Schluss mit der Gratismentalität: Das Zürcher Startup milliPay will einen Kulturwandel bei der Monetarisierung von Webinhalten herbeiführen.
Ein Startup möchte den Journalismus retten – zumindest wollen die Gründer mit der Lösung zum momentan grössten Problem der Verlagshäuser aufwarten: einer Möglichkeit, digitale Inhalte im Netz zu monetarisieren. Kein leichte Aufgabe, beissen sich doch die Medienunternehmer an diesem Problem nach wie vor die Zähne aus.
Vor kurzem hat das Team von milliPay die zweite Runde bei venture kick erfolgreich absolviert – eine gute Gelegenheit, einen Blick auf das Startup zu werfen. Mitgründer und Entwickler Andreas Sprock erklärt mir die Idee von milliPay bei einem Kaffee.
Bisher gibt es kein Bezahlsystem, mit dem Kleinstbeträge – zwischen einem Tausendstel Rappen und 2 Franken – verarbeitet werden können. Dabei könnte ein solches neue Einnahmenquellen für Contentanbieter erschliessen.
Bezahlung im Netz ist ein schwieriges Thema – eine Lösung müsste bei Content-Anbietern ankommen und auch von der Netzgemeinde angenommen werden. Für die Gründer von milliPay ist der Schlüssel dazu die Einfachheit. Die nötige Zahlungsbereitschaft für Kleinstbeträge weniger Rappen gebe es bereits, unter der Bedingung dass sie simpel funktionieren. Andreas nennt als Beispiel die SMS.
Auf dem Internetangebot einer Zeitung würde das so aussehen, dass der Nutzer sich mit einem einmal gemachten milliPay-Account einloggt. Anschliessend würde das System – wenn vom Kunden so gewünscht – ohne weitere Bezahlaufforderungen die geklickten Links im Hintergrund abrechnen. Ein Konto bei einem Partner-Broker sammelt die Kleinstbeträge und verbucht sie.
Bezahlen salonfähig machen
Die Debatte ist aktuell wie nie: milliPay liefert auf seiner Webseite einen Pressespiegel mit Artikeln zur Krise der Journalismus und macht klar, wen man als Kunden ansprechen will: die Zeitungsverlage. Denn bei denen brennt’s: Vielerorts sinken die Abonnentenzahlen, das Publikum verlagert sich ins Internet, liest zunehmend das, was umsonst ist. Die Zeitungen stehen vor der Frage, ob und wieviel ihrer Inhalte sie im Web verschenken und per Werbung zu finanzieren versuchen, ob sie nur gegen Bezahlung zugänglich sein sollen oder es eine sinnvolle Mischung geben könnte.
Das Problem dabei: Werbung generiert wenige Erträge, zudem drückt die zunehmende Verbreitung von Adblockern auf die Einnahmen. Gleichzeitig sorgen mangelnde Zahlungsbereitschaft und die Konkurrenz von Gratisangeboten dafür, dass die meisten mit Paywalls konfrontierten Surfer auf dem Absatz kehrt machen.
Was kann da ein eine technische Plattform ausrichten?
Beide Seiten glücklich machen
MilliPay will mit seinem Micro-Payment-System das Bezahlen einfacher und effizienter machen und damit die Hemmschwelle für die Kunden senken. Damit haben sich die Gründer einen besonders kniffligen B2B-Markt ausgesucht, schliesslich hängt der Erfolg von gleich zwei Faktoren ab:
Erstens müssen die Gründer die Verlage an Bord bekommen, und zwar gleich mehrere zusammen – ein solches Projekt lebt von der Masse. Verlagshäuser sind aber grosse, träge Konzerne, Innovationen gegenüber grundsätzlich skeptisch eingestellt – besonders bei Experimenten mit ihrem Ertragsmodell. Hier müsste milliPay Befürchtungen zerstreuen, Papier- und neue Tablet-Abos zu konkurrenzieren oder durch Bezahlpflicht den Website-Traffic abzuwürgen.
Zweitens gilt es, die potentiellen Kunden davon zu überzeugen, dass sie hier nicht nur eine weitere Paywall vor sich haben. Denn sobald eine Kreditkarte gezückt werden muss, zeigt sich deutlich ob eine Lösung wirklich Akzeptanz findet. Und wie man vom Micropayment-Dienst flattr lernen kann: Niederschwelligkeit allein reicht nicht für Zahlungsbereitschaft – der Erfolg der flattr-Plattform ist bislang durchwachsen. Das grosse Hindernis bleibt wie bei anderen Bezahlmodellen, einen potentiellen Nutzer zur anfänglichen Registrierung zu bewegen. Dazu haben sich die Gründer Preismodelle für einen möglichst sanften Einstieg überlegt. So könne man etwa nur 20 Prozent der Artikel einer Website kostenpflichtig oder die Zahlung abhängig von der Aktualität der Inhalte machen. Auch die Newsroom-Idee verschieden bepreister Versionen einzelner Inhalte, vom knappen Überblick bis zur vertieften Analyse, ist mit dem System machbar.
Verschlüsselung als Kniff
Dass noch kein solches System existiert, liegt unter anderem an den Transaktionskosten, die solche Transfers bisher unrentabel machen. Hinzu kommt, so Andreas, dass die momentan eingesetzten Verschlüsselungen zu aufwändig sind. Wer unterwegs beim Surfen eine Abbuchung von einem Rappen für einen Artikel genehmigt, mag nicht ein halbe Minute warten wie bei einem Paypal-Bezahlprozess. Hier kommt die technische Seite von milliPay ins Spiel: Kern der Lösung ist eine neue kryptografische Methode; deren Clou ist das Verhältnis des Verschlüsselsaufwands zur Höhe des Betrags. Diese Verschlüsselung der einzelnen Transaktion ist weniger komplex und darum mit geringerem Rechenaufwand verbunden. Das sorgt dafür, dass sie im Hintergrund ablaufen kann.
Verlage sind nicht die einzige Zielgruppe für Micro-Payment-System, die Gründer haben auch zusätzliche Märkte auf dem Radar. Die Technologie eigne sich für eine ganze Reihe von Anwendungen, on- und offline: der Abrechnung von Wirelesszugängen zum Beispiel oder dem „Betanken“ von Elektroautos. Erstes Ziel sind aber die Verlage. Für sie hat milliPay definitiv eine clevere Technologie im Gepäck. Der Erfolg wird aber mehr als von dieser von einer durchdachten Pricing-Strategie für Inhalte abhängen, mit der man die Verleger überzeugt.
Vom System steht bisher ein erster Prototyp. Marktreif soll die Plattform 2012 sein.