Die Anschubfinanzierung durch Normalbürger ist keine Idee aus dem Internet. Wer seinem Quartier etwas bietet, kann es ja mal in der Nachbarschaft statt bei den Facebook-Freunden versuchen. Jedenfalls im Land der unbegrenzten Möglichkeiten.
San Francisco ist nicht nur die Hauptstadt der Tech-Gründerszene (was Leute aus dem Silicon Valley vehement verneinen und Palo Alto nennen), sondern auch ein gutes Pflaster für Non-Profit-Organisationen. Und überhaupt für neue, freche und andere Ideen. Und jedenfalls alles, was online stattfindet.
Lisa Lane hatte eine andere Idee – seit Monaten plant sie ihr Dessert-Restaurant gleich um die Ecke in meinem Quartier – „Yummy Stuff“, was soviel heisst wie leckeres Zeug. Ihre Leckereien allerdings erfüllen ganz spezielle Anforderungen: Sie sollen Allergikern die Sicherheit geben, die sie brauchen, um solche Mischprodukte essen zu können: Strikte Trennung von Nuss-, Ei-, Gluten und allen anderen, typischen Allergikerstoffen.
Aber auch oder grade in San Francisco ist es einfacher, für die 150ste Youtube-Kopie einen Risikokapitalgeber zu finden als für ein Allergiker-Restaurant. Also versucht es Lisa mit Croudfunding:
Denn Lisa und ihre Tochter Madison brauchen weder zehn noch zwei Millionen, sondern rund 50’000 Dollar, um den Laden endlich eröffnen zu können.
Und die versucht sie jetzt auf dem Crowdfunding-Weg zu finden. Das ist ein Web-Modell, das auf Masse und Mund-zu-Mund oder vielmehr Klick-zu-Klick basiert. Lisa hat das zurückübersetzt und den wesentlichen Teil ihrer Website – die Geschichte des Restaurants – in Form eines grossen Plakats ins Schaufenster gehängt.
Damit werden wir, die Nachbarn, gefragt, ob wir nicht auch genug davon haben, nur die Ankündigung und nicht das Restaurant selber zu sehen – und um Mithilfe gebeten.
Und weil die direkte Nachbarschaft des Ladens ja weniger von Zinsen und Profit als ganz einfach von guter Glacé profitieren möchte, ist Lisas Angebot für den Contributor-Club auch nicht auf monetären Gewinn ausgerichtet: Wer einen bestimmten Betrag spendet, erhält kostenlose oder stark verbilligte Desserts im Wert von 5 Dollar pro Tag für eine bestimmte Zeit. Das ist ein kalkulierbares Risiko für die Unternehmerin und für die Geldgeber dennoch eine materielle Teil-Dividende.
Vorauskasse, sozusagen, wie sie von manchen Tech-Firmen für Ihre Beta-Produkte angeboten wird.
Dabei lässt die Unternehmerin keinen Zweifel daran, dass es sich um Spenden handelt, dass ihre Firma profitorientiert ist und deshalb die Beiträge nicht steuerabzugsfähig sind, und schliesslich, dass sie für Yummy Stuff grössere Pläne hat als das Ecklokal in San Francisco: „Wir wissen, dass nicht alle, die unsere Idee unterstützen möchten, in der Bay Area leben. Wir versichern Euch, dass Ihr die gleichen Preiserlasse kriegt, sobald wir es in eure Stadt geschafft haben.“
Sie konnte indes bisher schon auf lokale ebenso wie nationale Unterstützung zählen – Allergikerorganisationen stehen – wenn auch offenbar nicht mit viel Geld – hinter ihr, und der Vermieter des Ladenlokals hat ihr die Miete für das gesamte erste Jahr erlassen.
Unternehmergeist, Geschäftsidee, Charme und viel Unterstützung kann Lisa vorweisen. Ob die Realwelt-Romantik am Ende zum Ziel führt und die Unterstützung des Quartiers funktioniert hat, wird sich am 12. Mai zeigen, wenn Lisa den Laden definitiv eröffnen will.