Im Interview erzählt Carole Ackermann, Präsidentin der Business Angels Schweiz, worauf sie bei Startups achtet und fordert einen positiveren Umgang mit Startup-Misserfolgen.

Carole AckermannSind Startups eine gute Geldanlage?
Ja, als Ergänzung zu anderen Anlagen in einem Portfolio. Als ausschliessliches Investment nein, dafür haben sie ein zu hohes Einzelrisiko. Von zehn finanzierten Startups hat vielleicht eines grossen Erfolg, einige plätschern dahin, einige sind ein Totalverlust. Ganz viele Elemente spielen zusammen und müssen stimmen.

Was muss ein Business Angel mitbringen – abgesehen von Kapital?
Business Angels sollten ihre Startups unterstützen können. Sie helfen Startups mit Marktzugang, mit Beziehungen. Oder mit Erfahrung, wie man ein Unternehmen führt, von der Kapitalerhöhung bis zur Liquiditätsplanung. Da gibt es einen Rattenschwanz an Dingen, die Startups in kurzer Zeit lernen müssen. Wer sich hier nicht engagieren will, sollte besser Bluechip-Aktien kaufen.

Sie präsidieren die Business Angels Schweiz. Es gibt aber noch viele Angels, die nicht institutionell organisiert sind. Wie kommt man als Startup an diese heran? 
Das ist richtig. Man vermutet, dass es viel mehr Angels gibt als in den wichtigsten Clubs Mitglied sind. Das Problem ist, dass man nicht wirklich weiss, wer diese sind. Oft wollen sie gar nicht bekannt sein und treten darum nicht in Erscheinung. Das liegt vielleicht an der Schweizer Mentalität, solche Engagements ungern an die grosse Glocke zu hängen.

Wenn sich der Pool der Business Angels nicht vergrössern lässt, wie kann man sonst Investitionen in Startups fördern?
Interessant wären halbstaatliche Organisationen im Sinne einer Public-Private Parternship. Zum Beispiel liesse sich etwas wie ein High-Tech-Gründerfonds Schweiz lancieren. Es könnte im Bereich der Seedfinanzierung noch viel erschlossen werden, was in anderen Ländern aktiver gemacht wird.

Wer könnte noch für Startup-Finanzierung gewonnen werden?
Ein Überlegung wert wären Family Offices oder Pensionskassen. In der Schweiz ist viel Geld vorhanden; es würde sich lohnen, diese strukturiert anzugehen. Ideal wäre, wenn jemand als Leadinvestor aufträte, wie es für Kantonalbanken üblich ist, die dann zusammen mit Investoren aktiv werden.

Lassen Sie uns über Ihre Finanzierungen sprechen. Worauf achten Sie bei Startup-Anfragen?
Als erstes muss die Dimension stimmen, also ein überschaubares Investitionsvolumen und geographische Nähe. Dann schauen wir auf die Branche: Passt das zu unseren Kompetenzen und können wir etwas beitragen? Und weiter fragen wir: Ist ein ausreichend grosser Markt da, gibt es ein Kundenbedürfnis? Ist die Idee einzigartig oder wird sie morgen schon kopiert und ist sie schützbar?

Was ist Ihnen besonders wichtig?
Neben einer soliden Idee kommt es vor allem auf die Qualität des Team an. Einen formal gut aussehenden Businessplan haben Sie schnell, ein Team von Könnern, das wie ein Orchester zusammenspielt, nicht.

Was ärgert Sie?
Wenn ein Businessplan so geschrieben ist, wie man das an der Uni lernt, bin ich skeptisch. Ich muss aus dem Businessplan das Team und das Einzigartige herausspüren können, ob die Leute mit Begeisterung dabei sind und sich gegenseitig ergänzen. Das Produkt muss verständlich und das Geschäftsmodell nachvollziehbar sein. Je einfacher Sie beschreiben, was Sie brauchen und was Sie machen, desto besser. Je nebulöser und länger der Businessplan, desto schwieriger wird es.

Gab es unter Ihren Investments schon Fehlschläge?
Bis jetzt nicht. Bei Business Angels Switzerland haben wir einige Startups finanziert, die zwar überleben, aber wo man nicht die Multiples herausbekommt, die Freude machen. Das ist einfach ein Fakt bei solchen Investments, es sind nicht alle erfolgreich.

Was passiert in einem solchen Fall?
Da ist die Frage, wie viel Aufwand man noch betreiben will. Solange das Team daran glaubt und die Idee Substanz hat, wollen Sie ja nicht den Stecker rausziehen. Das musste ich bisher auch noch nicht tun. Ich kann aber nicht ausschliessen, dass das irgendwann passiert.

Würde Ihnen das leicht fallen?
Nein, aber bei einer Refinanzierung überlegt sich jeder Investor, ob es finanziell Sinn macht weiteres Geld einzuschiessen. Wenn er nicht an einen guten Return glaubt, muss das Startup Unternehmen andere Investoren suchen.

Und wenn es zum Schlimmsten kommt?
Sehen Sie es so: Es ist schade, clevere Leute in einem Startup zu haben, das nicht zum Fliegen kommt. Das Leben ist zu kurz, um sich mit etwas aufzuhalten, das nicht funktioniert. Es gibt andere Ideen und das Leben bietet viele Möglichkeiten, scheitern ist keine Schande.

Das wird nicht von allen so gesehen.
In der Schweiz wird Scheitern problematisiert. Man scheut das Risiko und achtet auf Erfolge. Deswegen haben Sie es hier schwerer, wenn Sie einmal gescheitert sind. Ich sehe das ganz einfach: Wenn Sie scheitern, lernen Sie etwas und machen den gleichen Fehler nicht nochmals. Ich stelle lieber jemand an, der gescheitert ist und daraus gelernt hat, als jemand, der nur Erfolg hatte weil er nie etwas riskierte.

Ehrlich?
Es kommt natürlich darauf an, warum jemand gescheitert ist. Wenn sich jemand zum Beispiel unverhältnismässige Löhne ausgezahlt oder Informationen verschleiert hat, ist es etwas anderes. Aber wenn sich ein Startup im Markt verschätzt hat und das auch begründen kann, ist das eine wertvolle Erfahrung.

Zum Beispiel?
Mir ist lieber, ein Gründer hatte schon einmal ein leeres Konto als wenn er noch nie erlebt hat, dass das Geld ausgeht. Erfolgreiche Startup-Gründer wissen, wie man «hands-on» arbeitet. Ich habe mehr Skepsis bei jemandem, der aus einem Grosskonzern kommt und ein Startup gründen möchte als bei jemand, der mit einem Startup gescheitert ist. Der weiss, was es heisst, in einem Startup zu arbeiten. Dort hat man keine Sekretärin, die alles für einen erledigt.

Denken Sie, dass sich unsere Einstellung zum Scheitern positiver wird?
Ich würde mir wünschen, dass Investoren mehr Risikofreude zeigen. Es gibt mehr junge Leute als je zuvor, die Startups lancieren und nicht-traditionelle Karrieren wählen. Je mehr Startups es gibt, desto eher ändert sich auch die Wahrnehmung, dass Fehlschläge dazugehören.