehen, die eine Bürgschaft leisten oder als Solidarschuldner haften. Besondere Vorsicht ist bei Vertragspartnern im Ausland geboten.

2. Bonität prüfen

Vertragspartner, bei denen mit Zahlungsschwierigkeiten zu rechnen ist, sind leider häufig nicht auf Anhieb zu erkennen. Ihre Bonität – Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit – sollte deshalb vor dem Vertragsschluss geprüft werden, insbesondere wenn keine oder ungenügende Sicherheiten vorhanden sind.

Für eine einfache Bonitätsprüfung bietet sich neben dem Einholen von Referenzen ein aktueller Auszug aus dem Betreibungsregister am Sitz des Vertragspartners an. Für ein Auskunftsgesuch muss ein Interesse glaubhaft gemacht werden, wozu der dokumentierte Verweis auf den geplanten Vertragsabschluss normalerweise genügt. Eine einfache Betreibungsauskunft kostet 17 Franken. Es empfiehlt sich, ausdrücklich Auskunft über die maximal möglichen letzten fünf Jahre zu verlangen. Bei Vertragspartnern, die ihren Sitz erst gerade gewechselt haben, ist ein «leerer» Betreibungsregisterauszug nicht aussagekräftig und es sollte eine Auskunft am früheren schweizerischen Sitz eingeholt werden.

Angaben zu früheren Sitzen, zu etwaigen früheren Namen des Vertragspartners und zu den beteiligten Personen finden sich im Handelsregister, sofern für den Vertragspartner ein Eintrag vorliegt. Geschäftliche Vertragspartner müssen, falls sie keine kleinen Einzelunternehmen sind, im Handelsregister eingetragen sein, lediglich bei freien Berufen wie Ärzten oder Rechtsanwälten ist ein Handelsregistereintrag nicht üblich. Teilauszüge aus dem Handelsregister sind via «Zefix» online kostenlos verfügbar.

Bonitätsauskünfte von Wirtschaftsauskunfteien sind für kleine und mittlere Startup-Unternehmen (KMU) üblicherweise zu teuer, falls Einzelabklärungen notwendig sind. Bei einfachen Auskünften hingegen kann sich auch für KMU lohnen, die Dienste einer Wirtschaftsauskunftei zu nutzen, sofern deren Auskünfte über die Angaben in Betreibungs- und Handelsregister hinausgehen. In einigen Branchen haben die Unternehmensverbände Rabatte mit Wirtschaftsauskunfteien ausgehandelt.

3. Gebühren, Fristen, Dokumentation

Alle bestehenden Vertragsverhältnisse sollten schriftlich oder elektronisch dokumentiert werden, damit Forderungen aus nicht bezahlten Rechnungen belegt werden können. Gesetzlich bestehen grundsätzlich keine Zahlungsfristen, sondern Rechnungen sind jeweils per sofort fällig und danach fallen Verzugszinsen von fünf Prozent an. Wer seinen Vertragspartnern dennoch Zahlungsfristen einräumen möchte, sollte diese möglichst kurz wählen und jeweils deutlich kommunizieren. Daneben besteht die Möglichkeit, bestimmte Mahngebühren im Voraus vertraglich zu vereinbaren.

4. Richtiges Rechnungs- und Mahnwesen

Rechnungen sollten so bald wie möglich nach jeder Leistungserbringung gestellt und die Zahlungsfristen ständig auf ihre Einhaltung geprüft werden. Säumige Vertragspartner sollten höflich, aber bestimmt gemahnt werden. Gängig, aber nicht zwingend sind drei Mahnungen.

Achtung: Startups, die nicht über ein organisiertes Rechnungs- und Mahnwesen verfügen, riskieren den vollständigen Ausfall ihrer Forderungen. Einerseits droht die Verjährung – Mahnungen unterbrechen die Verjährung nicht! –, andererseits kann ein zahlungsunfähiger oder -unwilliger Vertragspartner bei unnötig langem Zuwarten bereits Konkurs angemeldet, seinen Sitz ins Ausland verlegt oder andere Gläubiger vorgängig befriedigt haben. Häufig können nur jene Gläubiger ihre Forderungen durchsetzen, die hartnäckig und zeitnah an ihre Schuldner gelangen.

