Designst du noch oder verkaufst du schon? Unser Gastautor plädiert für schnellere Produktentwicklung und dafür, es früher am Markt zu versuchen.

Von Dominic Blaesi, Gründer Flaschenpost.ch

In meinem Februar-Post habe ich unsere erste grosse Investitionsentscheidung kritisch hinterfragt. Unter anderem habe ich bemängelt, dass wir der Qualität unserer Dienstleistung eine zu grosse Bedeutung beigemessen und dabei die Vermarktung vernachlässigt haben.

Kurz zur Vorgeschichte: Im Rahmen unseres Strategieprozesses 2009 haben wir unsere Dienstleistung in zahlreiche Komponenten zerlegt, wie beispielsweise Sortiment, Logistik, Produktdarstellung und machten uns zum Ziel, in diesen Disziplinen „excellence“ zu erreichen. Entsprechend arbeiteten wir in den folgenden Monaten fast ausschliesslich an diesen Themen. Wir taten dies guten Gewissens, obschon nur wenig Zeit für die Vermarktung unserer Dienstleistung blieb. Einfach weil wir überzeugt waren, dass die Verkäufe praktisch von alleine kommen würden, wenn wir erst einmal das „perfekte Angebot“ hätten. In diesem Sinne hielten wir diese Vorgehensweise für absolut richtig und hatten eine gute Ausrede nicht verkaufen zu müssen.

Gefährlicher Perfektionismus

Wieso „Ausrede“? Was ist falsch daran, wenn man zunächst sein Angebot perfektioniert, bevor man es vermarktet? Wie ich immer wieder feststelle, ist diese Überzeugung, die uns lange geleitet hat, auch bei anderen Startups verbreitet. Ich erkläre mir das einerseits damit, dass die primäre Motivation der meisten Unternehmer in der Realisierung ihrer Geschäftsidee und nicht im Verkauf liegt. Andererseits fürchtet man sich möglicherweise vor nicht erfolgreichen Verkaufsanstrengungen, welche die Erfolgschancen des eigenen Business in Frage stellen würden.

Die Haltung „zuerst das Angebot, dann die Vermarktung“ kann für ein Startup gefährlich, vielleicht sogar lebensgefährlich sein. Zweifellos: Die Qualität der Dienstleistung muss stimmen. Doch zwischen einer „perfekten“ und einer „optimalen“ Qualität gibt es einen Unterschied. Erstere bezieht sich auf alle möglichen Dienstleistungskomponenten und zielt darauf ab, in jedem Fall besser zu sein als die Konkurrenz. Im Gegensatz dazu fokussiert sich ein optimaler Qualitätslevel auf die für die Kunden wirklich relevanten Angebotselemente und beherzigt die gute alte 80-20-Regel.

Motto: So viel wie nötig

Wie unsere Erfahrung zeigt, sind die letzten 20 Prozent nicht nur überproportional teuer (eine Binsenwahrheit), sondern die erzielten 80 Prozent reichen meist aus, um eine Dienstleistung mit gutem Gewissen vermarkten und den Kunden zufrieden stellen zu können. So würden wir heute beim Aufbau eines nächsten Unternehmens versuchen, den „Produkt-Designmodus“ schneller zu verlassen und früher in den „Verkaufsmodus“ zu wechseln. Das Motto lautet nicht „So viel Qualität wie möglich, bis ich mit der Vermarktung anfangen kann“, sondern „so wenig wie möglich und so viel wie nötig“. Dies nicht nur wichtig aufgrund der tieferen Produktentwicklungskosten und der höheren Cashflows, die sich schneller einstellen und die Zeit zum Break-even verkürzen. Es erlaubt auch, noch schneller vom Feedback aus dem Markt lernen und die Dienstleistung effizienter weiterzuentwickeln. (Einen spannenden Artikel zu den Vorteilen dieser Vorgehensweise hat auch Markus Kuhn von connex.io geschrieben: Soft-Launch vor Big Bang.