Geschäftsideen denkt man sich nicht aus, man bemerkt sie. Warum man dazu in der Zukunft leben muss, erklärt Startup-Experte Paul Graham.

Startup-Ideen: Stumpfes Grübeln bringt nichts {flickr;http://www.flickr.com/photos/janoma/4458023189/sizes/s/in/photostream/;http://creativecommons.org/licenses/by/2.0/}«Ja, aber ich suche noch nach einer Geschäftsidee.» So klingt es oft, wenn man Startupinteressierte danach fragt, ob sie ein Jungunternehmen lancieren wollen.

Das Finden einer Startupidee ist ein Dauerbrenner, was sich auch in unseren Seitenstatistiken bemerkbar macht. Das scheint auch anderen so zu gehen: Vom Startup-Experten Paul Graham gibt es Einiges zum Thema. In einem aktuellen Essay greift er nun alle bisherigen Ratschläge auf.

Seine These: Startupideen denkt man sich nicht aus, man bemerkt sie. Die guten Ideen findet mal organisch, nicht weil man aktiv nach ihnen sucht. Was daraus folgt, ist einerseits ernüchternd, andererseits motivierend. Welches vom beidem, hängt von der eigenen Einstellung ab. 

Startupideen bringen neue Lösungen für bislang übersehene Probleme. Weil sie neu und unkonventionell sind, kommen sie in zwei Varianten daher: Etwas, das eine kleinen Anzahl von Menschen stark wünscht oder etwas, das eine grosse Anzahl von Menschen ein bisschen interessiert. Die erste Variante ist für Graham die, auf die Gründer setzen sollten. Denn für sie stehen die Umsetzungschancen besser. Hier ist es wahrscheinlicher, dass sich zumindest ein kleiner Kreis von Kunden findet, der bereit ist, Geld auszugeben. Und was einen echten Bedarf befriedigt, wird eher genutzt, wenn es in einer klapprigen Version 1.0 noch mit Schwächen daherkommt; was bei Startupprodukten anfangs unvermeidlich ist.

Mach dich zum Experten

Graham plädiert also für solche Tiefenbohrungen. Um aber überhaupt etwas Passendes zu finden, braucht es vertiefte Kenntnisse über einen Lebensbereich oder eine Branche. Daraus ergibt sich ein wichtiges Credo für gute Ideen:

Scratch your own itch, oder anders gesagt: entwickle ein Produkt für dich selbst.

Der Grund dafür ist klar – mit den eigenen Bedürfnissen kennt man sich gut aus. Apple nahm so seinen Anfang. Steve Wozniak wollte einen günstigen Heimcomputer. Weil er keinen fand und das nötige Wissen mitbrachte, baute er selbst einen. Damals war noch nicht abzusehen, dass dieses Bedürfnis dereinst alle Haushalte teilen würden. «Woz» zielte auch nicht darauf, sondern realisierte ein Produkt für sich und andere early adopter.

Weil viele der sich natürlich ergebenden Felder schon abgegrast sind, lautet Grahams zusätzlicher Tipp: Mach dich zum Experten eines Gebiets. Erst dann kannst du eine Prognose wagen, was auf diesem Feld noch fehlt. Das gehe zum Beispiel mit einem interdisziplinären Studium oder per Job in einer anderen Branche. RentHop-Gründer David Sax hat das kürzlich auf den Punkt gebracht: «Want to disrupt an industry? Try actually working in it first.» Graham pflichtet bei: Wer Software für Restaurants schreiben wolle, solle zuerst eine Weile in einem arbeiten, um die Bedürfnisse der Leute dort kennenzulernen. Ein auf den ersten Blick übertriebener Einsatz, der sich aber lohne: «That may seem like taking things to extremes, but startups are extreme.»

In der Zukunft leben

Um im Ernstfall eine Idee zu erkennen, rät Graham zur Einnehmen einer besonderen Perspektive. Positioniere dich in einem schnell ändernden Feld und such nach Lücken, nach ungelösten Problemen. Dafür nötig ist, seinen Blick zu trainieren und den Status Quo laufend zu hinterfragen. Was ist jetzt (noch) ineffizient, schwierig, zeitraubend oder umständlich? Solche Probleme neigen dazu, früher oder später erkannt und durch ein Produkt gelöst zu werden. Graham nennt das «in der Zukunft Leben».

Dazu gehört ein analytischer Blick, der sich nicht mit den bestehenden Arten, etwas zu tun, zufrieden gibt. Ein Blick, der sich stösst an den Nervigkeiten des Alltags. «When something annoys you, it could be because you’re living in the future.»

Wenn man auf etwas solches aufmerksam werde, habe man meistens das Gefühl, mit seiner Erkenntnis spät dran zu sein. Graham rät dazu, sich davon nicht abschrecken zu lassen, im Gegenteil. Genauso, wenn bereits ein anderes Startup dieses Feld beackere. Seine Daumenregel: Eine gute Idee mit Wettbewerbern ist besser als eine schlechte Idee ohne.