5. Zwangsvollstreckung

Die Zwangsvollstreckung ermöglicht die Durchsetzung von Forderungen auf dem Rechtsweg. Für eine Betreibung bestehen keinerlei Voraussetzungen – auch nicht drei vorgängige Mahnungen. Das Betreibungsbegehren muss an das zuständige Betreibungsamt gerichtet werden und ist für den Gläubiger kostenpflichtig: Eine Betreibung über eine Forderung von CHF 5’000 beispielsweise kostet 73 Franken. Aufgrund des Betreibungsbegehrens wird dem Schuldner ein Zahlungsbefehl zugestellt und es erfolgt ein Eintrag im Betreibungsregister.

Verweigert der Schuldner mit dem so genannten Rechtsvorschlag, der grundsätzlich ohne Begründung erfolgen kann, die Bezahlung, muss die Zwangsvollstreckung mit zusätzlichen Kostenaufwand und -risiko vor Gericht durchgesetzt werden.

6. Externe Unterstützung

Unzählige Unternehmen bieten Dienstleistungen für das fachgerechte Inkasso von Forderungen an. Ob der Ertrag die Kosten wert ist, muss im Einzelfall geprüft werden. Relevante Kriterien sind insbesondere die Zahlungsfähigkeit des Vertragspartners sowie Höhe und Grund der Forderungen. Eine Fachperson kann helfen, eine solche Abwägung vorzunehmen.

Bei der Zwangsvollstreckung ist es empfehlenswert, spätestens nach erfolgloser Betreibung oder beim Verdacht, der Schuldner wolle Vermögenswerte beiseite schaffen, einen Rechtsanwalt zu beauftragen. Bei einer streitigen Forderung lohnt sich der Umweg über andere Fachleute wie beispielsweise Treuhänder nicht, da die gewerbsmässige Vertretung vor schweizerischen Gerichten nur Rechtsanwälten gestattet ist. Ein Rechtsanwalt kann auch bei einem nicht-streitigen Vorgehen gegen einen zahlungsunwilligen Vertragspartner unterstützen. Mit einem Schuldner, der zahlungswillig, aber nicht zahlungsfähig ist, kann beispielsweise einvernehmlich ein Abzahlungsvertrag geschlossen werden.

Hohe Kosten, viel Zeitaufwand und Ärger lassen sich sparen, wenn frühzeitig und nicht erst bei überfälligen Forderungen die Beratung durch einen Rechtsanwalt oder eine andere geeignete Fachperson gesucht wird. Bei der Vertragsgestaltung, gerade auch bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), kann sie helfen, vertragliche Formulierungen jenseits der gängigen Standardvorlagen zu erarbeiten.

Empfehlungen

Für Startups ist es überlebenswichtig, dass die Zahlungsfähigkeit und -willigkeit ihrer Vertragspartner mit der Liquiditätsplanung übereinstimmt. Unnötige Kosten für die Zwangsvollstreckung können vermieden werden, wenn wie oben beschrieben die Bonität der Vertragspartner vorgängig geprüft wird, Absicherungsmöglichkeiten wie An- oder Vorauszahlung konsequent genutzt werden, von Anfang an eine entsprechende Gestaltung und Dokumentation der Vertragsverhältnisse erfolgt sowie ein funktionierende Rechnungs- und Mahnwesen besteht. Lässt sich eine Betreibung oder gar ein Zwangsvollstreckungsverfahren nicht vermeiden, sollte das Vorgehen in Zusammenarbeit mit einem Rechtsanwalt möglichst kosteneffizient gestaltet werden.

Handfeste rechtliche Tipps vom Profi zu einem Startup-Thema gibt es regelmässig in der Rubrik «Recht für Startups». Wer eine Frage als Themenvorschlag für unseren Gastautor unterbringen möchte, tut dies am besten via die Tippsbox.

Zum Autor: Martin Steiger studierte an der Universität St.Gallen (HSG) und ist langjähriger Anwalt für Recht im digitalen Raum. Die Schwerpunkte seiner Anwaltskanzlei in Zürich liegen im IT-, Immaterialgüter- und Medienrecht. In seiner Freizeit engagiert er sich unter anderem bei der Digitalen Gesellschaft und bei TEDxZurich.

Im Zweifelsfall, bei Unklarheiten und für Abklärungen im Einzelnen empfiehlt sich die Beratung durch eine Fachperson wie beispielsweise einen Rechtsanwalt.