Ein Augenschein vor Ort bei der venture challenge. Es ging um Business-Strategien, das Hedgehog-Konzept und das Förderband des Todes.
Was hat Apple erfolgreich gemacht, was Coke? Solche Fragen sollen bei den Teams den Blick für clevere Geschäftsmodelle und die passenden Strategien schärfen.
Es ist der dritte Abend des aktuellen Kurses an der ETH Zürich, Thema Business-Strategien. In der vorigen Woche ging es um die Grundlagen der Marktanalyse: Das Suchen nach Business Opportunities. Das heisst, Überlegungen zu Stärken und Schwächen, Marktsegmenten, Kundennutzen, die Recherche wichtiger Informationen, und so weiter. Jetzt werden diese Ansätze konkreter. Ziel ist, aus der eigenen Idee ein Geschäftsmodell zu machen.
Die fünf teilnehmenden Teams lösen Aufgaben zum jeweiligen Schwerpunkt und präsentieren ihre Projekte dazu an jedem Kurstag. Gearbeitet wird mit dem Business Model Canvas von Alex Osterwalder, auf dem die Grundzüge des Geschäftsmodells visualisiert werden.
Vorher steht ein Referat von Andreas Ziltener, Dozent an der HSG, zu den Basics strategischer Überlegungen. Die Grundfrage: Was muss ich heute tun, um morgen erfolgreich zu sein?
Ziltener zieht die Frage nach erfolgreichen Strategien anhand von Vorzeigefirmen auf. Sein empfohlener Lesestoff umfasst zwei Bücher:
Built to Last (Affiliate-Link) entwickelt die Theorie, dass vor allem die Firmen nachhaltigen Erfolg haben, die sich grosse Ziele (im Buch: big, hairy, audacious goals) setzen. Wichtig dabei: diese Ziele müssen konkret, motivierend, klar formuliert und erreichbar sein.
In Good to Great (Affiliate-Link) schaut sich derselbe Autor (Jim Collins) an, was gute Unternehmen als gemeinsame Merkmale in ihrer Kultur mitbringen. Daraus formuliert er das Hedgehog-Konzept. Das zielt darauf ab, was Firmen robust gegen die Konkurrenz macht. Es basiert auf drei kurzen Fragen:
1. Was kannst du besser als alle anderen?
«A Hedgehog Concept is not a goal to be the best, a strategy to be the best, an intention to be the best, a plan to be the best. It is an understanding of what you can be the best at.»
2. Was ist deine Ertragsmechanik? Such dir die Kennzahl (profit pro x) aus, die deine Prioritäten richtig abbildet.
«The denominator can be quite subtle, sometimes even unobvious. The key is to use the question of the denominator to gain understanding and insight into your economic model.»
3. Was motiviert dich, um leidenschaftlich für deine Idee zu kämpfen?
«You can’t manufacture passion or «motivate» people to feel passionate. You can only discover what ignites your passion and the passions of those around you.»
Fokus, Fokus, Fokus
Ein Wort, das an diesem Abend immer wieder fällt, ist «Fokus»: Konzentrier dich auf deine Stärken, auf das profitabelste Marktsegment, auf die Nische, auf ein Profilierungsmerkmal.
Das ist auch die Kritik, die die meisten der Teams nach ihren Präsentationen mitnehmen. Meist sind die richtigen Ideen zwar da, aber das Ertragsmodell noch nicht abgegrenzt genug, um darauf später ein Marketingkonzept oder ähnliches aufzubauen.
Hier übrigens noch zwei Take-Away-Ratschläge, die Ziltener auf Nachfragen von Studis gibt:
- Welche Kunden sollen wir als erstes anzielen (es geht um ein B2B-Business)? Die Antwort: Geht davon aus, welches Segment ihr am besten kennt, welches euch am nächsten liegt und wo ihr am meisten Kontakte und Kenntnisse mitbringt. Die eigentliche Frage ist nicht etwa, was der grösste Markt ist, sondern welches die am tiefsten hängenden Früchte sind.
- Das Bild vom «Förderband des Todes»: Hier geht es um eine systematisch bei Technologie-Startups auftretende Falle. Ziltener skizziert ein Förderband, das in den Abgrund führt. Darauf platziert sind der Reihe nach die Phasen Idee, Forschung & Entwicklung, Fertigung, Verkauf und – Tod. Der Gedanke dahinter: nach dem Verkauf des ersten Produkts fallen viele Techstartups vom Band, aus dem einfachen Grund, dass nichts mehr an neuen Produkten nachkommt. Um die Falle zu vermeiden, sollten Techstartups von Anfang an eine Produkte-Pipeline nicht nur im Kopf haben, sondern sie zum fixen Teil ihrer Strategie machen. Das Ziel ist, zum Ende des Lebenszyklus des ersten Produkts schon mit dem nächsten in den Startlöchern zu stehen.
High-Tech-Teams
Was für Ideen haben die Teams im Gepäck? Jede Menge High-Tech. Wie erwähnt sind fünf Projekte im Kurs dabei. Eines davon, ein Medtech-Projekt, darf ich hier aufgrund eines laufenden Patentverfahrens nicht nennen. Die übrigen vier Teams haben ihr Okay für eine Erwähnung gegeben:
- Quantum Internet. Basierend auf einer Neuentwicklung im Bereich der Signalübertragung möchte das Team das Konzept der quantenkryptographischen Verschlüsselung als Produkt auf den Markt bringen und kommerzialisieren. Das System würde auf bestehender Glasfaser-Infrastruktur aufbauen und hochsichere Kommunikation für Kunden anbieten, die auf Geheimhaltung ihrer Daten angewiesen sind.
- Ruben Dezeure präsentierte ein Projekt, mit dem sein Team ziemlich weit vor der Innovationskurve liegt. Die Idee ist ein Online-Marktplatz für 3D-Printvorlagen. Sie basiert auf der Annahme, dass in wenigen Jahren 3D-Drucker in den meisten Haushalten Einzug halten werden. Die Vision des Teams ist eine Art Amazon für passende Druckvorlagen – wo sich alle denkbaren Gegenstände (bzw. die basierenden Designs) anbieten und kaufen lassen – zum «Ausdrucken» der Produkte zuhause.
- Bernhard Sebastian präsentierte Kwiktest, einen Schnelltest für Krankheiten. Dieser soll in Zukunft die rasche Diagnose von auftretenden Symptomen erlauben. Das Produkt basiert auf neuen Erkenntnissen in der Mikrofluidik, man kann es sich in der Verwendung ähnlich vorstellen wie einen Schwangerschaftstest für Zuhause. Damit liessen sich dann etwa feststellen, ob eine Fieberattacke das Resultat einer Grippe ist oder nicht.
- Lutz Kummer und Dirk Tremmel haben eine «Technology platform based on molecular evolution to access new targets for drug discovery» in petto. Diese basiert auf einem neuen Reinigungsverfahren für Proteine. Das Verfahren soll einerseits ermöglichen, diese Proteine für Medikamententests zur Verfügung zu stellen, zum anderen wollen die Gründer dereinst selber Medikamente auf Basis dieser Plattform entwickeln.
Vier Kurse der venture challenge werden dieses Semester angeboten, zwei an der ETH Zürich, je einer an der Uni Basel und der ZHAW Winterthur.