Ein Wiki ist für die Teamarbeit eines Startups besser geeignet als (teure) Office-Software.

Von Dorian Selz, Nektoon

Nektoon Wiki: Confluence als interne Kollaborationsplattform.Die meisten Editier-Konzepte gehen davon aus, dass ein einziger Autor an der Arbeit beteiligt ist. Jack Stillinger, ein amerikanischer Professor für Englische Literatur, nennt dies den Mythos des einsamen Genies (Affiliate-Link).

Er betont, dass die meisten grosse Werke häufig mehrere Autoren hätten – mit verschiedenen, wenn nicht sogar konträren Intentionen. Egon Friedell, ein österreichischer Historiker, hält die Diskussionen um Plagiate für die unfruchtbarsten der Geschichte. Er schreibt in der „Kulturgeschichte der Neuzeit“ (Affiliate-Link), die Natur erlaube kein unehrliches Geschäft und betont, dass Alexander Ideen bei Philip geborgt hätte, Augustinus bei Paulus, Schiller bei Shakespeare, welcher sich wiederum von Plutarch inspirieren liess. Friedell schliesst, dass so genannte „Dark Ages“ – das Mittelalter wird bisweilen als solches bezeichnet – immer eine Phase geringen intellektuellen Abkupferns gewesen seien.

Egon Friedell hätte das Internet geliebt.

Als wir 2005 mit local.ch starteten, hatten wir nur gerade sechs Monate Zeit, um unsere Plattform zu entwickeln und aufzubauen.

Knapp 40 Personen von sechs verschiedenen Firmen waren an dem Projekt beteiligt. In einem ersten Ansatz teilten wir die Plattform in verschiedene Blocks auf . Jedes Sub-Team kämpfte mit der organisatorischen und konzeptuellen Herausforderung, die eigenen Fortschritte zu dokumentieren und auf dem Laufenden zu bleiben, was die Entwicklung in den anderen Gruppen betraf.

Die meisten von Euch wissen, was folgt: Ein E-Mail-Tsunami, Trillionen Anhänge mit Spezifikationen, Präsentationen, Excel-Blättern und mehr. Nach nur wenigen Wochen wusste keiner, welche Präsentation up to date war, auf welche Spezifikation man sich geeinigt hatte und welcher Business-Plan nun gültig war. Es war ein Albtraum .

Was beim Start eines Projekts am wichtigsten ist: Es braucht die Konzentration des ganzen Teams für eine gut ausgeführte Lösung – im scharfen Kontrast zu Roger Federers herausragenden Einzelleistungen. Es spielt keine Rolle, wer was geschrieben hat. Wichtig ist, dass Substanzielles geschrieben wurde. Eine solide Spezifikation ist eine Teamleistung. Also machten wir uns auf die Suche nach einer kollaborativen Plattform für Spezifikation und Dokumentation. Schnell landeten wir bei einem Wiki.

Wikipedia ist weltbekannt. In kürzester Zeit hatte es die altehrwürdige Encyclopedia Britannica überholt. Kollaboratives Arbeiten hatte sich als Konzept der Dokumentierung und Standardisierung bewiesen. Weniger bekannt ist, dass dieses Konzept auch innerhalb von Firmen Anwendung finden kann – 2005 war das zumindest noch ein neuartiger Ansatz.

Ein Wiki erlaubt es, Dokumente kollaborativ über einen beliebigen Webbrowser zu bearbeiten. Die grössten Vorteile sind:

  • Kollaboratives Schreiben: Jedermann kann auf jede beliebige Seite zugreifen und die Inhalte editieren
  • Transparenz: Jeder sieht jederzeit, was abläuft und die Dokumente werden automatisch versioniert
  • Stabilität: Jede Seite hat eine dauerhafte URL
    Einfacher Zugriff: Jeder kann im ganzen Wiki nach den Themen suchen, die er braucht.

Im Prinzip ist dies in hohem Grad verteilbare und verteilte Zusammenarbeit: Die Beteiligten können standortunabhnängig an den Dokumenten arbeiten.

Natürlich traten auch Probleme auf während der vier Jahre, in denen ich intensiv mit unserem Wiki arbeitete.

  • Eine Internetverbindung ist notwendig. Wer offline ist, ist von der Arbeit ausgeschlossen. Das ist uns einmal wegen einer Panne unseres Service Providers einmal zwei volle Tage passiert.
  • Die Flexibilität eines Wikis kann auch dazu führen, dass die Information sich laufen desorganisiert. Ein Wiki muss laufend gepflegt werden.

Die Angewöhnung war kein linearer Prozess. Einige Mitarbeiter hatten zu Beginn grosse Mühe mit der Arbeit am Wiki. Sie waren irritiert, weil ihre Kollegen in Echtzeit sahen, woran sie gerade arbeiteten. Ausserdem war die Syntax von MediaWiki für einige Benutzer zu Beginn gewöhnungsbedürftig – Besonders Schlaue begannen daher Word-Dokumente ins Wiki hoch zu laden.

Um Weihnachten 2005 evaluierten Toni und ich ein paar Alternativen. Wir suchten ein Wiki mit einem Rich-Text-Editor, um den Leuten die Arbeit zu erleichtern. Wir entschieden uns für Confluence, des damals unbekannten und kleinen australischen Startups Atlassian.

Wir haben seither keinen Anlass gefunden, die Entscheidung zu überdenken. Tatsächlich konnten wir ein paar Freunde, beispielsweise von namics, liip, Zeix, Blogwerk, PubliGroupe, von dieser Lösung überzeugen. Nachdem sie von uns den Umgang mit Confluence gelernt hatten, führten sie Wikis in ihren Unternehmen ein oder verbesserten die bestehenden Lösungen (Wer eine Live-Demo sehen möchte, kann jeden von uns jederzeit kontaktieren).

Es wird keinen überraschen, dass, als wir 2007 über unser nächstes Projekt nektoon nachzudenken begannen, wir als erstes ein Wiki aufsetzten. So konnten wir unabhängig von Zeit und Ort an unserem Projekt arbeiten und wussten auch, woran unsere Mitstreiter gerade waren.

Heute arbeiten wir gemeinsam in unserem Wiki an Spezifikationen, Technischen Dokumentationen, Geschäftsangelegenheiten, Projektmanagement, Buchhaltung, personellen Angelegenheiten und öffnen unser Wiki für unsere Kooperations-Partner. Für uns zählt nicht das einzelne Genie, sondern die gemeinsame Anstrengung.

[postlist „Startup-Bauanleitung“]