Auch beim Bootstrapping ist es irgendwann so weit: Wenn die Arbeitskraft des Gründerteams nicht mehr reicht und die erste Anstellung not tut.
von Dominic Blaesi, Gründer flaschenpost.ch
Im November 2008 haben Renzo und ich unseren ersten Mitarbeiter eingestellt. Doch es war nicht nur die Anstellung unseres ersten Mitarbeiters, sondern das erste Mal überhaupt, dass wir jemanden fest eingestellt haben.
Dominik Sieber arbeitete nach seiner Matura seit August 2008 auf Stundenlohnbasis sporadisch bei uns und unterstützte uns bei der Aufbereitung von Weindaten. Hin und wieder sammelte Domi die bestellten Weine bei unseren Partnerweinhandlungen ein, immer dann, wenn Renzo oder ich das aus Kapazitätsgründen nicht selber machen konnten. Um die Kosten möglichst tief zu halten, versuchten wir grundsätzlich so viel wie möglich selber zu machen und Domi nur einzusetzen, wenn es nicht anders ging. Des Weiteren hatten wir mit uns selber abgemacht, dass wir seinen Support nur bis längstens Ende Oktober 2008 beanspruchen wollen, um Spitzen zu brechen. Anschliessend wollten wir die Geschäfte wieder zu zweit führen.
Monstertage
Überzeugt von unserer Bootstrapping-Strategie verzichteten wir also per 1. November konsequent auf die Unterstützung von Dominik Sieber. Das Resultat der ersten Woche: Fünf Monstertage von sieben Uhr morgens bis Mitternacht plus Wochenendarbeit – und keine Besserung in Sicht. Doch man ist ja hart im Nehmen und hat sich seine Strategie gut überlegt, weshalb wir auch die folgende Woche zu zweit in Angriff nahmen. Das Weihnachtsgeschäft zog von Tag zu Tag mehr an und entsprechend entwickelten sich die Bestelleingänge. Doch gleichzeitig fristeten diverse Geschäftsentwicklungsideen auf der langen Bank und für eine aktive Vermarktung unserer Dienstleistung fehlte ohnehin schon seit längerem die Zeit, weil Renzo und ich komplett mit der Abwicklung des operativen Geschäfts absorbiert waren.
Am Dienstagnachmittag dieser Woche – ich war wieder selber am Weine einsammeln – telefonierten Renzo und ich miteinander, weil wir uns beide unabhängig von einander eingestehen mussten: Zwei sind einer zu wenig! Wir befanden uns in einer für Startups typischen und sehr gefährlichen Situation: wir waren in der „Ressourcen-Falle“. Wie bei der Liquiditätsfalle fehlen dem Unternehmen die nötigen Mittel, um das Geschäft weiterentwickeln zu können. Ändert man diesen Zustand nicht, läuft man Gefahr – möglicherweise in bester Absicht, die Fixkosten tief zu halten und nichts auszugeben, was man nicht vorher eingenommen hat – mit offenen Augen ins Verderben zu laufen. Zwar hat man die Kosten im Griff, doch leidet die Qualität und verpasst man es, künftige Erfolgspotentiale aufzubauen. Damit entzieht man seinem Startup die Grundlage für eine positive Zukunftsentwicklung. Die „Ressourcen-Falle“ ist wie die Liquiditätsfalle lebensbedrohlich. Da ihre negativen Auswirkungen aber weniger unmittelbar sind, ist sie vielleicht umso gefährlicher.
Der nächste Schritt
Unsere Einsicht, dass die anstehenden Aufgaben zu zweit nicht mehr zu bewältigen sind und die obige Erkenntnis bewogen uns dazu, uns – zumindest teilweise – von unserer Bootstrapping-Strategie zu verabschieden. So riefen wir Dominik Sieber noch am selben Abend an, um ihm ein Angebot für eine Fixanstellung bei uns zu machen. Zu unserer grossen Freude sagte Domi zu und bereits am nächsten Tag trat er seine Stelle an.
Um auf den Titel dieses Blog-Posts zurückzukommen: Auch wenn wir von der unternehmerischen Richtigkeit unserer Entscheidung fest überzeugt waren, liess sie uns bei einem Feierabendglas Wein in dieser ereignisreichen Woche doch noch einmal leer schlucken. Ab sofort waren wir nicht mehr nur für uns selber verantwortlich und die zusätzlichen Lohnaufwendungen mussten in Form von höheren Erträgen (mehr als) gedeckt werden können. Der gefühlte Erfolgsdruck nahm durch diesen Schritt erheblich zu und unser Commitment, uns dem Aufbau unserer Firma zu verpflichten, galt plötzlich in erhöhtem Masse einer weiteren Person, die sich auf uns verliess.
Rückblickend ist dieser Schritt – so klein er von aussen erscheinen mag – für uns bis heute einer der weitest reichenden gewesen. Nun meinten wir es richtig ernst.