Jeder im Team ist bis über beide Ohren beschäftigt. Spätschichten sind an der Tagesordnung. Trotzdem stellen sich die Ergebnisse zu langsam ein. Vielleicht ist Euer Team reif für Kanban.

Kanban: Eine Landkarte für die Produktivität

Das japanische Wort Kanban lässt sich mit Karte übersetzen. Der Begriff steht für ein System zur Steuerung von Produktionsabläufen, das Toyota seit Jahrzehnten für Teams einsetzt. Inzwischen wurde das System von anderen Branchen übernommen und adaptiert. Insbesondere in der IT-Branche etabliert es sich zunehmend. Für Teams in stark arbeitsteiligen Prozessen bieten Kanban Vorteile: Es ist sehr einfach einzuführen, verkürzt die Durchlaufzeiten und verbessert die Zusammenarbeit im Team.

Teamarbeit mit Post it-Zetteln
Ein Kanban zu bauen ist eine Sache von Minuten. Man benötigt dafür ein Whiteboard und eine Menge Post it-Zettel. Auf dem Whiteboard werden die Stationen aufgezeichnet, die ein Aufgabenpaket in dem Team typischerweise durchläuft. Für ein Team aus der Software-Entwicklung könnten das sein: Anforderungsdefinition, Programmierung, Dokumentation, Test und Betrieb. Anstehende Aufgabenpakete werden auf Post it’s notiert und in die vorderste Spalte, den Backlog, geklebt. Anschliessend wandern die Aufgabenpakete durch die verschiedenen Stationen.

Work in Progress
Soweit so einfach. Jetzt wird das entscheidende Kanban-Element eingeführt. Pro Station wird definiert, wie viele Arbeitspakete maximal in Arbeit sein dürfen; es wird ein Limit für die ‘Work in Progress’ (WIP) festgelegt. Arbeitspakete dürfen nur zur nächsten Station weitergereicht werden, wenn diese auch freie Kapazitäten hat. Mit Kanban wird die Arbeit in einem Team zum Pull-System: Subteams oder Teammitglieder, die z.B. im Testing tätig sind, holen sich erst Arbeit aus der davor liegenden Station, wenn sie die aktuell bearbeiteten Arbeitspakete abgeschlossen haben und an den Betrieb weitergereicht haben. Henrik Kniberg, ein schwedischer Berater, hat einen typischen Tag im Kanban-Land als Comic festgehalten. Sein Cartoon zeigt, wie Kanban funktioniert und was die Vorteile sind:

Schneller und effizienter
Das Pull-System, das Kanban mit sich bringt, führt zu zwei wesentlichen Vorteilen:
Das Team und seine Mitglieder konzentrieren sich auf wenige, aktuell anstehende Aufgaben. Ineffizientes Multitasking wird reduziert, weil das verlustreiche Switchen zwischen verschiedenen Aufgaben zurückgeht. Dadurch verringert sich die Durchlaufzeit der einzelnen Arbeitspakete und Ergebnisse werden schneller realisiert. Insgesamt wird sich auch ein gleichmässigeres Arbeitstempo einstellen. Die Visualisierung der Arbeitspaketes und ihres Wegs durch das Team führt zu mehr Transparenz. Auf einen Blick ist ersichtlich, welche Aufgabenpakete wo bearbeitet werden und wo ein Bottleneck entsteht. Dadurch ist es für jedes Teammitglied klar, wo gerade Ressourcen benötigt werden und wie andere Teammitglieder unterstützt werden können. Die Ressourcenallokation wird vereinfacht und verbessert.

Wirksam, aber simpel
Will man mit Kanban arbeiten, empfiehlt es sich, das ganze einfach anzugehen: Es muss kein ausgetüfteltes und fein verästeltes System sein. Ein Whiteboard und ein paar Haftzettel reichen aus. Henrik Kniberg hat auch sein Kanban Kickstart-Beispiel als Comic festgehalten: Ein guter Vorschlag, um das Thema für das eigene Team auf einfache und effiziente Weise anzugehen. In den letzten Monaten findet man im Web immer mehr Organisationen, Publikationen und Consultants zu diesem Thema, die die verschiedenen Aspekte darstellen und diskutieren. Ich habe einige davon am Ende des Artikels aufgeführt. Fast das eindrücklichste Beispiel einer Kanban-Anwendung findet sich in einem Erfahrungsbericht von Tim Wasson: Als externer IT-Consultant hat er ein reichlich desolates Entwickler-Team übernommen: Viele anstehende Aufgaben, keine Resultate, sehr ambitiöser Zeitplan. Er zeigt mit seiner Kanban-Geschichte auf, das mit einfachen Mitteln sehr rasch Resultate realisiert werden können.


Lesenswertes zum Thema Kanban:
Die Limited WIP Society ist die Web-Plattform für die Kanban-Community im Software Engineering.

Henrik Kniberg hat auch ein Buch zum Thema Kanban und Scrum veröffentlicht, das man als E-Book kostenlos lesen kann.

IT Agility ist ein deutsches Unternehmen für agile Software-Entwicklung. Ihre Homepage bietet viele deutschsprachige Informationen zu Kanban.

Kanban kann man auch als Arbeitsinstrument für die persönliche Produktivität einsetzen. Auf unserem Schwester-Blog imgriff.com habe ich diese Methode vor kurzem vorgestellt.

Von Thomas Mauch, Blogwerk-Autor bei Imgriff.com.