„Bei uns steht der Kunde im Zentrum“ – Aussagen zur Firmenkultur sind oft leere Platitüden. Woran erkennt man eine echte Kultur?

Company Culture: Wohin soll die Reise gehen?

Die Frage nach der Firmenkultur löst meist reflexhaftes Gähnen aus. Kein Wunder, ist sie doch die Domäne der PR-Abteilungen und taucht – gerade bei grösseren Firmen – meist nur in der Repräsentation nach aussen und in Stellenangeboten auf. Sieht man sich im Web nach Firmenkultur-Beispielen um, findet man entweder Management-Ratgeber oder Mission Statements mit den immer gleichen Themen.

Für die meisten ist die Firmenkultur ein Aushängeschild, eine Art Beiwerk, das man sich leistet, weil es eben dazugehört. In der Mehrzahl der Unternehmen kommen darum bei der Nachfrage auch nur Platitüden heraus – Phrasen, die wenig aussagen und sich nicht in der Realität niederschlagen. Mehr als ein Lippenbekenntnis ist eine Kultur selten.

Eine echte Kultur besteht dann, wenn sie nach aussen erkennbar wird. Dabei sind es vor allem vier Indikatoren, die zum Beispiel Dan Shapiro als Lackmustest für eine Kultur sieht. An ihnen lässt sich ablesen, ob sich ein Unternehmen wirklich aus der Masse heraushebt und eigene Leitlinien gesetzt hat. Sie hängen die Kultur daran auf, wo eine Firma – venünftigerweise oder nicht – gegen den Mainstream schwimmt. Darum wirken sie auch einigermassen provokativ.

Polarisierende Entscheidungen
Diese entstehen dann, wenn ein Unternehmen nicht den allgemein anerkannten Mittelweg geht. Im Bereich der strategischen und operativen Entscheidungen gibt es jede Menge Trade-offs, jede Menge einerseits-andererseits-Situationen. Das durchschnittliche Unternehmen wählt einen vernünftigen Mittelweg. Die Frage ist aber, wo die Priorisierung so weit geht, dass man andere Nachteile dafür in Kauf nimmt.

Zum Beispiel haben die meisten Firmen ein Bekenntnis zur Innovationsförderung abgegeben, aber wer kommt dem auch nach? Nur wer statt einer Politik des sowohl-als-auch eine Position bezieht, lebt eine von Aussen sichtbare Firmenkultur.

Übersteigerung
Gilt dann, wenn man als Aussenstehender zwangsläufig denkt: Ist das nicht ein bisschen viel? Beispielsweise dann, wenn eine Firma nur Leute einstellt, die höher qualifiziert sind als alle bisherigen Angestellten auf dem Gebiet – und dabei trotz aller Schwierigkeiten keine Kompromisse macht. Oder wenn die oft genannte Offenheit so seit geht, dass die Angestellten ein Protokoll jedes Board Meetings erhalten.

Eigenarten
Sympathisch ungewöhnliches, das den Alltag des Unternehmens für die Angestellten prägt. Wenn ein Softwareentwickler bei Google eine Modelleisenbahn im Büro haben kann, dann ist das eine Eigenart des Unternehmens. Eigenarten kommen mit Vorteil aus der Initiative des Teams heraus.

Fehlleistungen
Sind von Aussen sichtbar und prägen das Bild eines Unternehmens. Statt einer Gestaltungsfrage sind sie ein Symptom von einem tiefer liegenden Problem in der Kultur. Darin sind sie das negative Gegenstück zu den positiven Übersteigerungen, und oft die Nachteile, die sich aus diesen ergeben. Sie sind gemeint, wenn etwa bei einer Grossbank von einer Kultur der Verantwortungslosigkeit gesprochen wird oder ein Internetanbieter mit schlechtem Service identifiziert wird.

Ist es damit von Vorteil, eine Firmenkultur zu haben? Darüber macht diese Aufzählung keine Aussage. Es geht vielmehr darum, dass Mission Statements egal sind – für die Firmenkultur gilt vielmehr: You know it when you see it.