Wer sein Produkt nur mit ROI und Kostenersparnissen bewirbt, setzt sich allzu oft in die Nesseln. Kaufentscheidungen laufen viel weniger rational ab als wir denken.

Kostenersparnis als Argument?{401(K) 2012;http://www.flickr.com/photos/68751915@N05/6736166839/in/photostream/;http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/deed.de}Eine gängige Annahme lautet: Wer ein echtes Problem löst, findet auch zahlende Kunden für sein Produkt. Genaueres Hinschauen zeigt: So einfach ist es leider nicht.

Der mehrfache Startup-Gründer Jason Cohen plaudert in einem aktuellen Beitrag aus dem Nähkästchen. Im Kern steht sein Problem, das eigenen Softwareprodukt richtig zu vermarkten. Sein Reviewwerkzeug für Softwareetwickler hatte ein simples Wertversprechen: «Eure Programmierer sparen Zeit und werden deshalb produktiver.» Das unterstrich das Startup mit einer kleinen Modellrechnung. Diese sollte klar machen, wie schnell der Zeitgewinn die Anschaffung der Software aufwiegen würde. Nur leider zeigte sich schnell: Eine solche Rechnung allein überzeugt niemanden.

Nackte Zahlen reichen nicht

Die Idee leuchtet jedem Gründer sofort ein: Ein Tool sorgt für einen Produktivitätgewinn, bessere Abläufe oder einfacheres Arbeiten – spart also Zeit und damit Geld. Wenn man nun einen Preis setzt, der deutlicher kleiner ist als der erzielte Gegenwert, ist das Geschäft so gut wie gemacht – schliesslich kann der Kunde ja kalkulieren.

Die Erfahrung vieler B2B-Startups belegen aber, wie wenig rational Kaufprozesse oft ablaufen. Ein Grund ist die Schwierigkeit, Produktivitätsgewinne zu messen. Es wird schlicht nicht gemacht. Ein weiterer Grund ist die Aufteilung von Unternehmensbudgets. Lohn- und Werkzeugkosten werden werden selten zusammen betrachtet, es fehlt ein ganzheitlicher Blick. Und zudem sind Unternehmen viel eher bereit, für einen laufenden Service zu zahlen, den sie sehen können als für ein Werkzeug. Das gilt besonders, wenn der Service von Menschen erbracht wird. Und dies ist sogar unabhängig davon, ob das Werkzeug gleichviel oder mehr leistet. Dummerweise ist das erste, was der potentielle Kunde sieht, zunächst einmal ein neuer Kostenfaktor.

Das sorgt zwangsläufig für Probleme, was die Zahlungsbereitschaft von Kunden angeht.

Zahlungsbereitschaft kennenlernen

Die Frage ist also: Wie zeigen wir dem Kunden, dass unser Produkt die Anschaffung lohnt? Der Weg über nackte Zahlen reicht nicht. Im Idealfall ist der Vorteil in der Benutzung aufgenfällig. Ansonsten muss man den Kunden mit Vorteilen regelrecht erschlagen, er muss seinen Nutzen auch ohne Kalkulation sehen. Zum Beispiel werden Workflows so viel einfacher, dass die Gewinne für die Produktivität auch ohne Zahlen offensichtlich sind. Das Produkt muss einen deutlich grösseren Mehrwert als bestehende Werkzeuge. Und: Das Arbeiten muss sich besser anfühlen. Denn: Ein Entscheider soll den Kauf nicht nur nach oben, sondern auch nach unten begründen können. Wenn dann noch die Zahlen stimmen und die Amortisierung schnell geht, stehen die Chancen gut. Der zentrale Punkt ist aber: Diese Kalkulation darf nicht das Hauptargument sein.

Und, so irrational es klingt: die Preisgestaltung muss vom gefühlten Mehrwert ausgehen, nicht vom objektiven. Cohen meint dazu: «The value proposition and the pricing (…) need to be solved independently.»

Für die Preisgestaltung ist entscheidend, wie potentielle Kunden über Anschaffungen nachdenken und welche Budgets sie zur Verfügung haben. Es lohnt sich, hier anzusetzen und genügend Marktforschung zu betreiben, um diesen Spielraum möglichst genau zu kennen. Wer weiss, wieviel Geld Unternehmen für welche Dienstleistungen und Werkzeuge zur Verfügung steht, kann einen Salespitch anhand dieser Kenntnisse viel überzeugender führen.
Es mag sich wie eine Binsenweisheit anhören, aber es zeigt sich auch hier: Ein grossartiges Produkt ist nur die halbe Miete. Zum Erfolg wird es nur durch geschicktes Verkaufen.