David gegen Goliath – flink und schlau gegen gross und träge. Könnte ähnliches nicht auch für Startups und etablierte Firmen gelten?
In meinem letzten Artikel ging ich der Frage nach, Warum Absolventen bei einem Startup anfangen sollten. Startups haben doch haufenweise Nachteile, könnte man meinen: zu wenig Personal, kaum Kunden, noch keinen gesunden Cash Flow. Verglichen mit etablierten Unternehmen haben Startups eigentlich nur Nachteile, oder?
In Wirklichkeit ist vieles davon genau betrachtet ein Vorteil. Denn ganz so unterlegen sind Startups auch von Anfang an nicht, wenn sie gegen grosse Unternehmen kämpfen. Erinnert sei an Evernote, das sich immerhin gegen Google Notebook durchgesetzt hat. Ich sehe folgende Vorteile, die ein kleines und leichtes Startup im Wettbewerb mit grossen Unternehmen hat:
- Startups denken und handeln schneller als grosse Organisationen
- In grossen Organisationen kann es passieren, dass Team-Mitglieder ihre Meinung an erwartete Meinungen anpassen. Dieses Phänomen nennt sich Gruppendenken und führt zu sehr schlechten Entscheidungen. Aufgrund der geringeren Grösse tritt es in Startups kaum auf.
- Aus diesen beiden Gründen sind Startups in der Lage, Fehler schneller einzugestehen. Grosse Firmen schmeissen oft gutes Geld schlechten Investitionen hinterher, damit niemand sein Gesicht verliert. Startups können es sich nicht leisten, das Prinzip der versunkenen Kosten zu ignorieren.
- Startups haben noch keine Bürokratie aufgebaut: Ihr Ziel ist anfangs nicht Prozessqualität, sondern der Produkt/Markt-Fit. Das Fehlen von Bürokratie sorgt für mehr Kreativität.
- Das haben wir schon immer so gemacht: Bei Startups hat man überhaupt noch nicht viel so oder so gemacht, also fällt dieser häufigste aller Blockade-Sätze aus.
- Büro-Politik: Was sich bei grossen Firmen kaum vermeiden lässt, gibt’s in Startups nie – selbstzerstörende interne Grabenkämpfe.
- Kostenbewusstsein: Grosse Firmen sind gewohnt, viel Geld in die Hand zu nehmen. Gründer-Teams bei einem Startup verhalten sich (oft) kostenbewusster.
- Risiko-Aversion: Der interne Wettbewerb um den Aufstieg führt in grossen Unternehmen dazu, dass Fehler eher bestraft als Erfolge belohnt werden. Das ergibt den Anreiz, sich mehr aufs Fehler-Vermeiden zu konzentrieren als aufs Erfolge-Finden. Bei Startups ist es genau umgekehrt – man braucht einen Erfolg, bevor das Geld alle ist.
- Anonymer Durchschnitt: In einem Startup kannst Du Dich nicht verstecken: alles, was Du tust, ist sichtbar für alle. Sich in einem grossen Unternehmen zu verstecken, ist viel einfacher (mehr Tipps zum Faulenzen im Büro bei Spiegel Online).
- Startups kennen ihre Kunden oft persönlich (weil es nicht so viele gibt). Diese Nähe zum Kunden fehlt grossen Unternehmen meist: Feedback verhallt ungehört oder braucht zu lange, um auf die richtigen Ohren zu treffen.
Kennst Du weitere Vorteile von Startups?
Als Mitarbeiterin eines Startups kann ich nur sagen: Ja, ja, ja! :)
Die von dir beschriebenen Vorteile schaffen eine unglaublich bereichernde Arbeitsatmosphäre. Ein Riesenvorteil in meinen Augen ist in Startups auch: mehr Spaß am Job. Die Tatsache, dass ich aktiv etwas Neues miterschaffen kann, steigert die Identifikation mit dem Unternehmen und ist ein ganz schöner Motivationsbooster.
t3n-Linktipps: Satirevideo vom Social Media Elite Club entfernt, Größen-Vorteile von Startups, Firefox 5 » t3n News
Vielen Dank für den guten Artikel. Das sind die Gründe, warum ich nach 10 Jahren in 2 Konzernen kürzlich ein Start-up Unternehmen gegründet habe.
Ich bin auch der Meinung, dass ein Start-up ein besseres Umfeld für junge, ambitionierte Menschen bietet.
Ein weiterer Vorteil von kleinen Unternehmen bzw. Start-ups ist z.B., dass sie als Lieferant bei grösseren Unternehmen mit genau diesen Vorteilen punkten können.
Ich möchte davor warnen, Konzerne zu ignorieren. Sie sind zwar nicht die schnellsten und innovativsten, sind aber wichtige Unternehmen im Kundenstamm auch – oder gerade – von Start-ups. Je nach Geschäftsmodell macht es Sinn, „David MIT Goliath“ anzustreben. Dazu muss man „den Konzern“ verstehen, ihn akzeptieren wie er ist und leider oft auch nach seinen Regeln spielen. Konzerne können im Gegenzug wichtige Geschäfts- und Wachstumsmöglichkeiten bieten.
Viele Grüsse,
Thomas
Danke für die Hinweise, Thomas, und die Bestätigung, Tanja.
Ich will Konzerne in keiner Weise ignorieren. Ich will hier eigentlich nur zeigen, dass es auch für kleinste Neu-Ankömmlinge in einem von Konzernen dominierten Markt Vorteile gibt. Und, in Verbindung mit meinen früheren Artikel der am Anfang verlinkt wird, zeigen, dass es für Absolventen sehr viel Sinn macht, sich nicht nur bei den größten Namen zu bewerben – auch für ein Startup arbeiten, macht Spaß und bringt was für die Karriere.
Den Konzern verstehen ist schwer. Wenn man wie Du 10 Jahre Konzerne von innen gesehen hat, geht das. Ohne diese Erfahrung ist und bleibt es schwer.
Man sollte vielleicht auch die ökonomische Seite nicht ganz vergessen. Eine offene Kultur ist ja schön und gut, aber letztlich dürften nüchterne Überlegungen zur Interessenlage eine entscheidende Rolle spielen. Für Grossunternehmen, deren Geldbeutel gut genug gefüllt ist, um Jungunternehmen zu kaufen, ist es ökonomisch halt nicht rational, Innovationen zu entwickeln, welche die eigenen Produkte kannibalisieren.
Ein Beispiel, wie ein Schweizer Start-up davon profitiert, liefert die Lausanner Abionic. Sie entwickelt günstige und kleine Geräte für die Diagnose von Krankheiten für Arztpraxen. Wenn alles gut geht, werden diese Geräte einmal grosse und teure Diagnostikgeräte in Labors ersetzen. Dass der Marktführer bei diesen grossen Laborgeräten nicht selbst Alternativen entwickelt, ist schlicht ökonomisch rational. Das Unternehmen wartet einfach ab. Sollte Abionic Erfolg haben, kann man das Start-up ja immer noch kaufen.